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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.08.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-08-05
- Erscheinungsdatum
- 05.08.1914
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- Deutsch
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- Saxonica
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Redaktioneller Teil. 179, 5. August 1914. Daher ist es begreiflich, daß im allgemeinen die Honorie rung von Buchkritiken recht maßvoll gehandhabt wird. Man kann es keinem Zeitungsvcrleger übclnehmen, wenn er davor zurllckschreckt, für eine unrentable Beilage noch weitere Geldopfer zu bringen. Es erscheint in diesem Zusammenhänge nicht unangebracht, auch auf die wirtschaftliche Stellung des Rezen senten zu sprechen zn kommen. Daß es in ganz Deutschland auch nur einen Schriftsteller gibt, der ausschließlich oder hauptamtlich mit der Abfassung von Btichcrbesprcchungen für Tageszeitungen beschäftigt ist, halte ich für vollkommen ausgeschlossen; ich glaube, daß es auch rein materiell kaum möglich ist, ein schriftstellerisches Dasein mit Buch besprechungen zu fristen, ganz im Gegensatz zu Frankreich und England beispielsweise, wo gerade namhafte Schriftsteller stän dig zur Besprechung der Neuerscheinungen des Büchermarkts her angezogen werden. Es gibt in Deutschland auch keine einzige Zeitung, die einen oder mehrere festangestellteBllcherrezensentcn hätte, während in Frankreich und England je über hundert Schriftsteller - darunter die besten Namen — ihr Haupteinkommen aus einer solchen Anstellung beziehen. Die verhältnismäßig wenigen Zeitungen in Deutschland und den übrigen deutschsprachigen Ländern, die eine literarische Bei lage herausgeben, honorieren ihre Bnchkritiken entweder über haupt nicht oder doch nur sehr geringfügig. Betrachten wir zuerst jene Zeitungen, die Buchkritiken nicht honorieren. Gewöhnlich ist ihre literarische Beilage auf fol gende Weise entstanden: In gewissen Periodischen Zeitabständen brachte der Redakteur des Feuilletons am Ende des Textteils, gleichsam als Überleitung zum Anzeigenteil, eine Aufzählung der Titel unter der Rubrik »Neu eingegangene Bücher«; nimmt diese Rubrik größeren Umfang an, so wird sie Wohl auch »Lite rarisches« genannt; zu den Neuigkeiten des Büchermarkts treten dann noch die Ankündigungen und Inhaltsangaben der neue sten Zeitschriften; hin und wieder wird dann auch einmal ein sogenannter »Waschzettel« abgcdruckt; fast jedem vom Ver lag überreichten Rezensionsexemplar liegt ein solcher »Wasch zettel« bei, beginnend mit den Worten: »Sehr geehrte Redaktion! Falls Sie nicht eine eigene Besprechung des anliegend überreich ten Werkes . . . vorziehen, bitte ich um Abdruck nachstehender Zeilen . . .« Die »nachstehenden Zeilen« enthalten natürlich eine so unverblümte Anpreisung des Buches, daß der Leser schon sehr, sehr unbefangen sein muß, um nicht zu merken, woher der Wind bläst. In den weitaus meisten Fällen wird der Leser den Wasch zettel für die bezahlte Reklame des Buchverlegcrs halten. Bil- dungsbcflisscne junge Leute besuchen dann vielleicht einmal den Redakteur und fragen ihn, ob er ihnen nicht gestatten möchte, hin und wieder eine Neuerscheinung zu besprechen. Teils mit, teils ohne Einverständnis des Zeitungsverlegers übergibt dann der Redakteur dem strebsamen jungen Mann eines der zahlreichen un- ausgeschnittenen Bücher, mit dem Bemerken, er könne das Buch behalten, wenn er ein paar gehaltvolle Zeilen (im Höchstmaß von fünfzig!) darüber schreibe. Hochbeglückt stapft der strebsame junge Mann heim, liest das Buch, schreibt seine dreißig oder mehr Zeilen, und freut sich des so billig erworbenen Schatzes. Im Laufe der Jahre kann er sich so eine kleine Bücherei zusammen schreiben. Das Rezensionsexemplar vertritt die Stelle des Honorars. So entstehen allmählich die lite rarischen Beilagen der Zeitungen, deren Grundsatz es ist, die ohnedies schlechte Rente der Beilage wenigstens einigermaßen durch - Nichtbewilligung eines Honoraretats — auszugleichen. Neben den Bibliophilen, die sich auf diese Weise billig und be quem eine Bibliothek »schreiben, werden die Spalten solcher literarischen Beilagen allenfalls noch von jungen Studenten und andern ehrgeizigen Jünglingen frequentiert, die mittels der Gra- tisbeiträge einen Weg zum Journalismus suchen. Es ist klar, daß diejenigen — in Deutschland nicht sehr zahl reichen — Blätter, die ihre Besprechungen honorieren, in der unglaublichsten Weise überlaufen werden, freilich zumeist auch nur von ehrgeizigen Jünglingen, die auf diesem Wege mit der 1226 Literatur in Berührung kommen wollen. An Rezensenten von wirklich reifem Verständnis besteht ein Mangel, der nur dadurch erklärlich wird, daß ja auch hier das Honorar recht mäßig ist. Der lediglich des Erwerbs wegen tätige Schriftsteller geht eben von folgender Erwägung aus: Wenn ich einen Roman lese, ver säume ich damit etwa 3 bis 5 Stunden; die Besprechung darf höchstens — abgesehen von ganz seltenen Fällen — fünfzig Druck zeilen umfassen; im besten Falle bekomme ich als Honorar 5 ./k. Und dafür das Buch mit Aufmerksamkeit lesen, dafür dann noch geistreich sein, Wohlüberdachtes niederschreiben? Ist es nicht weit aussichtsreicher, in der Zeit eine kleine Plauderei zu schreiben, die, wenn sie angenommen wird, immerhin schon ihre 15 bis 30 ,/k bringt und auch im Zweit- und Mehrdruck noch ganz nette Honorare trägt? Oder soll ich am Ende gar ein wissen schaftliches Werk in tagelangem Studium durcharbeiten, daneben Stichproben auf seine Zuverlässigkeit machen, mir eine eigene Meinung über all die Probleme bilden, dann hundert tiefgrün dige Zeilen schreiben und für das Referat 10 ./k bekommen? Also, um es kurz zu sagen: die wirtschaftliche Lage des Buch- rczensenten ist bejammernswert; im allgemeinen Pflegt eine Zei tung, die sonst 20 bis 25 ^ sür die Zeile unterm Strich zahlt, in der literarischen Beilage kaum mehr als 10 bis 15 «1 anzulegen. Schriftsteller von Ruf vermag ein solches Honorarangebot kaum zu locken, und diejenigen wirklich namhaften Schriftsteller, die trotzdem noch das zeit- und mllheraubende Geschäft der Buchre zension besorgen, sind längst so schlau geworden, dasselbe Buch gleichzeitig für mehrere Blätter, womöglich noch für eine Zeit schrift zu besprechen. Aber auch dann muß man noch Idealist sein und vor allem Bücherfreund, um Gefallen an einer so wenig lohnenden Tätigkeit zu finden. Der Verkehr zwischen Redaktion und Rezensent ist übrigens recht ungeregelt. Kaum in einem von zwölf Fällen wird der Re dakteur aus eigener Initiative den Rezensenten zur Besprechung eines Buches auffordern. Er redigiert ja die Beilage nur im Nebenamte, scheut begreiflicherweise jede Mühe, als da wäre Versendung von Neueingängen an die Mitarbeiter, Brief wechsel mit den Besprechern usw., und wartet darauf, daß ihm die Anregung vom Kritiker zugeht, sei es nun, daß dieser unmit telbar zu ihm kommt und unter den Neueingängen eine kleine Razzia veranstaltet, oder daß er brieflich bittet, ihn für die und die Besprechung vorzumerken, oder daß er gleich die Besprechung cinschickt. Zur letztgenannten Methode, dem freiwilligen Ein senden einer nicht eingeforderten Besprechung, entschließen sich freilich nur ständige Mitarbeiter; denn in Anbetracht der ge ringe» Nachfrage nach Buchkritiken, des äußerst beschränkten Absatzgebiets — gegenüber beispielsweise dem weit größeren Ab satz, auf den, wie erwähnt, eine Feuilletonskizze rechnen kann — wäre die Einsendung einer Besprechung aufs Geratewohl sür einen der Redaktton nicht näher bekannten Berufsschriftsteller eine viel zu riskante Sache. Dies ist das Fundament, Mörtel und Bausteine, woraus die Literarische Rundschau der Tageszeitung entsteht. Was kann mit solchem Material schließlich geleistet werden? Darf man sich Wundern, daß der literarisch interessierte Leser die Beilage für ungenügend, der nichtinteressiertc sie für überflüssig erachtet? Was können Wohl die paar Gelegenheitskritiker, die für Über lassung eines Rezensionsexemplars die Spalten der Beilage fül len helfen, Gehaltvolles und Nachhaltiges sagen? Merkt denn ein Mensch aus dem Publikum auf sie? Wer kennt ihren Na men? Den bllcherliebenden und (was ja nicht dasselbe ist) bü cherkaufenden Leser interessiert doch höchstens die Frage, was ein Kritiker spricht, dessen Urteil ihm etwas gilt, und zwar auch dann noch etwas gilt, wenn er nicht seiner Meinung ist. Der ge bildete Leser, der Leser, der für die literarische Beilage über haupt in Frage käme, ist heute sehr Wohl in der Lage, ober flächliches Gefasel und leichtsinniges Geschwätz von einer in die Tiefe gehenden echten kritischen Studie, ein Gefälligkeitsrezen- siönchen von einer ernsthaft anerkennenden Besprechung zu unter scheiden. (Fortsetzung folgt.)
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