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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.04.1935
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1935-04-09
- Erscheinungsdatum
- 09.04.1935
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- Deutsch
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X- 84, S. April 1S3S. Redaktioneller Teil. «örs-nblatt f. b-Ttsch-i.Buchhandel. Rudolf Koch Am 9. April kehrt zum ersten Male der Todestag von Rudolf Koch wieder. Sonderfenster »Rudolf Koch und sein Kreis«, die ver schiedene Buchhandlungen anläßlich dieses Tages gebracht haben, geben Gelegenheit, von einem wenn auch nur kleinen Teil aus dem unermeßlich reichen Schaffen Rudolf Kochs zu sprechen. Es sind zu nächst die in gemeinsamer Arbeit mit dem Drucker Rudolf Gerstung entstandenen Rudolfinischen Drucke, die in der neuen deutschen Buch kunst mit an erster Stelle stehen. Ihre Absicht rvar, Druckwerke zu schaffen, die den Stempel persönlichster Gestaltung tragen, die wahr hafter Ausdruck des Buchinhaltes sind und sich jenseits einer inter nationalen Buchkunst halten. Das Buch als kraftvolle Einheit vom Papiermacher zum Buchbinder, vom ersten bis zum letzten, kann alles ausdrücken, rvas in einem reich bewegten Menschenleben zum Aus druck drängt. Im Laufe der Jahre entstanden zwanzig Drucke. Sie zeigen deutlich, was geleistet werden kann bei wirklicher gemein samer Arbeit von Kiinstler und Verleger. Acht der größten Arbeiten sind typographisch, die anderen Drucke sind in Holz geschnitten, dar unter fünf Blockbücher. Nicht Ästhetik, sondern starkes Menschentum spricht aus diesen Blättern. Im Jahre 1923, in den Tagen tiefer Erniedrigung, wurde das Evangelium des Markus geschaffen. Grnste und wahrhaftige Menschen waren hiör an der Arbeit, damit ein edles Werk entstehe, würdig seines Inhalts. Ein solches Buch vererbt sich auf Kinder und Enkel, es hat eine Seele wie eine Pflanze und wie ein Mensch. Es dringt mit seiner Wärme und seiner Fülle in alle Kälte und Leere und glüht und strahlt, so lange es ist. Das Buch wurde gedruckt in der Maximilianschrift und handgebunden so schlicht wie möglich. Die Anfangsbuchstaben wurden hineingemalt in dem Gedanken an das, was in dem Buche steht, und da konnten sie nicht leicht und zart werden, sondern sie sind ernst und schwer geworden. Ebenfalls von Hand eingemalt sind die Kapitelüberschriften und die Alineazeichen. — Friedrich Hölderlins Hyperion wurde in der Koch-Antiqua gedruckt mit zartblauen Überschriften. — Herrlich die schlanken, kantigen Buchstaben und die harten, und doch so leidenschaftlichen Bilder des Blockbuches Elia. Immer wieder fühlt man, wie hier der Künstler schafft aus der Fülle seiner Gesichte, wie ihm die Bilder vor die Seele kommen und wie er sie darstellt. »Es gibt kein anderes Ziel und keinen anderen Weg, als daß wir jede schlichte tägliche Arbeit mit all dem tiefen Ernst und der stillen Treue machen, deren Menschen über haupt fähig sind.« Aus diesen Worten des Meisters leuchtet die reine Über den Im großen Saal der Schule der Deutschen Arbeitsfront sprach am 3. April vr. W i l h e l m S t a p e l vor der Fachschaft der An gestellten. vr. Stapel gab mit seinem Vortrag eine Typo logie des Bücherlesers. Er führte etwa folgendes aus: Wir alle haben zuweilen empfunden, wie es uns lockt, etwa an einem Winter abend, nach der Arbeit, ungestört von der Außenwelt zu lesen, oder in den Ferien und auf der Reise, im Sand und im Strandkorb. Auf solche Stunden freut man sich. Und wenn eine solche Stunde da ist, dann vergißt man die Umwelt und seine Sorgen, man lebt in einer anderen, fremden Welt. Und hierin liegt schon, was uns zum Bücher lesen treibt. Das Bücherlesen ist eine Form von Verzauberung, der Mensch, der liest, wird ein anderer als er gewöhnlich ist, er wird verzaubert. Das Buch kommt dem Drange des Menschen nach Selbst verzauberung entgegen, es drängt ihn in eine andere Welt. Die stillen Abende, die man mit einem Buch verbringt, wecken in uns neue Kräfte und Gedanken, man wird ein anderer, und dabei doch oft erst recht man selbst. Es ist schwer, von diesem Zauber des Buches los zukommen, und doch ist er lebensnotwendig, um so notwendiger, je schwerer das Alltagsleben ist. Eine andere Art von Bücherlesern sind die, die lernen wol len langesangen vom Liebesschriftsteller bis zu Kant!). Hier ist es der Drang zum Wissen, der die Menschen zum Buch treibt: »Daß ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält«. Dieser Drang im Menschen zum Wissen macht Leser, er macht auch Bücherkäufer, denn »Wissen ist Macht«. Die nächste Sorte von Bücherkäufern sind die Büchersamm - l e r. Einesteils ist es der, der wissenschaftlich arbeitet, der sich im Laufe des Lebens eine Bibliothek seines Arbeitsgebiets anschafft, andernteils ist es der Mensch, der aus einer bibliophilen Freude heraus sich Bücher kauft. Man hat oft gesagt, daß die Zeit des Buches vorbei sei, wir hätten ja jetzt Radio und Tonfilm. I)r. Stapel meint jedoch, daß Radio und Tonfilm das Buch auf die Dauer nicht ersetzen können. Beim Radio fehlt uns die Besinnlichkeit, die wir beim Bücherlesen haben: das Radio herrscht über den Hörer, während der Bücherleser und tiefe Auffassung von der Arbeit, die sein Leben adelt, leuchtet aber auch die warme Innigkeit seines Wesens, der sich keiner entziehen konnte, der mit ihm zusammentraf. In den letzten Jahren entstand aus der Gemeinschaft in der Werkstatt die D e u t s ch l a n d k a r t e. Rudolf Koch wollte eine Karte von Deutschland schaffen, »so recht ein Garten Gottes«, nicht für den Geographen bestimmt, ohne abstrakte Zeichen. Die deutsche Landschaft sollte es sein, anschaulich, Wälder, Dome, Burgen, Städte, rauchende Schlote. So entstand diese unerhört schöne Karte in Zusammenarbeit mit Fritz Kredel und Berthold Wolpe. Hölderlins Anrede an das Vaterland umzieht als Schriftband das Blatt und lange und dank baren Herzens steht man vor dieser herrlichen Arbeit. Der Insel-Verlag in Leipzig brachte vor einigen Jahren die große Ausgabe des köstlichen Blumenbuches heraus. Im vorigen Jahr erfolgte eine verkleinerte Ausgabe in der Reihe der Insel- Bücher. Die Entstehung des Blumenbuches gibt Zeugnis von dem Geist der Werkstatt. Eine der schönen Gewohnheiten Rudolf Kochs war es, an Sonntagen Blumen zu zeichnen, wie er sie fand, in seinem Garten, auf den Wiesen oder in den Wäldern. Er brachte die Zeich nungen mit in die Werkstatt und nun wurde neben dem Schreiben das Blumenzeichnen geübt. Die Blätter wurden beschriftet, Blume und Schrift galt es ineinander einzufügen. Fritz Kredel schnitt für die große Ausgabe die Blumen nach den Zeichnungen des Meistes in Holz. Nach jahrelangen Versuchen brachte er es zu einer unüberbiet baren Fertigkeit. Kochs eigenstes Lebenselement war die Schrift, er ist der größte Schristkünstlcr der letzten Jahrzehnte gewesen. Wer sich einfühlen kann in diese Welt, dem wird es ein Erleben bedeuten, die Mannig faltigkeit der Schriften zu erkennen. Eine Schriftzeile von Rudolf Koch birgt zugleich das Bild eines ganzen Menschen in sich und er selber sagt davon: »In der still zurückhaltenden, edel durchgebildeten, aufs tiefste in jeder Bewegung erfühlten Schriftform, suchen wir uns und unser Zeitgefühl auszudrücken.« Die Schrift in ihrer höchsten Vollendung stand im Mittelpunkt seines Lebens nnd Strebens. Sie war das Gefäß, in das er seine reinen und großen Gedanken, sein Tiefstes, seinen Glauben, seine Frömmigkeit, die so klar und lauter wie sein ganzes Leben war, hineingoß. Er war ein unermüdlicher Schaffer, ein ernster und froher Mensch, der in seiner Arbeit völlig aufging. Uber den Tod hinaus bleibt er uns verbunden durch sein Werk. P. Z. Bücherleser selbst Herr ist über das Buch. Für das Buch gefährlicher könnte der Tonfilm werden, denn er ist auch ein Mittel der Verzauberung. Aber dem steht entgegen, daß das Erlebnis beim Tonfilm zu rasch vor übergeht, es erreicht nicht die Tiefe des Eindrucks wie ihn etwa ein Buch Hervorrufen kann. Stapel sprach dann noch über das Verhältnis der verschiedenen Völker zum Buch. Er hob besonders hervor das Verhältnis der Fran zosen und Engländer zum Buch im Gegensatz zum Deutschen. Der Franzose kauft das broschierte Buch, den Roman, liest und gibt das Buch wieder weg, es wird nicht ausgehoben. Beim Deutschen jedoch ist der Bücherkauf eine ganz eigene und sehr zu überlegende Angelegen heit; das Buch muh gebunden sein, man will es aufheben. Das Ver hältnis des Deutschen zum Buch ist eben ein viel gründlicheres. Sogar die verschiedenen Stände innerhalb unseres Volkes haben ein verschiedenes Verhältnis zum Buch. Anders ist das Ver hältnis des bürgerlichen Standes zum Buch als das des Arbeiters. Den Arbeiter interessiert vor allem das politische Buch, die Bro schüre und die Zeitung. Der bäuerliche Stand wird in seiner Gesamt heit wohl nie zum Bücherleser und Bücherkäufer werden — Aus nahmen bestätigen auch hier nur die Regel. Biologische Gründe sind es, die letztlich den Bücherleser schaffen. Der primitive Mensch, der in sich lebt, greift nicht zum Buch, denn das Leben im Buch ist ein sekundäres Leben, dem steht entgegen, daß im Buch ein neuer Reichtum lebt, der sich dem öffnet, der zum Buche greift. vr. Stapel faßte das Gesagte noch einmal kurz zusammen in der Beleuchtung vom Buchhändler her; er sprach über den »Stamm kunden«, den »Laufkunden«, über das Verhältnis von Masse und Buch, über Buchtage, Buchausstellungen und Dichtertage. Dem Ver leger ist die Aufgabe gestellt, nicht nur Neues zu bringen, auch alte Schätze sollen wieder lebendig gemacht werden, und der Sortimenter soll dann dieses alte Gut auch pflegen. Es gilt, das Lebendige her auszufinden und das herauszugeben, was von Lebenswert ist. Diesen Lebenswerten zu helfen, das ist die Aufgabe des deutschen Buch handels. So schloß der Redner seinen Vortrag, der in seiner frischen und lebhaften Art die Zuhörer fesselte und starken Beifall fand. W. L. 293
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