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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 17.02.1938
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- 1938-02-17
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- 17.02.1938
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»Faust« und eine Anthologie »Deutsche Lyrik aus 700 Jahren«. G. Hauptmanns »Atlantis« und Ernst Wiecherts »Majorin« ent sprechen höheren literarischen Ansprüchen, während der Unter haltungsroman durch H. Dominik, H. Fallada, I. M. Frank, H. Hoster, O. Höcker u. a. vertreten ist. — Die finnische Lite ratur erfährt in Deutschland steigende Beachtung, wenn auch die Zahl der ins Deutsche übernommenen Werke naturgemäß nur gering ist. Die bei einer von deutschen und französischen Teilnehmern besuchten Jungbuchhändler-Arbeitswoche getroffene Vereinba rung einer engeren Zusammenarbeit zwischen dem Buchhandel Deutschlands und Frankreichs wird auch auf dem Gebiet des Übersetzungswesens ein reiches Feld der Tätigkeit finden, zumal da Hand in Hand mit der rückläufigen Bewegung der französischen Buchproduktion ein sehr merkbares Sinken der Übersetzungen aus dem Deutschen geht. Diese sind mit 124 Er scheinungen um 50 Einheiten hinter dem Vorjahr zurückgeblie ben und haben damit einen Tiefstand erreicht, wie er seit 1829 nicht mehr beobachtet wurde. — Die am stärksten beanspruchten Gebiete sind die Schöne Literatur (45), die Geschichtswissenschaf ten (27) und die Theologie (19). Namentlich die historisch-poli tische Literatur weist mit der Fortführung einiger großer viel bändiger Werke eine Reihe wertvoller Erscheinungen auf, so z. B. die »Geschichte der Päpste« von L. von Pastor (Band 18), die »Große Politik der europäischen Kabinette« (Band 26) und »Der Krieg zur See 1914—18« (Band 3 des »U-Boot-Krieges«). — Die moderne deutsche Romanliteratur ist fast völlig vernach lässigt; das Jugendschrifttum kommt vorwiegend mit älteren Erzählern, W. Hauff, Ehr. von Schmid, Brüder Grimm, zur Geltung; die Auswahl aus der klassischen Literatur erweist wie immer die hohe Wertung Goethes, von dem drei Ausgaben des »Weither«, der »Faust« und das »Märchen von der grünen Schlange« vorliegen. Wenn Deutschland im Berichtsjahr zwar noch eine nennens werte Zahl (80) von französischen Werken ausgenommen hat, die nicht nur wie früher vorwiegend der Romanliteratur, sondern zu einem sehr beträchtlichen Teil dem religiösen und historischen Schrifttum entstammen, so kommt doch im allge meinen die »sinkende Weltgeltung« Frankreichs aus literarischem Gebiet in geradezu schlagender Weise auf dem Ubersetzungs markt zum Ausdruck: nahezu in allen Ländern der Erde wird, wie das französische Originalbuch, so auch die Übersetzung vom englisch-amerikanischen und deutschen Schrifttum zurückgedrängt — eine Entwicklung, die naturgemäß in Frankreich mit steigen der Besorgnis beobachtet und besprochen wird. (Fortsetzung folgt.) Schopenhauer über Bücher und Bücherlesen Zu seinem hundertfünfzigsten Geburtstag am 22. Februar Schopenhauer hat sich über Bücher ebenso widerspruchsvoll geäußert, gegen das Buch und für das Buch, wie viele schöpferische Geister vor ihm und nach ihm seit ältesten Zeiten der Menschheitsgeschichte. Im »Buch der Bücher«, in der Bi bel, die Nietzsche als »unser immer noch einziges Buch« bezeich net, sagt der Prediger: »Mein Sohn, laß Dich warnen: kein Ende ist des vielen Büchermachens, und vieles Studieren er müdet den Leib«. — Der alexandrinische Gelehrte und Biblio thekar Kallimachus, der nach der Überlieferung selbst eine große Anzahl Werke verfaßt hat, soll ein großes Buch als ein großes Übel bezeichnet haben. — Goethe sagt zu Eckermann: »Der Irrtum gehört den Bibliotheken an, das Wahre dem menschlichen Geiste: Bücher mögen sich durch Bücher vermehren, indessen der Verkehr mit lebendigen Urgesetzen dem Geiste ge fällt, der das Einfache zu erfassen weiß, das Verwickelte sich ent wirrt und das Dunkle sich aufklärt«. »Nicht aus Büchern, son dern durch lebendigen Jdeentausch, durch heitere Geselligkeit müßt ihr lernen!« »Wem die Welt nicht unmittelbar eröffnet, was sie für ein Verhältnis zu ihm hat, wem sein Herz nicht sagt, was er sich und andern schuldig ist, der wird es wohl schwerlich aus Büchern erfahren, die eigentlich nur geschickt sind, unseren Jrrtümern Namen zu geben.« Aber er sagt auch: »Wer hat es nicht erfahren, daß die flüchtige Lesung eines. Buches, das ihn unwiderstehlich fortriß, auf sein ganzes Leben den größten Ein fluß hatte und schon die Wirkung entschied, zu der Wiederlesen und ernstliches Betrachten kaum in der Folge mehr hinzutun kann«. Und: in Bibliotheken »fühlt man sich wie in der Gegen wart eines großen Kapitals, das geräuschlos unberechenbare Zinsen spendet«. — Nietzsche sagt in der Unzeitgemäßen Be trachtung »Schopenhauer als Erzieher«: »Ich ergötze mich an der Vorstellung, daß die Menschen bald einmal das Lesen satt bekommen werden und die Schriftsteller dazu, daß der Gelehrte eines Tages sich besinnt, sein Testament macht und verordnet, sein Leichnam solle inmitten seiner Bücher, zumal seiner eige nen Schriften, verbrannt werden. Und wenn die Wälder immer spärlicher werden sollten, möchte es nicht irgendwann einmal an der Zeit sein, die Bibliotheken als Holz, Stroh und Gestrüpp zu behandeln? Sind doch die meisten Bücher aus Rauch und Dampf der Köpfe geboren: so sollen sie auch wieder zu Rauch und Dampf werden. Und hatten sie kein Feuer in sich, so soll das Feuer sie dafür bestrafen«. Aber er sagt auch: »Daß es Bücher gibt, so wertvolle und königliche, daß ganze Gelehrten- gcschlechter gut verwendet sind, wenn durch ihre Mühe diese Bücher rein erhalten und verständlich erhalten werden, diesen Glauben immer wieder zu befestigen, ist die Philologie da«. »Solche Bücher der Tiefe und der letzten Bedeutsamkeit brauchen zu ihrem Schutz eine von außen kommende Tyrannei von Auto rität, um jene Jahrtausende von Dauer zu gewinnen, welche nötig sind, sie auszuschöpfen und auszuraten.« Diesen Kampf im Menschen der Neuzeit zwischen Abneigung und Liebe gegen das Buch hat Schopenhauer besonders treffend und eindrucksvoll gekennzeichnet. In ihm spiegelt sich ebenso die aus der Geistesgeschichte notwendig gewordene Angst, daß durch das Buch die selbständige Schöpferkraft geschwächt wird, wie das ihr gegenllberstchende Gefühl der Unvermeidlichkeit, sich das Buch einzuverleiben, im Buch zu leben, weil es kein anderes Mittel gibt, durch Aneignung der Geistesschöpfungen vergange ner Menschheiten von ihren Schultern aus ein wertvolles Zu kunftsmenschentum aufzubauen. Auch für ihn ist es eine Haupt kulturfrage der Gegenwart, ob und wie es gelingt, durch selbst erzieherische Geisteszucht die Aufdröselung der Schaffenskräfte, die Überwucherung schöpferischer Mächte durch Massenfremdstoff aus der Menschheit vor uns zu vermeiden. Niemals aber würde er dabei dem Irrtum anheimgefallen sein, daß ein unbedingtes Neubeginnen ohne Zusammenhang mit Vergangenheiten mög lich sei, das nicht sofort in schlimmste Kulturlosigkeit hinein geraten würde. Für diese Erziehungsfrage größten Maßstabcs hat uns erst Nietzsche das Gewissen geschärft, aber sie ist auch für Schopenhauer schon eine ernste Kulturnot gewesen. In seinem Leben wie für sein philosophisches Schaffen ist das Buch ohne Zweifel für Schopenhauer dauernd eine unent behrliche Notwendigkeit gewesen. »Was mir allein schwerfällt zu verlassen, ist meine eigene und die öffentliche Bibliothek. Ohne Bücher auf der Welt wäre ich längst verzweifelt . . .«, schreibt er am 20. April 1822 an Osann. Und: »Da mir die Menschen, mit denen ich lebe, nichts sein können, so sind die Denkmäler, die zurückgelassenen Gedanken der mir ähnlichen Wesen, die einst wie ich unter jenen sich herumgestoßen, mein größter Genuß im Leben. Ihr toter Buchstabe spricht mich ver trauter an als das lebendige Dasein der Zweifüßer. Ist doch dem Ausgewanderten ein Brief aus der Heimat mehr als das Gespräch der ihn umgebenden Fremden!» Er verallgemeinert diese Anschauung sogar ins Grundsätzliche: »Die Werke sind die Quintessenz eines Geistes: sie werden daher, auch 13« Nr. 40 Donnerstag, den 17. Februar 1938
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