wittert. Und nun geschieht das, — der Chefarzt beruft einen „Ehrenrat" ein. Grete ist sprachlos. Doktor sagt: „Mir bleibt die Spucke weg." Unser Oberarzt muß von der Arbeit weggerufen werden, er flucht, haut die Kornzange wütend hin und sagt: „Wieder mal so a bleedeS Theater!" Dann sehen wir den ganzen „Ehrenrat", also Ärzte und Offi ziere der Anstalt, mit Säbel und Überschwung zur Messe hinunter gehen. Wir sehen die Armeeschwester Hansi weinend und schimpfend das kleine rotweiße Bändchen ihrer militärischen Auszeichnung von der Zacke ihrer Montur herunter nehmen. Ich sage: „Hansi, was tust du?" „Wann i schon vor a Ehrengericht muß, nach« mag i net mit meiner Auszeichnung da hin gehn. Z tät mi schämen vor meinem Band." Da kann man gar nichts sagen, das einzige, was man noch sagen könnte, wäre ganz einfach: ,Hansi, ich habe dich lieb.' Aber man steht still und schweigt, denn auch mit diesem Wort muß man hier draußen vorsichtig werden. Das ist so schade. Die Männer, die Hansi jetzt verurteilen werden, sind, bis auf einen, alle noch nicht in der Schwarmlinie gewesen. Haben alle noch nicht so ihr Leben eingesetzt wie die Hansi. Wir stehen im Operationsraum, da kommt die schlimme Nach richt: Hansi soll die Anstalt verlassen. Niemand von uns versteht das. Denn sie hat etwas getan, das jeder, — aber wirklich, — mindestens zehnmal am Tage tut. Ich sage zum Oberarzt, der fluchend in der Türe steht: „WaS sind das bloß für Menschen, die ein solches Urteil auS- sprechen können?" Da antwortet mir Ober wörtlich so: „ES san Menschen von der Art, die alle a mal in ihrer Kindheit mit'n Abortdeckel eins auf'n Kopf bekommen Ham." „Aber Sie waren doch auch dabei?" „Der Doktor und ich, — — wir sind überstimmt worden." Wir einigen unS: die Menschen sind alle nervös, weil ihnen der 10 ganze Zustand schon zu lange dauert, sie haben einen Rappel. Und außerdem, — — wer das tiefere Ehrgefühl nicht wirklich im Leibe hat, der entdeckt cs plötzlich irgendwo an der falschen Stelle. An diesem Urteil des Ehrengerichts ist der Kobi am wenigsten schuld. Jetzt sieht er blaß und furchtbar unglücklich aus. Er hat der Hansi nur mal eins auSwischen wollen, — aber dann ist ihm das ganze Ehrentrara über den Kopf gewachsen. Die Hansi raus ekeln — ? Nicht im entferntesten hatte er daran gedacht. Er klagt sich laut und deutlich darüber aus. Und da hören wir, daß der Doktor sagt: „Kobi, — bleedes Aff, — geh zum Chef und bitt für die Hansi!" Kobi lacht, rast los, stolpert über Steine, tritt OllaS Katze auf den Schwanz, wirft eine Blechkanne um, die vor dem Magazin steht, — und nun wird doch wirklich der ganze Ehrenrat noch ein mal zusammengeblasen, wieder mit Säbel und Überschwung gehen sie zur Messe hinunter. Der Oberarzt sagt wieder was von Abortdeckeln auf'n Kopp, — aber der Erfolg ist doch etwas milder: Hansi bleibt, bekommt aber acht Tage Stubenarrest, den Dienst natürlich ausgenommen, — Bedingung aber ist, sie muß sich bei Kobi entschuldigen, — und das ist schon schwer genug. Wir stehen vor den Baracken unter den Felsen. Ich mag die Sache nicht auf Hansi allein sitzen lassen. Ich sage also: „Kobi, — Sie sind ein netter Mensch und guter Kamerad, aber daß Sie auch manchmal ein ,drecketer Lausbub' sind, — das wissen wir doch alle!" — Anni macht Feueraugen und faucht ihn an: „Und an letschata Bua dazu!" Sagt niemand was von Ehre und Beleidigung? Nein, niemand sagt so waS. Aber die Olla sagt: „Kobi, — bist halt a heuriger Has, — aber liebl" „A bleedes Aff bist und sonst nix, " knurrt der Doktor. 11 Dieser Prospekt steht dem Sortiment bei Bestellung des Buches in angemessener Anzahl zur Verfügung Börsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel. 102. Jahrgang. 128