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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.10.1928
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- 1928-10-19
- Erscheinungsdatum
- 19.10.1928
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VMÄME-mVeMIimVMmM Nr. 245 (N. 128). Leipzig, Freitag den 19. Oktober 1928. 95. Jahrgang. RedaktiouMerTA Deutsche Bücher in fremdem Gewände. V. Rußland. Bon vr. Augustv. Löwis of Menar. <1 s. Bbl. Nr. 137, II-III s. Bbl. Nr. 165, IV s. Bbl. Nr. 192.) Die erste Kenntnis von westeuropäischer Literatur wurde Großrußland im 16. Jahrhundert auf dem Wege über Kijew und seine Akademie aus Polen vermittelt, und aus dem Pol nischen und dem Lateinischen übersetzte man religiöse und unter haltende Werke, die oft genug von verbotenen Dingen handelten und daher von der strenggläubigen russischen Kirche unerbitt lich verfolgt wurden. Auf diesem Wege wurden u. a. die all- beliebten »Volksbücher« bekannt, die alten klassischen Romane, die italienischen Novellen und Schwänke, die Fabeln und Wun dergeschichten des späteren Mittelalters. Man übersetzte und las auch historische Literatur, Reisebeschreibungen und poli tische Schriften, Kalender und die alten Kräuterbücher. Doch erst viel später, in der Zeit Peters des Großen begannen die Übertragungen aus dem Deutschen, unter denen Schöne Lite ratur fast gar nicht vertreten ist, dagegen Werke aus der Ge schichte, Geographie, Rechtswissenschaft, Technik, dem Militär- und Seewesen sehr zahlreich sind, denn Peter hatte bei Leibniz und Christian Wolfs Rat und Hilfe gesucht und war von glühen dem Eifer beseelt, in seinem Reich den Wissenschaften eine Stätte zu bereiten. Dabei sah er mit absolutistischer Strenge darauf, das; nur Notwendiges, und auch das, wenn erforderlich, nur unter Weglassung überflüssigen Ballastes gedruckt wurde. So besorgte er im Jahre 1724 selbst die Redaktion der Übersetzung eines landwirtschaftlichen Buches und begründete seine Kürzung mit der uns Heutigen leider noch immer zeitgemäß erscheinenden Anweisung: »Weil Deutsche mit vielen unnützen Erzählungen ihre Bücher auszufüllen pflegen, nur darum, damit diese groß scheinen, soll dies alles nicht übersetzt werden, außer der Sache selbst und einer kurzen Vorbemerkung, die nicht müßiger Schön heit, sondern der Belehrung des Lesers dienen soll — darum korrigierte ich den Abschnitt vom Ackerbau, das überflüssige aus streichend, und nach diesem Beispiel soll das ganze Buch über setzt werden, ohne die überflüssigen Auseinandersetzungen, die nur die Zeit totschlagen und dem Leser jede Lust benehmen« *). Auch Rußlands größter Gelehrter des 18. Jahrhunderts, der Polyhistor Lomonossoff (1711—1765) fußte in seinen sprachwissenschaftlichen Arbeiten — er schrieb die erste russische Grammatik — auf deutschem Vorbild, und in seiner umfang reichen Odendichtung spürt man namentlich den Einfluß von I. CH. Günther. Doch um die Mitte des Jahrhunderts gewann Frankreich an Boden, denn vom Theater ausgehend, wo Su- m a r o k o f f (1718—1777) die Tragödien Corneilles, Racines und Voltaires einbürgerte, erstarkte der französische Einfluß auf die russische Literatur. Mit ihm beherrschten französische Dich tungen, philosophische, pädagogische und historische Werke den Übersetzungsmarkt, zumal auch die »Nordische Semiramis«, Katharina II., getreu der Mode ihrer Zeit eine geistreiche Korrespondenz mit Voltaire, Grimm und Diderot führte und *) Alexander Brückner, Geschichte der russischen Literatur S. 64 (Leipzig 1909). bestrebt war, die französische Bildung zu der allein maßgeblichen in Rußland zu machen. Die von ihr begründete und geförderte Vorherrschaft des Französischen auf literarisch-wissenschaftlichem Gebiet dauerte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, und erst die vom Historiker K a r a m s i n (1766—1826) im Jahre 1785 verfaßte Übersetzung von Emilia Galotti brach den Bann und ward ein Markstein für den nunmehr wachsenden deutschen Ein fluß. Man begann Haller, Geßner, Geliert, Lenz, Lessing und Kleist zu lesen, Klopstocks Oden und sein Messias und die Ge dichte von Kosegarten, Hagedorn und Haller wurden zu Vor bildern für Dershawin und andere Dichter; Gellerts Fabeln erlebten durch Chemnitzer ihre Erneuerung und noch zu Lebzeiten Katharinas waren nach Arthur Luthers An gabe*) bereits 107 deutsche Romane — neben 350 französi schen — ins Russische übersetzt, unter ihnen natürlich auch der Werthec. In Shukowski (1783—1852) erhält Rußland sodann den großen, stets original wirkenden Begründer einer Weltlitera tur in russischer Sprache und empfängt aus seiner Hand die Übersetzungen und Umdichtungen von Werken Goethes und Schillers, Rückerts, Uhlands und Chamissos, Bürgers und Hebels. Shukowski überträgt ferner nach Herder den Cid und nach Voß die Odyssee, und man darf ohne Übertreibung sagen, daß fast alle diese Übersetzungen den Stempel ungewöhnlicher Meisterschaft tragen. — Auch Turgenjeff (1818—1883), der Freund so vieler deutscher Schriftsteller, trat warm für das Be kanntwerden deutscher Dichtung in Rußland ein und veranlaßte z. B. die Übersetzung von Hebbels »Maria Magdalena». Schließ lich entstehen unter Gerbels (1827—1883) Leitung die Ge samtausgaben von Goethes und Schillers Werken und umfäng liche Anthologien deutscher Dichtung, die in ihren Neuauflagen bis in die letzte Vorkriegszeit hineinführen. Seither ist die Verbindung zwischen deutscher und russischer Literatur lebendig geblieben, und auf die Zeit des einseitigen Empfangens von russischer Seite folgte auch die Periode des Gebens und des wechselseitigen Austausches auf dem Über setzungsmarkt, die wir alle kennen. Daß es dabei hüben wie drüben noch viele der alten Lücken auszufüllen gibt, wird nie mand leugnen wollen, der die beiden Literaturen kennt, und daher muß man es besonders bedauern, daß die marxistische Weltanschauung ohne Rücksicht auf das künstlerische Moment das Erscheinen solcher Übersetzungen ins Russische gegenwärtig er schwert, wenn nicht verhindert, die den Grundsätzen des Bolsche wismus widerstreiten. So wird man auch in dem folgenden umfangreichen Verzeichnis der großrussischen **) Übertragungen aus dem Deutschen viele Werke nur deswegen vermissen, weil sie dem kommunistischen Weltbild und dem Erziehungsideal des Sowjetstaates nicht entsprechen. Der ungewöhnlich große Umfang der übersetzungslitcratur in Rußland erklärt sich bekanntlich daraus, daß die russischen Verlage auch nach dem neuesten, am 16. Mai 1928 in Kraft getretenen Urheberrechtsgesetz in keiner Weise daran behindert sind, im Ausland erschienene Werke nicht-sowjetrussischer Staats angehöriger in Übersetzung unautorisiert herauszubringen. Nur *> Geschichte der russischen Literatur S. 120 (Leipzig 1924). **) Die ukrainischen sollen »och folgen. 1145
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