^go X- 234, 6. Oktober 1928. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatts, d. Dtschn.Buchhandel. Stefan Zweig über Grigol Robakidse /^2ine neue Nation tritt, ich glaube zum erstenmal, aufdenPlanmit diesem Roman von Grigol Robakidse — die Georgier. Uralte Nation, der Alexan der auf seinen Zügen schon begegnete, in der Völker sich fruchtbar mengen; russischen, türkischen, persischen Einflüssen unausgesetzt unterworfen, in eine der herrlichsten Land schaften unserer Erdkugel eingepflanzt, berühmt durch Lieder und Legenden und doch beschämend unbekannt uns Europäern. Was sie reich ist an mythischen Kräften, erfüllt von heroischem Geist und gleichzeitig dem Zeitgenössischen zugesellt, dies habe ich eigentlich erst aus dem Buche dieses Dichters erfahren, der uns und seiner Hei mat damit gleich wichtigen Dienst erwies. Denn nun tritt, dank seiner Gestaltung, eine ganz neue und ungemein verlockende Zone in den Seelenkreis unserer Neugier; immer ist ja ein Land, ein Volk der Welt erst wahrhaft vorhanden, sobald es sich zu erzählen und gestalten weiß. Etwas vom Chaotischen des Anfangs braust in diesem Buche wie in jedem, darin eine Literatur sich neu offenbart. Aus uralten Balladen, aus verschollenen Legenden sind feurige Streifen in den Teppich des Geschehens ornamental eingewebt; an den Über schwang der persischen Heldenlieder, an die ausschweifende Romantik der Orientalen wird man manchmal gemahnt. Dann blitzt wieder grelles Zeitlicht heran; man sieht die Automobile der Sowjets über die Alexanderstraße sausen, Gedichte Baudelaires werden zitiert — Altwelt und Neuwelt, magische und reale Sphäre mengen sich in einer ganz ungewohnten, uns neuen Durchdringung, die nur das Dichterische, das oft außer ordentlich Dichterische dieser epischen Kunst zu rechtfertigen vermag. Aber welche Feurigkeit strömt von diesen Schilderungen: manche Seiten möchte man ausschneiden und strophisch absetzen, als Gedichte, die sie eigentlich sind, manche Kapitel vorgelesen haben von einem Märchenerzähler, wie sie (selten nur mehr!) in den Basaren des allzu zivilisierten Orients noch manchmal nächtens auftauchen. Jedes Blatt hat brennende, balladische Momente einer ganz fremdartigen Schönheit, und obwohl das Gefühl nicht deutlich zu unterscheiden vermag, wem es eigentlich diesen exotischen, wie Rosenöl und Haschisch betäubenden Duft zu danken hat, dem Dichter Robakidse oder Georgien selbst, so gibt es sich gern dem Neuartigen gefangen. Mir ist das Bild unserer Welt erweitert, der Horizont dem Exotischen zu auf beglückende Weise belichtet; Taschkent und Tiflis, Welt der Karawanen und Basare locken nun in morgenländischem, morgenrötlichem Licht versucherischer die Phantasie, seit ich dieses ungewöhnliche, keiner Kategorie einzuordnende Buch gelesen, das sieghaft das schöpferische Fortleben des Mythos, inmitten unserer materialisierten, immer wissenderen und wissenschaftlicheren Welt bezeugt. Grigol Robakidse, Das Schlangenhemd Ein Roman des georgischen Volkes geh. 4.-, in Leinen 6.8O Eugen DiederichS Verlag in Jena