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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.11.1906
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 30.11.1906
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- Deutsch
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(Jtschert) Abgeordneten, der sein Zeugnis verweigerte und sich durch Ver legung seines Aufenthalts ins Ausland oder sonstwie seiner Vernehmung als Zeuge entzöge, zu verbreiten. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) — Ob sie das jetzt schon hat oder nicht, das ist etwas andres; hier handelt es sich darum, daß in dem Antrag Albrecht das liegt, was er vermeiden will; ich will die Inkonsequenz des Albrechtschen Antrags klarstellen. Ich halte ferner dafür, daß er entschieden zu weit geht, wenn er — abgesehen von der Frage der Anfertigung — z. B. die Ver breitung eines Bildnisses auch verbieten will, wenn eine Über tretung vorliegt. Die meisten Fälle der Übertretungen mögen derart sein, daß die Verbreitung eines Bildnisses nicht notwendig ist. Denken Sie sich aber den Fall, daß eine Weibsperson, die wegen gewerbsmäßiger Unzucht einer polizeilichen Aussicht unter steht, von einer Stadt zur andern zieht und dadurch, daß sie sich der gesundheitspolizeilichen Aufsicht entzieht, Hunderte von Leute in gesundheitlicher Beziehung ins Unglück bringt! Will Herr Kollege Fischer auch hier die Möglichkeit ausschließen, durch Be kanntmachung des Bildes dieser Frauensperson die Volksgesund heit zu schützen? Ich glaube, er kann es nicht wollen; in solchen Fällen der Übertretung muß auch er die Möglichkeit geben wollen, ein Bild amtlich zu verbreiten. Was dann aber das Anfertigen eines Bildnisses anlangt, so stehe ich durchaus auf dem Standpunkt des Herrn Kollegen Porzig, daß nämlich diese Frage nicht in dieses Gesetz hineingehört; denn dieses beschäftigt sich nicht damit, unter welchen Umständen man sich photographieren laßen darf. Ich meine übrigens, im großen und ganzen braucht man sich der Verbreitung seines Bildnisses nicht zu schämen, wenn man nichts verbrochen hat. (Sehr richtig! rechts.) In diesem Fall ist es mir wenigstens gleichgültig, ob man mein Bild verbreitet oder nicht, insofern nicht eine persön liche Spitze und Kränkung darin liegt; eine solche kann ich aber schon nach dem bestehenden Strafgesetzbuch verfolgen. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) — Ich kann die Bestrafung wegen Belei digung durchführen und auch die Einziehung der verbreiteten Bilder hecbeiführen, falls Bestrafung erfolgt ist. Ich sage aber auch hier: selbstverständlich muß ein angemessener Schutz gegen das Photographiertwerden gewährt werden, und wiederhole damit das, was ich vorhin sagte, daß ich gegen jeden Mißbrauch der Polizeigewalt bin. Deshalb werden wir auch für die Resolution 1 stimmen. (Bravo! in der Mitte.) Prüfident Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stadthagen. Stadthagen, Abgeordneter: Meine Herren, die Schätzung, welche die beiden Herren Vorredner den Richtern zuteil werden ließen, war sehr interessant. Der erstere meinte, für einen Teil seiner Freunde sei es wahrscheinlich, daß ihnen das ganze Gesetz unannehmbar würde, falls hier der Richter als Schutz für die persönliche Freiheit ins Gesetz hineinkomme. Alles, was er ver mutlich zum Schutz der Wertung der Richter sagen wollte, wird durch das Urteil, das er durch den Antrag auf Streichung der richterlichen Befugnisse gegen die Hochwertung von Richtern wider Willen abgab, so widerlegt, wie es schärfer nicht widerlegt werden kann. Als einzige Behörde, die, theoretisch genommen — praktisch liegt es ja manchmal anders — noch einigen Schutz gibt, haben wir den Richter; und da sagen die beiden Herren — Herr Porzig natürlich weit schärfer als Herr Jtschert —: ja, wir können hier nun richterliche Anordnung nicht ergehen lassen, der Richter kann hier nicht zuständig sein, Herr Porzig meinte sogar, der Richter würde sich selbst so weit depravieren — das sagte er allerdings nicht wörtlich —, zu tun, was die Verwaltungsbehörde von ihm verlangt. (Zuruf.) — Sie sagten ziemlich wörtlich: der Richter kommt zu gar nichts anderm, als daß er sich den Grundsätzen der Verwaltungsbehörde unterwerfen muß. Ich habe das nur übersetzt dahin: er sei demnach so weit depraviert, daß er abhängig ist von der Verwaltungsbehörde. Sie meinen, der Richter wäre nach geltendem Recht nicht befugt, etwas andres zu tun, als die Verwaltungsbehörde will, er dürfe gar nicht einmal erst nachprüfen. Das geht so weit, daß das preußische Kammer gericht z. B. erklärt hat, der Richter sei nicht in der Lage, zu prüfen, die Erklärung eines einfachen Schutzmanns — nicht ein mal einer Behörde — die öffentliche Ruhe und Sicherheit sei ge fährdet, weil irgendwo ein Streikposten stehe — diese Erklärung Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 73. Jahrgang. des Schutzmanns, selbst wenn die Straße völlig leer war, habe der Richter auf seine tatsächliche Richtigkeit hin nicht nachzuprüfen. Solche Auffassung mag in einen absoluten Staat Hineinpassen, aber nicht in einen Rechtsstaat. (Sehr gut! bei den Sozial demokraten.) Das Reich hat sich stets bemüht, gegen die polizei liche Allmacht Garantien zu schaffen. Geradezu erstaunt bin ich über die Ausführungen des Herrn Jtschert, die im schlimmsten Widerspruch stehen nicht nur zu frühern Ausführungen der beiden Reichensperger und Windthorsts, nein, auch zu dem, was Herr Gröber bei Beratung des Bürger lichen Gesetzbuchs ausführte mit andern seiner Fraktionskollegen. Damals erklärte er, es sei ein großer Fehler im Bürgerlichen Ge setzbuchs, daß nicht die Rechte, die der einzelne hat, an die Spitze gestellt werden, insbesondere das Recht der Freiheit der Person. Jetzt kommen Sie und sagen: damit hat das nichts zu tun. Was ist das anders, als eine Attacke auf das Recht der Person! Wenn in der Landesqesetzgebung das Recht bestehen sollte, jemanden wider seinen Willen zu photographieren, so wollen wir die Ge legenheit hier ergreifen, die Person gegen solche Angriffe zu feien. Aus welchen Gründen hat denn die Regierung den tz 23 eingesetzt? Sie sagen: die von uns zur Regelung empfoh lene Sache hat mit der Materie nichts zu tun. Das ist mir unverständlich. Sie sagen damit: das Anfertigen hat mit der Vervielfältigung nichts zu tun. Ja, vervielfältigen Sie einmal eine Sache, die Sie nicht angefertigt haben! (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten und Heiterkeit.) Also steht doch An fertigung und Vervielfältigung im engsten Zusammenhang. Auch das Reichsgericht hat angenommen, daß es eine Mißhandlung der Persönlichkeit sei, wider Willen photographiert zu werden. Nun meinte Herr Kollege Porzig, das ginge doch nicht, die Polizei müßte doch die geflohenen Verbrecher photographieren können. Ich traue der Polizei nicht ganz so viel zu wie der Herr Kollege Porzig; aber das habe ich nicht geglaubt, daß die Polizei es fertig bringen sollte, einen geflohenen Verbrecher zu photographieren. (Heiterkeit.) Deswegen nicht, weil man nur einen photographieren kann, wenn man ihn hat. (Lachen und Zurufe rechts.) — »Geflohene Verbrecher- haben Sie gesagt; ich habe es mir sofort notiert. Ich habe mich auch nicht darüber gewundert, daß nach den Anschauungen des Herrn Kollegen Porzig die Polizei, die die Seele des Staats sein soll, alles kann — die Polizei kriegt es sogar fertig, Verbrecher nicht zu kriegen —; aber daß sie geflohene Verbrecher photographieren könne, das ist ein Zeichen von Klugheit der Polizei, von dem ich nicht ge glaubt hätte, daß ein Abgeordneter der Rechten so weit gehen könnte, an ihm die Allmacht und auch die Ohnmacht der Polizei zu charakterisieren. Das Beispiel des Herrn Porzig, der davon sprechen wollte, daß jemand, der fliehen wollte oder im Verdacht steht, zu fliehen, verhaftet und photographiert werden müßte, damit eventuell ein Steckbrief hinter ihm erlassen werden könnte, — dieser Fall ist im Strafprozeß geregelt. Das Reichsgericht erklärt, in diesem Falle ist die Behörde berechtigt, den Betreffenden zu photo graphieren und sein Bild zu vervielfältigen. Das ist geltendes Recht. In derselben Entscheidung erklärt das Reichsgericht aber auch, daß die Anfertigung von Bildern wider Willen des Be treffenden eine körperliche Mißhandlung, eine Beleidigung der be treffenden Person sei. Nun soll das bislang Rechtswidrige durch 8 23 des vorliegenden Entwurfs rechtsgültig gemacht werden. Zeigen Sie mir ein Reichsgesetz, das der Polizei gestattet, zu photographieren! Nirgends haben wir ein solches Gesetz. Nun sagen Sie: diese Sache hat mit der Materie des Gesetzes nichts zu tun. Dann sagen Sie doch weiter: ß 23 soll heraus aus dem Gesetz! Nein, meine Herren, Sie wollen ein neues Recht der Polizei geben, das Recht, jemanden gegen seinen Willen zu photographieren und sein Bild zu vervielfältigen. Wenn die Polizei das Recht hat, Steckbriefe zu erlassen, muß sie auch die Möglichkeit haben, zu photographieren; wenn sie das Recht zur Vervielfältigung hat, muß sie auch das Recht haben, Bilder an zufertigen. Das ist ganz klar. Nennen Sie mir doch einen Fall, wo es sich darum handelt, daß Sie der Polizei nur das Recht der Vervielfältigung, aber nicht der Anfertigung zugestehen? Vervielfältigungsrecht ohne Anfertigungsrecht ist leerer als eine Seifenblase (große Heiterkeit), ist vollständig leer, ohne jeglichen Inhalt. Meine Herren, es zeigt sich gerade durch die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Porzig klar, daß hier reichsgesetzlich zum 1623
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