Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.07.1934
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- 1934-07-19
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- 19.07.1934
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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X? 166, 19. Juli 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b. Dtschn Buchhandel. Greift also unser eng begrenztes Gebiet mit gleicher Kraft und gleich entscheidender Wirkung in das komplizierte Räderwerk der nationalen künstlerischen Kultur mit ein, so ist ein zweiter, nicht minder wichtiger Punkt hervorzuheben, worin die große Bedeutung der Buchillustration besteht. In einem 19S0 im Insel-Verlag, Leipzig, erschienenen Werk über »Das illustrierte Buch des 19. Jahrhunderts in England, Frankreich und Deutschland« habe ich den Versuch ge macht, die Verbindung der einzelnen europäischen Nationen auf dieser künstlerischen Grundlage festzulegen und zu beleuchten. Es ist nicht nur für den Spezialisten und Liebhaber der Materie interessant, sich'mit diesen Zusammenhängen auseinanderzusetzen, es ist wichtig, ja wesentlich, wie dieses kleine Kunstgebiet völkerverbindend wirkte. Wir haben an den Illustrationen zu gewissen Hauptwerken der Lite ratur, zu Dantes Göttlicher Komödie, zu Goethes Faust, zu Lesages Gil Blas, zu Cervantes Don Quichote, einmal von einem Engländer, Franzosen oder Deutschen gezeichnet, interessante Einblicke in die Möglichkeiten und Charaktere nicht nur einzelner Künstler, sondern eines ganzen Volkes. Wie stellt sich z. B. ein Engländer zu Goethes Hermann und Dorothea ein, wie ein Franzose zum deutschen Faust, warum hat der Deutsche nicht die gleiche Einstellung zum Don Quichote wie der Franzose? Das sind nur einige der Fragen, die auf unserm engen Gebiet heraufwachsen und deren Beantwortnug zu allgemeingültigen Formeln werden kann. Auf keinem anderen Gebiet der Kunst können wir die magnetische Anziehungskraft eines literarischen Meisterwerkes von internationaler Bedeutung auf die bildenden Künste so verfolgen wie bei der Buchillustration. Würde man sich bemühen, so könnte man hier auf breiterer Basis eine völkerverbindende Aktion in die Wege leiten, die zumindest solchen Wert besäße wie jede internationale Kunstausstellung. Doch nicht allein die geistigen Beziehungen, die hier spielen, sind es, die das illustrierte Buch zu einem international wichtigen Kultursaktor machen, es sind auch technische Fragen, die Verbindungen der einzelnen Völker untereinander Herstellen. Nur auf der Grund lage des illustrierten Buches konnte sich beispielsweise die Wieder erweckung des Holzschnitts durch den Engländer Bewick so fruchtbar gestalten, daß diese Technik sich wie drei Jahrhunderte vorher an die Spitze der graphischen Techniken schob. Wie dann diese neu gewonnene Holzschnittechnik nach Frankreich und Deutschland hiniiber- spielte und mit diesen Nationen kulturelle Fäden spann, das ist eines der lehrreichsten Kapitel über den kulturellen Austausch innerhalb europäischer Kunst. Ebenso wirkte sich Senefelders Erfindung der Lithographie auf einem Spezialgebiet der Buchkunst aus, auf dem der Zeitschriften, deren internationale Bedeutung keinen Zweifel unterliegt. Hier gehen interessante künstlerische Wechselwirkungen vor sich wie auf keinem anderen Gebiet der Kunst. Soweit Sinn und Wesen der Buchillustration gewissermaßen nach außen hin. Es gibt auch innere Gesetze für unser Stoffgebiet Sie liegen in den geistigen Beziehungen zwischen Text und Bild, sie liegen im For malen, in der Harmonie der Gestaltung oder in ästhetischen Grenzen des Buchschmucks. Es gibt Texte, die förmlich nach Illustration schreien, die ohne Bildschmuck überhaupt nicht zu denken wären, dagegen wieder andere, wo jedes Bild, jedes Ornament überflüssig scheint. Ein solcher Fall ist mit Goethes Hermann und Dorothea gegeben. Ist es notwendig, diese köstliche blumenreiche Sprache noch bildlich zu veranschaulichen? Sagt uns Goethes Wort nicht schon genug über Menschen, über Situation, schildert er uns nicht die Natur darin so bildhaft, wie sie kein Maler besser wiedergeben könnte? Und doch haben sich viele Künstler bemüht, das herrliche Epos zu illustrieren, und einige dar unter haben so Gutes geleistet, daß wir es nicht missen möchten. Hier kann es sich also nimmermehr um eine Ausdeutung des Textes, ja nicht einmal eine notwendige Veranschaulichung Goethescher Worte handeln. Es bleibt die ästhetische Freude am Schmuck, der der voll kommenen Form noch ein übriges hinzutut. Anderseits: Wäre ein Buch wie Dürers Proportionslehre ohne seine Illustrationen noch von großem Wert? Wäre Schedels Liber Chronicarum oder Sebastian Brants Narrenschiff ohne die berühmten Holzschnitte noch genießbar oder gar verständlich? Oder ein Beispiel aus neuerer Zeit: Wie würden Wilhelm Büschs Verse ohne die begleitenden Zeichnungen wirken? Hätte man sich je von Max und Moritz ein solch einpräg sames Bild machen können ohne Büschs unübertreffliche Typen, oder von feiner frommen Helene, seinem Balduin Bählamm? Könnte man sich den Struwwelpeter ohne Hoffmanns simple Illustrationen den ken? Wäre jemals die ganze Entwicklung des Kinderbuches künst lerisch so gediehen, wenn man nicht schon immer die Notwendigkeit gespürt hätte, den Kindern die Texte und Verse durch begleitende Bilder mundgerechter zu machen? Der Fall Kinderbücher ist ganz ähnlich gelagert wie die alten Wandbilder der Gotteshäuser. Jede Primitivität bedarf einer leichtfaßlichen Anschauung. Deshalb auch 650 der ungeheure Aufschwung der illustrierten Zeitschriften, die primi tive breite Masse braucht die geistige Unterstützung durch das Bild, die Illustration. Darin liegt wohl auch der Grund, daß die Mehr zahl der für einen kleineren intellektuellen Kreis geschriebenen Bü cher ohne Bildschmuck geblieben ist, märend die Bücher mit gleichsam weniger spezifischem Gewicht, die für die breite Masse geschaffen sind, obendrein zu ihrem leichteren Text vielfach bildliche Veranschau lichung haben. Nehmen wir eine besondere Qualität von modernen Romanen, wir wollen da gar keine Bilder dazu haben. Lyrik und Drama bedürfen noch weniger der Illustration, denn jene rührt zu stark an die Saiten des Gefühls, dieses aber ist zu sehr an eine theatralische Vorstellung gebunden, die sich unserem Geist bereits ein gegraben hat. Märchen dagegen, also volkstümlichste Kost, haben die Künstler immer wieder zur Ausübung ihrer Kunst gereizt, und gerade in Deutschland haben sie uns die schönsten Illustrationen zur Märchenwelt in ihrer unwirklichen Wirklichkeit geschenkt. Schwind verfluchte einmal in seinem Unmut die »Vignetten schinderei«, womit er die ganze Beschäftigung mit der Buchillustra tion meinte. Und doch hat gerade er zu verschiedenen Büchern wun dervolle Vignetten gezeichnet, die den besten seiner Bilder um nichts nachstehen. Hätte Ludwig Richter nur seine Bilder gemalt, wer kümmerte sich viel um diesen Liebling des deutschen Volkes, der er nur auf Grund seiner köstlichen Illustrationen geworden ist? Wie tief ist Adolph Menzel mit dem Geiste der friderizianischen Zeit ver wurzelt, seit er seine berühmten Holzschnitte zu Kuglers Buch ge schaffen hatte! Kann man diese Komplexe im Werke solcher Künstler einfach ausschalten und sie dann noch in ihrem eigensten Wesen be greifen? Nicht anders ist es mit den Beziehungen der breiten Masse zur wissenschaftlichen Literatur. Was hilft dem Laien z. B. der ganze gelehrte Linne, wenn er sich vor lauter System kein rechtes Bild von der gesuchten Pflanze machen kann. Ist es da für ihn nicht viel besser, er nimmt ein altes Kräuterbuch mit den klar anschaulichen Holzschnitten oder gar ein hübsch koloriertes Blumenbüchlein zur Hand. Er wird sich leichter orientieren können und zugleich größe ren Genuß haben. Hier ergibt sich ja die Notwendigkeit der Illustra tion von selbst. Nun aber gibt es noch innere Gesetze, die sich auf das Formale des Buchschmucks beziehen. Da ist es vor allem die Stellung des Bildes zur äußeren Gestaltung des Drucksatzes, die den fein empfin denden Künstler zu einer strengen Selbstdisziplin verpflichtet. Das Ebenmaß zwischen dem Satzspiegel des Textes und der Illustration muß vorherrschen. Der Künstler muß sich zu bescheiden wissen. Es kann kaum ein lehrreicheres Beispiel für dieses ästhetische Gesetz geben wie die Gegenüberstellung der früheren Illustrationen des großen Meisters Slevogt zu seinen späteren Illustrationen zum Faust II. Oder vergleichen wir diese mit den entzückenden Vignetten Emil Preetorius' zu Mahlhubers Reiseabenteuern, einem ganz köst lichen Musterbeispiel bester Jllustrationskunst. Slevogt mangelt in seinem Spätwerk die Disziplin, er greift mit seinen ornamentalen Figurenfriesen gewaltsam in den Text hinein und zerstört oft in ganz unkünstlerischer Weise den Satzspiegel und vergewaltigt damit den Text. Dem Kenner der Materie wird stets die Buchillustration mittels der Vignette mehr geben als die beigeheftcte Tafel. Allerdings hat die Vignette nicht so die Möglichkeit, in ihrem kleinen Format den Text zu veranschaulichen wie ein größeres Bild: dagegen hat sie den Vorzug, das dekorative Element auszudrücken nnd andeutungsweise noch den Geist des Textes zu unterstreichen. Auch ist sie vom ästhe tischen Standpunkt aus wichtig als Belebung und Gliederung des Satzes, sie kann durch ihre unmittelbare Nähe am Text, durch ihre stärkere Detaillierung und durch die größere Anzahl ihrer Arten mehr stimmungsunterstreichend wirken wie die große Tafel, die immerhin einen schon körperlichen Abstand zum Text einnimmt und daher weniger unmittelbar wirkt. Die deutsche Buchillustration der letzten zweihundert Jahre war ein Stiefkind der Kunstgeschichte. Im Gegensatz zu Frankreichs und Englands Buchkunst wurde sie wenig geschätzt; gar das Zeitalter des Rokoko, von dem wir erst seit einem knappen Jahrzehnt gelernt haben, daß es zum Schönsten deutscher Kunst gehört. Unser Gebiet des illustrierten Buches — nehmen wir nur die kurze Zeitspanne 1750—1850 — birgt wertvolle Schätze künstlerischen Besitzes. Wenig Mühe ist bisher zu ihrer Hebung aufgewendet morden. Die Bibliotheken lassen diese Schätze schlummern, statt sie lebendig und greifbar zu machen. Wel chen Dank könnten sie ernten, gingen sie einmal daran, ihre Kataloge in dieser Richtung des Künstlerischen zu erweitern! Den Dank der Künstler für neu gefundene Anregungsmöglichkeiten, den Dank des Volkes für eine Wiederbelebung unserer im argen liegenden Buch ausstattung und damit zugleich des Interesses am Buch überhaupt.
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