„Mach irgendwas, nacha vergehts. Gib Morphium raus und schau nach den Leichten!" Geht alles schnell, Kopfschuß liegt da, ist bewußtlos. Hängt da so etwas wie ein roter Lappen herum. Ich reiche zwei Klammern und dann die sterile Schwere, Ober schneidet das Ding schnell ab und wirst eS in den Abfalleimer, — es war das rechte Ohr. „Hier ist noch was", sagt der Chefarzt, der manchmal dem Ober hilft. Am Hinterkopf sind die Haare verklebt. Geronnenes Blut wird entfernt, Haare geschnitten und eine Tonsur rasiert, — da sehen wir, es steckt ein Granatsplitter im Kopf. Ich reiche dem Ober die Kornzange hin, da zieht er vorsichtig das Ding heraus, ich geb ihm die Sonde, er untersucht und sondiert, es ist alles in Ordnung, das Ding hat nur im Knochen gesessen. So, — gut. „Der kommt durch," sagt der Ober. Kobi steht in der Tür und meldet: „Herr Chefarzt, der Bauchschuß ist gestorben." Chefarzt nickt mit dem Kopf, denkt schon nicht mehr an den Bauchschuß, ich auch nicht, der Kopfschuß liegt schon drüben im Bett in der Zweier baracke, auf dem Tisch liegt ein Mensch, dem vorhin der Arm ab gebunden werden mußte, damit das Blut aufhörte zu laufen, jetzt seh ich das: am Unterarm hängt keine Hand, da ist nur «ine zerfetzte, zu Brei gequetschte Masse. Eine Sehne hängt lose herum. Zwei Brustschüsse und einer, dem die Wade weggerissen wurde und dem die Knochen spitz aus der Wunde stehn, — das sind heut nur die schwersten Fälle, die andern sind leicht, viel Quetschungen darunter, es har wieder Lawinen im Lepinjeial gegeben. Während die Letzten verbunden werden, wäscht sich der Ober die Hände, steckt eine Zigarette in den Mund, dreht sich in der Tür nochmal um und sagt: „Das war heut die erste Scheiße aufm Tisch. Blaß werden, Augen zumachen, Jod hinschmcißen gibts nich! Also gewöhnts euch schon an den Saustall, es wird noch mehr davon geben, sonst wards ihr alle brav, — Servus." Es ist 4 Uhr nachts, als wir mit dem Reinigen der Instrumente fertig sind. Wir merken es jetzt erst, daß die großen Kaliber vom Krn her so viel zu hören sind. Unruhige Nacht. Der Ober wird recht haben, morgen Abend werden wir wahrscheinlich viel mehr Verwundete haben. Das kommt dann auch wie eine Flut. Nachts werden die Schweren operiert und am Tage die Leichten dran genommen, geschlafen wird, wenn gerade Zeit dazu ist, und immerfort. Tag und Nacht, brummen und donnern die großen Kaliber, manchmal gibt cs ein „Wumm" hinter uns, auf dem Lawinenfeld. Sprengstücke inter essieren uns nicht mehr. Dann ebbt es ab, wird stiller, ganz still. Eine große Unruhe liegt in der Luft. Es ist jetzt Frühjahr 4416, und scheinbar bereiten sich größere Angriffe von unserer Seite aus vor. Nach Hause darf man kein Sterbenswort davon schreiben, aber immerfort ist hier die Rede davon, daß Truppcnwechsel statt findet, daß auSgeruhte Mannschaften nach Südtirol kommen, und die Männer am Trainplatz reden nur davon, wann und wie und wo die großen Kaliber stehen. Anni übrigens auch. Ihr sind die großen Kaliber ans Herz gewachsen. Ich versteh davon nichts. Ich merke nur, daß die halbe Anstalt nervös und krabblig ist, daß man seine Sachen nicht mehr findet, daß die Anstalt plötzlich Befehl bekommt, marschbereit zu sein, und eifrig ihre Sachen ver packt, daß plötzlich der Befehl kommt, wieder auszupacken und weiteres abzuwarten, und daß die Atmosphäre schon wieder ge laden ist für einen großen Krach. Und da kommt er auch schon: Hans: ist tüchtige Herrin in der Zweierbaracke, von jedermann anerkannt. Kobi aber hat ihr was dreinreden wollen. Da hat die Hansi ihn einen „dreckaten Lausbub" genannt. Das ist hier gar- nichts Besonderes. Solche Worte fallen hier stündlich wie reife Apfel vom Baum. Aber auf einmal ist es dem Kobi zu viel ge worden, er hat sich darauf besonnen, daß er ein k. u. k. Einjähriger ist, er ist zum Chefarzt gelaufen, ausgerechnet zum Chefarzt, der immer etwas unsicher ist und darum überall passive Resistenz" Dieser Prospekt steht dem Sortiment bei Bestellung des Buches in angemessener Anzahl zur Verfügung lH