Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.09.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-09-09
- Erscheinungsdatum
- 09.09.1914
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19140909
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191409094
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19140909
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1914
- Monat1914-09
- Tag1914-09-09
- Monat1914-09
- Jahr1914
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
ssrienbiau f. d. Dtschn. vuchhande! Redaktioneller Teil. ^ 209, 9. September 1914. Münchner Briefe. IV. (III siehe Nr. 160.) Kriegsbereitschaft des Münchener Buchhandels. Als ich in der letzten Juli-Woche die Bugra besuchte, da haben mich die braven Leipziger in eine ruhige Sorglosigkeit gewiegt. Bravo, sagte ich mir, ihr laßt euch von den Sturmvögeln, die aus dem deutschen Blätterwald auffliegen, nicht irre machen. Wäh rend die Münchener, ihrem leicht aufflammenden Naturell ent sprechend, das Cafs Fahrig zerstörten, weil ihrem Wunsche nach vaterländischen Liedern nicht Rechnung getragen wurde, blieb in Leipzig alles ruhig. In den Gasthaus-Konzerten, die ich abends besuchte, wurden zwar Vaterlandslieder verlangt, sie wurden aber nur von wenigen mitgesungen. Und in den Straßen war bis auf wenige Ausnahmen alles ruhig. Ganz anders war es schon in Nürnberg. Da wogten die Menschen in der Königsstraße, und überall tönte das Schlagwort »Krieg«. Stets Erwägungen über die Betriebsmöglichkeit im Ernstfälle; der Nürnberger ist immer der kluge, vorausschauende Geschäftsmann. Sein praktischer, dem Ganzen dienender Sinn hat sich ja in den zahlreichen Hilfsaktionen für Kriegsangehörige usw. erwiesen. In München aber war schon lodernde Begeiste rung. Massen standen vor den Münchener Neuesten Nachrichten. Als abends der Kriegszustand erklärt wurde, war sekundenlanges feierliches Schweigen, dann ertönte, als sei ein Alp von der Brust genommen, so recht aus dem innersten Empfinden heraus ein drei faches Hurra! Die Wacht am Rhein stieg wie ein Gelöbnis zum Himmel empor, und als in den nächsten Tagen Kriegserklärung auf Kriegserklärung folgte, da quoll der deutsche Grimm herauf. In Scharen zogen die kernigen Oberbayern herein. Man mutz sie gesehen haben, wie sie gierig zum Losschlagen bereit wa ren. Ein Vater kam mit seinen drei Söhnen aus der Tölzer Ge gend, der schon am Bahnhof meinte: »Herrgott, Buam, wann mer nur scho dort war'n! Aber dö war'n ma stupf'n, gelt?« »Mir scho, mir!« war die zuversichtliche Antwort. Es war vorauszu sagen, daß diese wettergehärteten Hünen aus dem bayerischen Hochland in ihrem bayerischen Grimm wie ein Hagelwetter im Kornfeld unter dem Gegner wirken müssen, müssen aus innerstem Trieb. Nun, die Franzosen, die 1870/71 noch von »blauen Teu feln« sprachen, sind jetzt um einen Grad galanter geworden; sie fürchten sich jetzt vor den »bayerischen Löwen«. Und wie das quillt! Daß der Landsturm aufgerufen wurde, wurde in ganz Deutschland als selbstverständlich hingenommen. Kriegsfreiwillige von allen Seiten. »Es wächst der Mensch mit seinen höher'n Zwecken.« Überall regen sich die Hände, um mitzuhelfen am gro ßen Werk. Jeder trägt dazu bei, die Hilfsquellen für das Rote Kreuz und für Kriegsangehörige zu vermehren. Die Zeit der Not zeigt uns, daß wir in der Zeit des Aufstiegs doch nicht entartet sind, wie es oft behauptet wurde. Wir haben deutsche Art treu ge wahrt, und der Sieg nach dieser Probe, den wir erhoffen können, wird uns noch lange mahnen, daß ihn nur deutsche Sitte, deutsche Treue und deutsche Einfachheit beschert haben. Dann wird am deutschen Wesen einst die Welt genesen. Eines aber dürfen wir besonders nicht vergessen: unsere Or ganisation. Wie eins ins andere greift, wie fast maschinenmäßig sich alles abspielt, von der Kriegserklärung bis zur Besitzergreifung der ersten Festung. Kaum ist Lüttich in unserem Besitz, so erscheint schon der erste Verwaltungsbeamte. Den ersten Sieg, den wir ver zeichnen, müssen wir unserer bewundernswerten Organisation zu schreiben, es war der ungehinderte Aufmarsch unserer Truppen. Währenddem wurde im Innern die Presse mobilisiert. Sie, die Nachrichtenlüsterne, mußte wochenlang mit kärglichen Notizen sich begnügen. In welch kluger Weise wurde nicht der Psychologie der Massen Rechnung getragen! Finanz- und Handelswelt wur den überzeugte, gefügige Diener des Mars. Alles nimmt einen viel sichererenGang, als man zuerst glaubte. Zwar Handel und Wandel stocken. Teils weil der Kern des Volkes im Felde steht, teils weil eine bedächtige Sparsamkeit für die künf tigen Monate sorgt. Doch ist eine wirkliche Krisis noch nicht ein getreten ; sie wird hoffentlich auch ohne Moratorium nicht kommen. Industrie und Handel schützen jetzt schon die kleinen Unternehmun 1370 gen, von deren gesunder Entwicklung bei normalen Verhältnissen sic überzeugt sind. Um so beschämender ist es, daß im Buchhandel das Gegenteil festzustellen ist. MancheFirmen, die zumTeilmitunge- heuren Summen arbeiten, liefern nur noch unter Nachnahme oder gar nur, wenn der Betrag vorher eingesandt wird. Das letztere Verlangen ist eine Anmaßung; denn der Sortimenter ist doch zu dem gleichen Mißtrauen wie diese ängstlichen Verleger berechtigt. Die Münchener Verleger erklärten, daß sie den Verkehr wie bisher aufrechterhalten wollen, wie es die süddeutschen Verleger durch die Bank tun. Und die großen norddeutschen? Viele vergessen ganz, daß auch wir dem Vaterlande Dienste leisten müssen, daß Mann für Mann ernsthaft seine Pflicht tun muß, damit die, die jetzt draußen für uns kämpfen, die bereit sind, ihr Leben für unseren Schutz zu lassen, ihr ehrliches Brot finden, wenn sie zurückkehren. Wir müssen sorgen, daß nach Möglichkeit der Handel sogleich wieder eine gesunde Entwicklung nimmt, daß die Schlote wieder rauchen. Durch kleinliche Maßnahmen der erwähnten Art aber werden viele ehrliche Existenzen, die sich sonst durchgerungen hätten, ver nichtet. Der kaufmännische Handel schafft überall Erleichterun gen, und diese Buchhandelsfirmen, die sich sonst so viel auf ihre Großzügigkeit zugute getan haben? Ihre Ängstlichkeit ist in der großen Zeit, die in Wahrheit ein einig Volk von Brüdern geschaf fen hat, beschämend. Leider hat auch ein bayerischer Schulbücherverlag gemeint, »unter den gegenwärtigen Verhältnissen« das Bar-Konto (monat liche Abrechnung) aufheben zu müssen. Da die Firma sowieso schon sehr vorsichtig ist, wird sie Wohl nur zahlungskräftige» Sorti mentern Bar-Konto eingerichtet haben. Und doch kann auch diesen Vorauszahlung unangenehm werden, da wohl jeder Geschäfts mann in dieser ernsten Zeit seine Verfügungen für die nächsten Monate getroffen hat. Derartige ängstliche und zudem unnötige Vorsichtsmaßregeln haben eine starke Verwandtschaft mit Brot verteuerung.*) Da die Schulen in Bayern regelmäßig, wie sonst, am 16. Sep tember beginnen, so ist das Schulbüchergeschäft noch das einzige, auf das man mit Sicherheit rechnen kann. Denn das Weihnachts geschäft wird, damit müssen wir uns heute schon abfinden, sehr flau werden. Die Universitäten haben zwar ihren Semesterbeginn wie sonst, nicht aber auch die Lehrer und Hörer. Und das andere Geschäft wickelt sich sehr ruhig ab. Der Verkauf von Kriegskarten hat im August, der ja immer ein geschäftlich schwacher Monat war, den Ausfall an Reiseliteratur einigermaßen ersetzt, die künftigen Monate aber können unmöglich durch den Absatz von Kriegslite ratur ausgeglichen werden. Da heißt es alle Hände an den Pflug. Wenn das Personal auch durch die Einberufungen verringert ist, damit also auch die Gehaltsspesen, die laufenden Spesen an Miete usw. müssen doch gedeckt werden. Jetzt müssen Inhaber und Mitarbeiter jede Ab satzgelegenheit erspähen und ausnutzen. Der Selbsterhaltungstrieb verlangt es, denn der Münchener Buchhandel hat keine oder nur ganz unwesentliche Personalkündigungen vorgenommen. Er hat sich in den großen Verlagsfirmen, obwohl fast gar nichts zu tun ist, durch Gehaltsvenninderungen geholfen (meist ein Drittel, in einem Falle soll sie allerdings leider die Hälfte betragen). In klei neren Betrieben wurde das volle Gehalt gezahlt, dagegen monat liche Kündigung vereinbart, eine Einrichtung, deren Folgen erst nach Weihnachten zutage treten werden. Bis dahin aber kann der Krieg bereits Formen angenommen haben, die den Übergang zur Friedenszeit bilden. Wir müssen dann gerüstet sein, mit guten Kräften die gelockerten Beziehungen wieder anzuknllpfen und uns neue zu schaffen. Und wer dann vielleicht nicht hat mitkänrpfen dürfen, aber zuhause den Boden fleißig ge pflegt hat, auf dem unsere Kämpfer festen Stand für ihre bürger liche Tätigkeit finden können, der braucht sich dann nicht zu schä men, er hat auch ein redlich Stück Arbeit fürs Vaterland geleistet. G. Recknagel. *> Soeben erfahre ich, daß auch hier die Suppe nicht so heiß ge gessen wird, wie sie gekocht ist. Die erwähnte Firma erklärt sich, wohl auf die Vorstellung der betroffenen Sortimenter hin, bereit, von Fall zu Fall zu entscheiden, d. h. also wohl, es bei der bisherigen Verrech nung zu belassen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder