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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.11.1906
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 30.11.1906
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- Deutsch
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(Stadthagen) erstenmal entgegen dem Schutz der persönlichen Freiheit der Polizei oder andern amtlichen Stellen ein Recht gegeben werden soll, eine Blankovollmacht. Was eine »amtliche Stelle« ist, kann auch zweifelhaft sein. Beispielsweise: sollen die städtischen Be hörden damit gemeint sein? Sollen Berufsgenossenschaften damit gemeint sein? Sollen sie alle das Recht haben, zu vervielfältigen? Das richtigste wäre, hier genau abzugrenzen, in welchem Fall es notwendig ist, im öffentlichen Interesse eine Photographie Her stellen zu lassen und demgemäß auch zu vervielfältigen. Meine Herren, man stellt doch die Photographie zu amtlichen Zwecken im allgemeinen nicht dazu her, daß sie sorgsam im Schrank ver wahrt, sondern daß sie vervielfältigt werden soll; das ist doch der eigentliche Zweck der Anfertigung. Meine Herren, soll also hier ein neues Prinzip eingeräumt werden, ein Recht für die Polizei? Mein Freund Fischer hat Ihnen den Fall dargelegt, der 1897 hier im Reichstag behandelt wurde. Der Herr Kollege Porzig meinte trotzdem, die angeführten Fälle von Mißbräuchen ließen sich nicht nachkontrollieren. Aber der Fall ist ja hier öffentlich im Reichstag verhandelt worden. Der damalige Bundesratsbeoollmächtigte für Hamburg, der jetzige Bürgermeister vr. Burchard, hat, wie mein Freund Fischer darlegte, seinerzeit erklärt, daß man sich das Recht nehme ohne einen bestimmten Gesetzesparagraphen. Es wurde damals zu gegeben, es gibt kein Gesetz, das das Photographieren wider Willen gestattet; trotzdem wurden die Streikenden photographiert. Meine Herren, damals ist diese Handlung wohl auch vom Zentrum verurteilt worden. Freilich, das war im Jahre 1891, und jetzt schreiben wir 1906. Bei einigen Leuten vom Zentrum scheint die Zeit aber außerordentlich rückläufig zu wirken, meine Herren, wenn Sie jetzt den Behörden reichsgesetzlich ein Recht geben, das nach den ausdrücklichen Bestimmungen nach dem preußischen Gesetz von 1854 zum Schutz der persönlichen Freiheit und nach der Strafprozeßordnung nicht besteht. Wir gäben ein für alle mal diese Blankovollmacht auch über die Landesgesetze hin aus oder durch neues Landesgesetz, wonach die amtlichen Organe den einzelnen gegen seinen Willen photographieren können. Der Herr Abgeordnete Jtschert sagte, ihm sei es gleichgültig, ob er photographiert wird oder nicht. Ja, den meisten andern auch. Aber der Unterschied ist, ob Herr Jtschert es zugeben würde, daß er gezwungen wird, sich photographieren zu lassen. Davon ist hier die Rede. In dem neuesten Anarchistenprozeß, der in dieser Woche abgeurteilt wurde, lag es so, daß objektiv rechtswidrig — auch nach Annahme des Gerichts — der Mann, der nichts tat, photographiert werden sollte. Cr wollte die Einwilligung zum Photographieren nicht erklären. Darauf wurde Gewalt gegen ihn angewendet, so starke Gewalt, daß ihm die sämtlichen Knöpfe seiner Bekleidungsgegenstände abgerissen wurden und er auch äußerlich Spuren von Gewalt an sich trug. Gegen diese äußere Gewalt hat er sich gesträubt. Nun wurde konstruiert, daß trotz alledem ein Widerstand gegen die öffentliche Staatsgewalt Vor gelegen habe. Es geht so weit, daß der Mann in der ersten Instanz in diesem Fall verurteilt ist, indem die objektive Rechts widrigkeit angenommen wurde. Der Umstand, daß die betreffen den Beamten dem Befehle ihrer Vorgesetzten gefolgt seien, genügt zur Bestrafung der Gewalt gegen das objektiv rechtswidrige amt liche Vorgehen. Der Herr Abgeordnete Jtschert meint, solche Fälle würden ja heute verfolgt. Ist der verfolgt, der in Hamburg die damals Streikenden oder Maifeiernden gewaltsam photographiert hat? Ist irgend einer der Fälle verfolgt worden, die wir behandelt haben? Nein, meine Herren, und deswegen kam mein Zwischenruf: »Bedroht wird es durch das Strafgesetzbuch, aber nicht verfolgtl- Jnsbesondere solange wir diesen Zustand haben, sollten wir im Reichstag das Recht des einzelnen nicht noch mehr beschränken, die straflose Allmacht der Polizei nicht noch mehr ausdehnen, wie es hier tz 23 will. Meine Herren, noch einmal: aus welchem Grunde soll Z 23 hinein, wenn das heute schon geltendes Recht wäre? Nein, man will hier eine reichsgesetzliche Stütze für die neue Allmacht der Polizei geben. Auch damit kann man mit Recht nicht kommen, daß man sagt: man hat jetzt das ganze Photographiegesetz auf eine ganz neue Basis gestellt. Ich bitte Sie, sich zu entsinnen, gerade die Herren, die davon gesprochen haben, daß sie Juristen sind, der trefflichen Schilderungen Jherings Uber injuriöse Rechtsverletzung, wo er gerade auch diesen Fall der Photographierung wider Willen als injuriöse Rechtsverletzung betrachtet; ich bitte, sich zu erinnern der Schrift des Kammergerichtsrats Keyßner über das Recht am eigenen Bilde. Man braucht nicht mit allem einverstanden zu sein, was in dieser Schrift dargelegt ist, wohl aber mit dem Grundsatz, der sie durchzieht, daß es ungeheuerlich ist, das Recht der Persön lichkeit des einzelnen so zu mißachten, daß man ihn gegen seinen Willen photographiert. Bei Gelegenheit des Bürgerlichen Gesetz buchs hat der Herr Abgeordnete Gröber in Verbindung mit seinen Freunden ausdrücklich erklärt, an die Spitze müsse eigentlich gestellt werden, auch im Zivilrecht, der Schutz der Persönlichkeit. Es ist dann nur dahin gekommen, wie in ZZ 823, 826 usw., bei uner laubten Handlungen einige Bestimmungen zu treffen. Hier wollen Sie nun reichsgesetzlich sagen: den Schutz der Persönlichkeit heben wir auf, sobald amtliche Organe in Betracht kommen, und wir wollen auch den Mißbrauch, der geübt ist, nicht treffen. Sie können gar nicht leugnen, daß die Fälle, die wir vorgeführt haben, miß bräuchlich sind. Wollen Sie es nicht als Mißbrauch hinstellen, wenn jemand, gegen den wegen einer Handlung, die einen politischen Charakter an sich trägt, eine Untersuchung eingelettet ist, von der Polizei gegen seinen Willen photographiert wird? Der Richter hat da zu bestimmen; sogar nach dem jetzigen preußischen Recht, wenn jemand der Freiheit beraubt ist, sagt das Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit bei uns in Preußen: es muß der Fest genommene sofort dem Richter vorgeführt werden auch in den außerhalb der Strasprozeßordnung liegenden Fällen. In der Strafprozeßordnung steht ausdrücklich, daß allein der Richter die Maßgabe hat. Bei der Beschlagnahme von Briefen steht allein dem Richter die Befugnis zu, nicht der Polizei, auch wenn sie Organe der Staatsanwaltschaft sind, auch nicht dem Staatsanwalt. Und hier sagen Sie: nein, der Richter versteht das nicht, der hohe Polizeibeamte, der große Schutzmann versteht mehr als der Richter. Das sagen die Herren, die in demselben Atem den Richter ver teidigen zu wollen glauben. Das heißt eine Herabsetzung des Richters, selbstverständlich wider Willen, eine Herabsetzung seiner Kenntnisse, seiner Fähigkeiten. Vor kurzer Zeit hat ein Staats anwalt sich dagegen gewendet, daß ihm zugemutet würde, er handle handwerksmäßig; er war der Ansicht, das sei gar nicht möglich, das sei eine Beleidigung ihm gegenüber, ihn gleichzustellen mit einem geprüften Handwerksmeister. Und da kommen Sie hierher und sagen: ja, noch mehr, die Verwaltungsbehörde weiß alles, aber der Richter tappt im Dunkeln, er muß sich -den Grundsätzen unterwerfen, die die Verwaltungsbehörde aufgestellt hat«. Nein, meine Herren, hier ist ein Prinzip, das die früheren Herren des Zentrums, auf die von ihren politischen Gegnern mit großer Hoch achtung geblickt wird, mit aller Entschiedenheit verurteilt und an gegriffen haben. Ich möchte den Herrn Abgeordneten Jtschert bitten, nachzulesen, was bei Gelegenheit des preußischen Gesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit gerade von späteren Führern der Zentrumspartei ausgeführt wurde. Nun sagt der Herr Kollege Porzig, hier sei ein Aus nahmerecht gegeben, ein solches sei aber nicht erforderlich. Ich weiß nicht, worin hier ein Ausnahmerecht liegen soll, wenn ich ganze Gattungen von Vergehen oder diejenigen Straftaten herausgreife, bei denen sich sofort herausstellt, daß keinerlei öffentliches Interesse vorliegt. Dann müßte ja der hervorragende Jurist, der es heute zuerst aussprach, auch erklären, ein Aus nahmerecht sei gegeben, wenn es in der Strafprozeßordnung heißt: ein Haftbefehl könne erlassen werden bei Verbrechen usw., aber außer unter besondern Umständen nicht bei Vergehen, besonders nicht bei Übertretungen. Genau so liegt es hier. Ich weiß nicht, warum das ein Ausnahmerecht sein soll. . Nun sagt der Herr Kollege Jtschert, er könne sich den Fall denken, daß eine Übertretung es notwendig macht, daß die be treffende Person photographiert wird. Er meinte, es sei z. B. notwendig, die Mädchen, die sich etwa der sittenpolizeilichen Kontrolle entziehen könnten, vorher zu photographieren. Ich glaube, die meisten Mädchen haben nichts dagegen, daß sie photo graphiert werden; sie werden sogar sehr damit einverstanden sein, daß ihr Bild vervielfältigt wird. Aber Herr Jtschert meinte, solche Fälle müsse es dach geben, es sei notwendig, damit nicht Hunderte und aber Hunderte etwa angesteckt würden. Ach, meine Herren, wir wollen doch hier nicht so theoretisch reden, sondern ins praktische Leben sehen, wie es wirklich ist. (Heiterkeit.) Meine Herren, wir haben in Deutschland dieselben Verhältnisse, und zwar wiederum selbst vom Reichsgericht anerkannt, wie sie jetzt in
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