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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.07.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1934-07-19
- Erscheinungsdatum
- 19.07.1934
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- Deutsch
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ISS, 18. Juli 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. sator einer großen Gefängnisbücherei in der Lage, eines der groß zügigsten Experimente durchzuführen, die im Leihbüchereiwesen ge wagt worden sein mögen. Ich unternahm es, bei schwierigstem Leser publikum, die übliche verrottete und minderwertige Gesängnis- bibliothek nach strengsten Leipziger Grundsätzen zu reinigen und neu aufzubauen und meine Leser zur im besten Wortsinne ernstzu nehmenden Literatur hin zu erziehen, mit dem Erfolge — ich konnte über eine Reihe von Jahren hinweg beobachten —, daß nicht einmal durchschnittliche Schriftsteller auch nur gefragt wurden. Wir sind reich an »guter« Literatur, die auch den einfachsten Leser zu be friedigen vermag. Dem verdorbenen Geschmack sollten Konzessionen nicht gemacht werden. Niemand weiß den Wert der sogenannten »schönen« Literatur besser zu würdigen als ich, der ich Autodidakt bin. Sie bedeutet immer den »ersten Schritt« des Strebsamen in die »Welt«, sie ist fundamentgebend und die erste Vermittlerin eines wirklichen Welt bildes, sie allein gibt eine vollkommene »Wissenschaft «vom Menschen«. Aber gerade darum sollte um nichts inniger gesorgt werden als um sie und ihre Beziehungen zum Volke. Die öffentlichen Büchereien könnten sehr wohl die Arbeitsweise der privaten übernehmen, auch sie könnten Stadt und Land mit einem Netz kleiner, ständig ge öffneter und vor allem lebhaft werbender Ausleihstellen überziehen, auch ihnen wäre alle Beweglichkeit und ein wenig Wagnis erlaubt und nützlich. Geschähe in dieser Hinsicht das Wünschenswerte, dann höbe sich die Notwendigkeit der privaten Leihbüchereien von selbst auf. Fritz Döhmel, Leipzig. Leihbücherei als Schrittmacher! Jeder Erwerb von Wissen ist eine Erweiterung des Ich. Diesen Ansspruch Bertrand Nussells — Maurice Maeterlinck nennt den englischen Philosophen einen der reichsten und schärfsten Geister unserer Zeit — darf ich der Frage voransetzen: Was führt mich in die Leihbibliothek? Es bliebe erläuternd zu ergänzen, daß ein Er werbsloser (wie ich) die Bücher, die er gern besitzen möchte, aber nicht erwerben kann, leihen muß. Deshalb geht er in die Leih- biilberei, und damit wäre schon die Fragestellung in nues beantwortet. Daß sich auch die im Beruf Stehenden gern der Leihbücherei bedienen, wenn ihnen ihre Mittel nicht erlauben, die Bücher zu erwerben, geht schließlich auf denselben Grund zurück: denn ich kann mir den Bücherfreund nicht vorstellen, der nicht lieber ein gutes Buch besitzen als leihen möchte. Dabei gehe ich von dem Standpunkt aus, daß es sich um Bücher handelt, die man nicht nur e i n mal sondern wieder holt gern zur Hand nimmt, um immer wieder neue Wahrheiten und Schönheiten herauszulesen. Die Leihbücherei entspricht somit vor allem den in der Wirtschaftslage begründeten Bedürfnissen der Zeit. Derjenige, sei es nun Männlein oder Weiblein, der einzig und allein im Schwarten von Romanen Befriedigung findet und nie daran denken würde, auch einen guten Roman (der vielleicht philosophische Probleme aufwirft) je wieder zu öffnen, gehört aller dings einer Leser-Klasse an, die zu den besten Kunden der Leih büchereien zählen mag, welche von mir hier aber nicht weiter in Betracht gezogen werden soll, weil sie darüber viel besser selbst ihr Teil zu sagen haben wird. Mich befriedigt jedes Buch, auf das der Satz paßt: Wer ein gutes Buch zu Ende gelesen hat, ist nicht mehr der alte, ist reicher, besser. Ich mache auch die Mode mit, insofern ich Biographien großer Menschen — sei es als Vorbild, seltener als Warnung — sehr schätze und aus ihnen lerne, denn, mit van Loon zu sprechen: Warum soll man Märchen lesen, wenn die geschichtliche Wahrheit so viel interessanter und unterhaltsamer ist? Und mit dieser letzten Eigenschaft des Buches ist auch das Stich wort gegeben, daß ein inhaltlich hochwertiges Buch, das Bildung vermittelt, durchaus unterhaltend sein kann. Ich denke z. B. an die beiden prächtigen Bände von Frau Förster-Nietzsche: Der junge Nietzsche und Der einsame Nietzsche. Nur ist diesbezüglich der Ge schmack eben sehr verschieden. Und wenn Schopenhauer (in Einleitung zur Philosophie, Abhandlungen) Don Quixote, Tristram Shandy, die neue Heloise und Wilhelm Meister die vier unsterblichen Romane nennt, so werden die wenigsten Nomanlefer gerade diese Auswahl als ihren Ansprüchen gerecht werdend gelten lassen wollen. Auch Schopenhauer rechnet sie keineswegs zu den interessantesten, hebt vielmehr Walter Scott's l'ks l'ales ok mx I^anälorä als das inter essanteste Dichterwerk, das er kenne, hervor. Ein Buch muß aber auch gut geschrieben sein. Musterbeispiele sind die bekanntlich von Mommsen als die vier größten deutschen Prosaisten bezeichnten Geistes-Heroen: Goethe, Lessing, Schopenhauer und Bismarck. Bedarf es noch der Erwähnung, daß ich in der Leihbücherei Bücher suche, die Wissen vermitteln? Also wissenschaftliche, philo sophische Schriften, die ohne akademische Vorbildung gelesen und stu- 648 diert werden können, die nicht neu zu sein brauchen, sofern die neuen nicht besser sind als die allen und die ich unter veränderten wirt schaftlichen Verhältnissen selbst auch später noch meiner eigenen Bücherei einreihen würde. Denn oftmals können tiefschürfende In halte bei der ersten Lektüre gar nicht voll übersehen und gewürdigt werden, geschweige denn zu einem lebenden Besitz gestaltet werden. Sagt doch Jakob Burckhardt in den Weltgeschichtlichen Betrachtungen: Es kann sein, daß in Thukydides z. B. eine Tatsache ersten Ranges liegt, die erst in hundert Jahren jemand bemerken wird. Aber er sagt auch: Man muß zu suchen und zu finden wissen und diso^na saper leZZsrs (De Loni): zu lesen verstehen, und zwar im Sinne Georg Simmels: Verstehen heißt, dasjenige, was ein anderer ausgesprochen hat, aus sich selbst entwickeln. Also kein gedankenloses Nachplappern von Schlagwörtern und Redensarten, sondern prüfen und selbst denken, denn Philosophie will überzeugen, und was wäre das Leben ohne Philosophie? Wenn nun heute die Leihbücherei daraufhin angesprochen wird, dem Buchhandel Abbruch zu tun, so glaube ich dargelegt zu haben, daß sie andererseits demselben auch wieder den Weg ebnet, zum Erwerb guter Bücher in besseren Zeiten anregt und so während der wirtschaftlichen Depression Vorarbeit leistet, die berufen ist, zur Erntezeit Früchte zu tragen, und zwar bei allen Volksschichten, ein schließlich Arbeiter- und Kaufmannsstand, dem der Schreiber ange hört. Wie ein Industriezweig bei abfallender Tendenz zwangs läufig andere lahmlegt, so wird wechselwirkend auch bei eintretender Konjunkturwende der Buchhandel aufleben, und die Leihbücherei mag als Schrittmacher das ihrige dazu beitragen, denn ein gutes Buch ist stets ein treuer Freund und ein stolzer Besitz. Richard S ü h n e l. Das Buch zur Fortbildung. Da ich gern Bücher lese, aber nicht kaufen kann, handelt cs sich für mich darum: wie beschaffe ich mir dieselben am zuverlässigsten, bequemsten und billigsten. Das Leihen der Bücher bei Verwandten und Bekannten kommt nicht in Frage, denn es verpflichtet zu Gegen diensten, wobei nur Arger und Verdruß entsteht. Also versuchte ichs in städtischen Bücherhallen mit dem Ergebnis, für mich nicht passend betreffs Zeit und Weg. Mein Gang zur Arbeit führt mich jetzt täglich an einer Leihbücherei vorbei: was liegt da näher, als einen Sprung hineinzugehen und ein Buch zu leihen. Das Studieren des Kataloges oder Verzeichnisses erübrigt sich, da die Bücher gut sor tiert und bezeichnet in den Regalen stehen. Der Titel oder flüchtiges Hineinsehen und Lesen der Erklärungen am Rande der äußeren Um- fchlagseite genügt, um festzustellen, ob das Buch zusagt oder nicht. Durch meine Erfahrungen möchte ich nun feststellen, daß die moderne Leihbücherei vollauf genügt, um die Bedürfnisse für leichte, gute und erbauende Lektüre zu befriedigen, sofern man nicht in der Lage ist, Bücher zu kaufen. Die Bücher für meine weitere Aus bildung und Beruf muß ich allerdings kaufen, da hier ein öfteres Wiederholen und Nachschlagen notwendig ist. Walter Schlosser, Elektromonteur, Leipzig. Persönliche Fühlungnahme. Lesen — als Mittel zur Unterhaltung, Anregung, und vor allen Dingen Belehrung, ist ein tiefempfundenes Bedürfnis breitester Schichten unseres Volkes. Die in allen Stadtteilen befindlichen Leihbüchereien kommen nach meinen jahrelangen Erfahrungen diesem Bedürfnis nach, wenn sie, fachmännisch geleitet, dem Leser mit Rat und Hinweis zur Seite stehen. Der erzieherische Einfluß, den ein mit Takt- und Verant wortungsgefühl in seinem Beruf stehender Verleiher ausüben kann, ist meines Erachtens nicht zu unterschätzen. Aber gerade diese persönliche Fühlungnahme zwischen Verleiher und Kunden ist ja beim Umtausch der Bücher eine angenehme Begleit erscheinung, die, verbunden mit Kritik des Gebotenen. Verständnis für eigene Geschmacksrichtung und nicht zuletzt Entwicklung eines gewissen freundschaftlichen Verhältnisses stets freudig empfunden wird. Für euren gewissen Hochstand dieses Geschäftszweiges zeugt es, daß derart vorbildlich geführte Leihbüchereien in allen Teilen der Stabt anzutreffen sind. Walter Grohmann, Berlin. Schulung und Vorstufe. Wenn man Ursprung und Entwicklung des heutigen Leihbücherei wesens in Deutschland näher betrachtet, so mag man sich vielleicht wundern, daß in einem Land, in dem der Wunsch nach dem Besitz des Buches so ausgesprochen ist, die Ausbreitung von Leihbiblio theken in dem Maße möglich sein konnte, wie wir es in den letzten Jahren erlebten. Und hiermit kommen wir auch gleich zum Kern-
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