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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.11.1906
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 30.11.1906
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- Deutsch
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vr. Müller (Meiningen), Abgeordneter, Berichterstatter: Meine Herren, ich halte es für meine Pflicht, denjenigen Herren die nicht in der Kommission waren, einen kurzen Überblick über diese wichtige Frage zu geben. Sie sehen aus dem Bericht auf Seite Id, 20 und 21, daß sich die Kommission die allergrößte Mühe gab, um hier den richtigen Weg zu finden, daß man, um die erste Zeile des Z 23 richtig zu fassen, nicht weniger als sechs Variationen beantragte und zu diesen verschiedenen Variationen des Textes noch eine Reihe von Untervariationen. Man hat sich zuletzt auf den Antrag, wie er jetzt vorliegt, geeinigt; man schaltete die Worte ein: -auf richter liche Anordnung», um eine gewisse Garantie zu geben gegen die jenigen Handlungen, die von allen Seiten in der Kommission be anstandet worden sind. Der Antrag, der jetzt von seiten der Sozialdemokratie vorliegt, war bereits in der Kommission gestellt; die Streikvergehen waren nicht ausdrücklich genannt, sondern bloß die politischen Handlungen und die Übertretungen gemäß Z 1 des Reichsstrafgesetzbuchs. Es herrschte bereits in der Kommission das allgemeine Empfinden, daß es im höchsten Grade ungehörig sei, wenn Per sonen wegen politischer Delikte zwangsweise porträtiert würden. (Hört! hört! links.) Es wurden in der Kommission einzelne Bei spiele erwähnt. Ich verweise auf einen Fall, der sich im Sommer ereignete und den ich zur Illustration der ganzen Rechtslage hier gleich einschalten kann, der in den letzten Tagen hier zur Ab urteilung kam. In dem einen Falle wurde ein angeblich anarchisti scher Redakteur zwangsweise unter Vergewaltigung photographisch ausgenommen; in den: andern Falle, der, wie erwähnt, vor einigen Tagen hier in Berlin abgeurteilt wurde, wurde ein Mann, bei dem einige Nummern der anarchistischen Zeitung -Der freie Ar beiter- beschlagnahmt wurden, in dieser Sache zur Vernehmung vor den Kriminalkommissar auf das hiesige Polizeipräsidium zitiert. Der Beklagte erschien — ich folge hier der Presse darstellung. Nachdem der Kriminalkommissar den Betreffenden entlassen hatte, wurde er auf dem Korridor von mehreren Be amten förmlich überfallen, und auf seine Frage, was man mit ihm vorhabe, wurde ihm geantwortet, er solle photographiert werden. Der Mann weigerte sich und erklärte, daß er erst nach Empfang einer schriftlichen Verfügung bereit sei, sich für die Kriminal polizei photographieren zu lassen. Es wurde ihm nun bedeutet, daß, wenn er sich weigere, Gewalt gegen ihn angewendet werden würde. Es kam dann zu einer förmlichen Prügelei, bei der er von den Beamten, wie sestgestellt wurde, an den Haaren gezogen und mit Fußtritten und Faustschlägen bedacht wurde. Unter diesen Umständen, so wurde festgestellt, mißglückte die erste photo graphische Aufnahme vollständig (Heiterkeit), und erst die zweite Aufnahme gelang. Die Sache endete verhältnismäßig glimpflich; der Betreffende wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 120 ^ verurteilt. Der Fall, der hier zur Aburteilung gelangte, war ähnlich wie der in der Kommission zur Mitteilung gelangte. Ich wieder hole, es war beinahe bei allen politischen Parteien die An schauung vorhanden, daß eine derartige zwangsweise Porträtierung gegenüber einem Mann, der wegen einer politischen Handlung in Untersuchung war, unter allen Umständen verwerflich sei. Cs wurde, um diesen Bedenken Ausdruck zu geben, auch eine Resolution beschlossen, deren Mitverhandlung an dieser Stelle ich hiermit beantrage. Es ist die Resolution 1, die Sie im Bericht finden. Die Mehrheit der Kommission glaubte aber trotzdem, den Antrag der äußersten Linken nicht annehmen zu können. Es wurde betont, daß die ganze Materie nicht in dieses Gesetz hinein paffe, und von den verschiedensten Seiten festgestellt, daß es sich hier um eine Überschreitung des Rahmens dieses Gesetzes handle. Denn in dem vorliegende» Fall — das darf ich auch als Bericht erstatter hier einfließen lassen — handelt es sich lediglich um die Vervielfältigung und Verbreitung des Porträts, aber nicht um die Anfertigung von Porträts. Daher wurde mit Recht von den verschleimen Seiten eingewendet, daß die Materie in den Rahmen dieses Gesetzes — so bedauerlich auch derartige Eingriffe in die individuelle Freiheit erscheinen — nicht Hineinpasse. Als Referent habe ich »nur ein Amt und keine Meinung«: ich habe Ihnen bloß das, was die Kommission in dem Z 23 fest gestellt hat, sowie die erste Resolution zur Annahme zu befür worten. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 73. Jahrgang. Präfidentr Meine Herren, der Herr Referent hat beantragt, die Resolution Nr. 1 gleichzeitig mit dem Z 23 zu beraten. Ich halte das auch für praktisch und schließe mich dem Antrag des Herrn Referenten an, und wenn niemand widerspricht, werde ich annehmen, daß der Reichstag so beschließt. — Dies ist der Fall, da niemand widerspricht. Die Resolution Nr. 1 steht also mit zur Diskussion. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fischer (Berlin). Fischer (Berlin), Abgeordneter: Der Herr Abgeordnete Jtschert hat gestern dem Sozialdemokraten Fischer seinen besondern Dank ausgesprochen, daß er für das Eigentumsrecht des Künstlers so warm eingetreten sei. Ich glaube, dieser ironische Pfeil war einer von den Pfeilen, die auf den Schützen zurückprallen; denn in dem Gesetz handelt es sich nicht darum, das bürgerliche Eigentum zu verteidigen, sondern darum, die Arbeit, die Arbeitskraft des Künstlers zu schützen, und das ist der Grund, warum wir Sozial demokraten für dieses Gesetz eintreten. Wir wollen den Schutz der Arbeit des Künstlers gegen die Bestrebungen derer, die auf dem Boden des bürgerlichen Eigentums die Künstler um ihren Ertrag, um die Frucht ihrer Arbeit womöglich bringen wollen. Wir Sozialdemokraten würden auf diesem Gebiet noch viel weiter gehen, wenn die Herren von den bürgerlichen Parteien uns hierin unterstützen würden; denn wir Sozialdemokraten wissen, daß die natürliche Folge dieses Gesetzes ist, daß künftig in dem graphischen Gewerbe, in der ganzen Kunsttndustrie die Arbeits- und An stellungsverträge so abgefaßt werden, daß alle diese Rechte, die wir dem Künstler persönlich schaffen wollen, so ipso auf den Unternehmer usw. übergehen, und infolgedessen werden auch hier durch dieses Gesetz bloß gewisse Kreise bis zu einem gewissen Grad geschützt werden. In der glücklichen Lage, wie die Zeichner und Schriftsteller des »Simplicissimus« waren, als sie ihrem Ver leger einfach vorschreiben konnten, unter welchen Bedingungen sie weiter für ihn arbeiten, sind eben nur einzelne besonders an erkannte Talente oder Genies; aber eine solche Ausnahmestellung kann niemals Gesamtgut aller Jndustrieangestellten werden. Wir werden hier dasselbe erfahren, was wir auf andern Gebieten heute schon sehen: in den großen Industrien, bei Siemens L Halske, bei Krupp, bei Stumm usw., werden alle Ingenieure usw. mit der kontraktlichen Verpflichtung angestellt, daß alle ihre Erfindungen nicht ihnen persönlich, sondern dem Unternehmer zugute kommen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Genau dieselbe Erscheinung wird sich auf dem Gebiete des künstle rischen Schutzes für die in graphischen Betrieben und sonst be schäftigten Künstler ergeben. Aber nun zu Artikel 23, der uns augenblicklich beschäftigt. Wir haben in Drucksache Nr. 570 in erster Linie beantragt, die Kommissionsfassung abzulehnen und die alte Regierungsvorlage wieder herzustellen, zu dieser Regierungsvorlage aber einen Zusatz hinzuzufügen, der, ich möchte sagen, der Regierungsvorlage gleich sam die Giftzähne ausbricht. Erst in zweiter Linie, wenn dieser unser Antrag abgelehnt würde, beantragen wir, wie es auf Ziffer II der Nr. 570 steht, gewisse Worte einzuschalten, um den Willen der Kommission klarer zum Ausdruck zu bringen. Wir sind in der Kommission bei Stellung unseres Antrags von dem Gedanken ausgegangen, daß Z 23 und unsere Ergänzung dazu die natürliche Folge des K 22 sei, worin das Recht der Persönlichkeit auf ihr Bild festgelegt worden ist. Nun sagte die Regierung, für gewisse amtliche Zwecke müsse eine Ausnahme ge schaffen werden, und wir stehen nicht an, zu erklären, daß wir dieses Ausnahmerecht nicht durchweg verwerfen wollen. Wir geben zu, daß es eine Reihe von Fällen geben kann, wo man im Interesse der Allgemeinheit von dem in ß 22 stipulierten Recht eine Ausnahme machen muß. Bei Gaunern, Taschendieben, Ver brechern usw. (Zuruf- — auf die Sozialdemokraten komme ich nachher noch — muß der Polizei das Recht dieser Ausnahme zugestanden werden. Man kann auch so weit gehen, zu sagen: im Interesse der öffentlichen Wohlfahrtspflege müssen ebenfalls Ausnahmen gegeben werden, wie z. B. in dem Fall des taubstummen Aus länders, der weder lesen noch schreiben konnte, und dessen Iden tität erst festgesteUt werden konnte durch den Photographieaustausch. Ebensowenig widersprechen wir dem andern Fall, wo sich ein Kind verlaufen hat, wo eine Leiche angeschwemmt ist, deren Persönlich keit nicht festgestellt werden kann. Aber der Wortlaut des Para graphen in der Rcgierungssassung und auch in der der Kommis- 1622
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