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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.07.1934
- Strukturtyp
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- 1934-07-12
- Erscheinungsdatum
- 12.07.1934
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- Deutsch
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X? >60, >2. Juli 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn.Buchhandel. seinem Werk eine andere, als wenn wir den Soldaten, den Sport kameraden, den Weltflieger, den Arbeiter und Bauern in ihrer Leistung sehen, bewundern und lieben? Nehmen wir einmal den Männern der Wissenschaft die Brille, den Stehkragen und sonstige Embleme gepflegter Bürgerlichkeit ab: Auch er — siehe da! — ist ein Arbeiter an unserer Seite, oft genug ein Sportsmann seiner Sache und manchmal in ihr und für sie auch ein Soldat aus Leben und Tod. Es wäre hofsnungslos, das Volk, wie man es für nötig hält, wieder an das Buch heranzuführen, wenn man nicht für die Männer, die dafür sorschen, arbeiten, denken, kämpsen, wenn man nicht für diese Männer, ohne sie gleich auf den Markt zu stellen, Verständnis, Achtung und Liebe wirbt und findet. Auch für diesen Weg hat der neue Staat aus einem neuen Volksbewußtsein und aus einer neuen Weltanschauung vor allem der Jugend alle Tore aufgestoßen, der Jugend, aus der einmal die Schreiber und ebenso die Leser der Bücher kommen werden. Dann wird es uns um die Stellung des Buches im Volk ebensowenig Angst sein müssen wie um die Stellung jedes Werkes und Wertes der Handarbeit. Inzwischen haben wir noch vielfach — bei Schreibern wie bei Lesern und Kritikern — dem Irrtum zu begegnen, daß Schrift tum und Buchwerk nur etwas für feine Leute, Träumer und Himmelsstürmer wären. Dieser Ansicht wird auch viel zu sehr mit jenen rein- und feingeistigen Auseinandersetzungen Vorschub geleistet, die fast nur die Dichtung als Kunst und bestenfalls auch noch die politische Literatur und literarische Theologie behandeln, umwerben oder kritisieren, wenn auch neuerdings auf volkstüm liche Bedingungen und Ziele hin, sodaß dabei auch noch jeder bessere Unterhaltungsroman berücksichtigt wird. Tatsächlich be stehen auf diesen Literaturgebieten die größten Spannungen zwischen Buch und Voll und Welt, zwischen Zeit und Ziel. Aber mit gutem Grunde ist in obigen Sätzen fast alles zu nächst auf die Lern- und Wissensliteratur gerichtet, denn das Verhältnis zwischen Buch und Volk, die Unmittelbarkeit der Büchergesamtheit zum Volk hat noch ein anderes, vielleicht wer denderes Maß und Gewicht. In einer Jahresproduktion an deutschen Büchern (1933) und ähnlich wohl im Gesamtumlaus an deutschem Schrifttum entfallen rund 38,4"/» auf die Literatur der verschiedenen Wissenschaften, rund >1,6°/» aus die Gcbrauchsliteratnr von Technik, Handel, Handwerk, Gewerbe, Land-, Forst- und Hauswirt schaft, Turnen und Sport u. ä., rund 16,6"/» auf die Schulbücher und Jugendschriften, rund 13,4°/° auf Politik, Geschichte und Geographie, nur rd. 16"/» auf die schöne Literatur, Dichtung, Romane, Dramen usw., rund 4»/° auf Kunst- und Theater-Literatur. 166°/» Fällt da nicht auf, daß die Wissenschafts- und Berufslite ratur, zuzüglich der Schulbücher und Jugendschriften und in an gemessener Berücksichtigung der in Politik, Geschichte und Geo graphie bildenden und fortbildenden Literatur, also rund 89°/» dessen ausmacht, was das gesamte Buchwesen überhaupt für die Kultur und die Arbeit eines fleißigen und strebsamen Volkes bedeutet? Zeigt sich darin nicht auch fast genau das Verhältnis von Alltag zu Feierabend und Sonntag im Leben des Volkes? Wird es vielleicht in dieser Rechnung nicht besser als durch großartige Theorien und Lobsprüche klar, was das Volk und an teilsmäßig fast jeder einzelne am deutschen Buchwesen zu ge winnen oder zu verlieren hat? — Man darf wohl sagen, daß ebenso sehr, wie die Alltagsleistung des Volkes vom Bestand des dafür dienlichen und verfügbaren Lern- und Wissensschrifttums abhängt, auch die Lebensfähigkeit dieses Schrifttums über die Existenz des Gesamtschrifttums, vielleicht auch des schönen, rein geistigen und künstlerischen Schrifttums entscheidet. Wir wollen der Rechnung keine dogmatische Richtigkeit zu schreiben, und wir wollen aus ihr auch keine Philosophie machen. Aber vielleicht enthält sie eines von den vielen Geheimnissen, die zwischen Lesen und Leben des Einzelnen, eines Volkes und der Kulturmenschheit walten. — Und die rein geistige und ideelle Literatur? Die Dichtung? Ihre Geheimnisse, sie stehen wohl über Lesen und Leben. So ist es draußen. — Und hier? Von Georg Eltzschig. Fast überall, wo außerhalb der Reichsgrenzen an einem Platze so viel Deutsche wie etwa die Einwohnerzahl einer in ländischen Kleinstadt zusammengesiedelt sind, gibt es eine Buch handlung, die deutsche Bücher, Zeitungen und Zeitschriften hat, vielleicht neben Literatur in der Sprache des betreffenden Landes und anderen Sprachen, aber jedenfalls auch deutsche. Was in Deutschland fast nie vorkommt, nämlich daß sich irgendein Kreis von Deutschen, z. B. ein Verein, eine Bücherei zulegt, die allen Mitgliedern, gleichgültig welchen Beruses und welchen Bildungs grades, benutzbar ist, das ist draußen eine Regel, um so mehr, je weiter die Entsernung von der Heimat und je schwerer die Selbstbehauptung gegenüber fremdvölkischen Einflüssen und An fechtungen ist. Und selbst und gerade auch solche Deutsche draußen, die in geringer Zahl oder ganz einsam und abseits irgendwo an sässig sind, in Völker-Großstädten oder im Urwald oder sonstwo, wünschen und halten sich deutschen Lesestosf, der ihnen über das Meer hinweg von ihren Buchhändlern und Exportbuchhändlcrn aus Deutschland geliefert wird. Hier im Jnlande gehen Millionen täglich an den Buchläden vorbei, ohne jemals einen betreten zu haben. Im Auslande und in Ubersee würde mancher tageweit laufen oder reiten, um etwas Deutsches zum Lesen auszutreiben. Das muß doch seine Gründe haben. Nun darf sich aber kaum ein Dichter oder Schriftsteller ein bilden, daß man grade ihm draußen so nachläust. Nicht nur weil Goethes oder Schillers Werke oder Bismarcks Erinnerungen oder irgendein philosophisches Werk oder gar Herrn Müllers neuester Roman irgendwo zu finden sein könnten, machen sich deutsche Leute draußen derart auf den Weg und die Suche; eher läßt sich das schon wegen eines Kalenders oder Kochbuches annehmen. Für eine monatalte Zeitung zahlt man manchmal draußen ein Goldstück und für ein deutsches Gebetbuch würde da draußen in mancher Stunde gerne Hose und Rock geopfert. Es könnte eher sein, daß man alle diese Dinge draußen in der weiten und oft für die Deut schen so einsamen Welt einfach deshalb so sehr braucht und sucht, weil man sich, auf sich selbst angewiesen, doppelt von geistigen Kräften abhängig weiß und weil man sich nach einer Anteilnahme an den Entwicklungen der großen und kleinen Welt sehnt, sich etwas davon zunutze machen will und muß, um gegen die Welt zu bestehen. Aber auch das ist noch nicht das Innerste und Entscheidende, denn mancher Deutsche kennt ja draußen eine oder mehrere andere Sprachen ebenso gut und ge braucht sie oft alltäglicher und gewandter als das Deutsche. Man cher muß bei diesem fast schon wieder buchstabieren und trotzdem, er tut es, schämt sich manchmal dabei und hat ein ganz sonder bares Gefühl. Jeder kennt es, der von einer deutschen Mutter ab stammt, und wir wollen darüber nicht viele Worte machen. Draußen in der Welt bildet man sich mit dem deutschen Buch »die geistige Heimat». Mit diesem kann sie auf fremdem Boden stehen und sogar bei offenen Türen. Man stattet sich diese Heimat wie eine Stube aus: Gebrauchs gerät (Bücher als Handhabe zu nützlichem Wissen und praktischem Können), Kunstwerk, Licht und Wärme und Andacht, — und auch manchen Kram modischer, aktueller, netter, aber hohler Jnter- essantheit und schnellebigen Spaßes. Geldmangel und zeitlicher und räumlicher Abstand mindern die Gefahr einer llbersüllung. Aus dem Wenigen, was man sich für die geistige Heimat anschasst, hebt sich das Wichtige um so besser hervor. Die Auslanddeutschcn sind meist pure Tatmenschen, die ihrem Blick in die Welt und für das Notwendige nicht unnötige Brillen aufsetzen, wie sie den Stolz der Büchermenschen ausmachen. Es fällt auf, daß die Auslanddeutschen zwischen Lesen und Leben ein ost ganz unbewußtes Maß setzen und halten, bestimmt nicht auf Kosten des Lebens und eher so, daß das Lesen dieses Leben etwas durchdringt, vorantreibt und erhöht. Das tut es. — Wir wollen davon absehen, inwieweit es gescheiter, tüchtiger, weltge wandter oder im allgemeinen innerlich stärker und reicher macht, aber man sieht und erlebt im deutschen Buch gerade das allgemein Deutsche und in den besten Büchern das Deutsche bis auf den Grund. Bei Deutschen, die nach Jahrzehnten in der Ferne und Fremde erstmals wieder nach Deutschland kommen, zeichnet es sich 821
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