Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.07.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1934-07-14
- Erscheinungsdatum
- 14.07.1934
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19340714
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-193407144
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19340714
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1934
- Monat1934-07
- Tag1934-07-14
- Monat1934-07
- Jahr1934
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
)sr 162, 14. Juli 1934, Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. b. Dtschn Buchhandel. Rundfunk und Buch. Der Buchhändler neigt im allgemeinen dazu, die Schuld am Sinken des Buchabsatzes dem Rundfunk beizumessen. Der Rund funk, so meint er, mit seinem den ganzen Tag aussüllenöen Pro gramm läßt dem Menschen keine Zeit, sich mit einem Buch zu be schäftigen. Und noch mehr: er vermittelt eine solche Fülle von Anregungen, daß das Bedürfnis nach dem Buch, der Hunger nach geistiger Nahrung, nicht entstehen kann. Der Rundfunk bietet außerdem den Menschen, die nicht in der großen Stadt wohnen, einen Ersatz für das großstädtische kulturelle Leben, wie ihn das Buch nicht annähernd zu schassen vermag. Und auch all das wäre zu verschmerzen, wenn nicht der Rundfunk auch das Schrifttum selbst erfaßte, indem er Bücherstunden veranstaltet, Dichter spre chen läßt, literarische Gedenktage feiert, Gedichte zum Vortrag bringt und Hörspiele und Dramen sendet. Was besteht überhaupt noch für eine Notwendigkeit, zum Buch zu greifen, wenn der Rund funk alles schneller, vielseitiger und billiger vermittelt? So weit der rundfunkseindliche Buchhändler. Und die andere Seite? Es ist schon verschiedentlich festgestellt worden, daß die Erfindung des Rundfunks nur mit der der Buch druckkunst zu vergleichen ist. Denn in beiden Fällen wurde das ganze geistige Leben der Nation unter neue Bedingungen gestellt. Nicht das Buch allein steht also dem Rundsunk gegenüber, sondern, wie die Debatten beweisen, auch die anderen Erzeugnisse des Drucks, vor allem Zeitung und Zeitschrift. Nun behält freilich die Zeitung ihre Daseinsberechtigung durch ihre starke lokale und per sönliche Bindung, die der Rundfunk mit seinen verhältnismäßig wenigen Sendern nicht ausglcichen kann, und die Zeitschrift er weist durch eine weitgehende Spezialisierung (illustrierte, litera rische, Jugend- und Modezeitschriften usw.) ihre Lebensnotwendig keit. So stünde also das Buch allein dem Ansturm des Rundfunks gegenüber. Doch das ist nicht der Fall. Auch der Film, die Kon zerte, das Theater klagen über die Konkurrenz des Rundfunks. Denn Rundfunk ist nicht ein Inhalt, sondern nur ein Mittel zur Wiedergabe mannigfacher Inhalte. Dieses Mittel erhält die Form, die der Mensch ihm geben will, und es muß so eingesetzt werden, wie es für dis Gemeinschaft von Segen ist. Der Rundfunk ist nur ein Anzeichen einer Zeit, die vom optischen Ausdruck zum akustischen strebt. Der stumme Film wird zum Tonfilm, die Zeitungspropaganda zur Rede in der Massen versammlung. Das Buch steht mitten in dieser Entwicklung als Träger dichterischer, belehrender, unterhaltender und wissenschaft licher Inhalte. Wie ist daneben der Inhalt des Rundfunks ge gliedert? Nach einer Statistik der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft bestand im Jahre 1933 das Rundsunkprogramm zu 57,4°/° aus Musik, zu 10,9°/° aus Vorträgen, zu 10,6°/° aus Berichten, zu 6,3°/° aus Literatur, zu 6,1 °/° aus Zcitfunk und zu 8,7°/° aus Verschiedenem. Dieses Programm wird bei einer durchschnittlichen täglichen Sendedauer von etwa vierzehn Stunden den 5 401420 Hörern vermittelt, die am 1. Juni 1934 angemeldet waren. Es ergibt sich aus solchen Zahlen, daß über die Hälfte des Rundfunkprogramms aus Musik besteht, die nicht dem Bücher umsatz, sondern höchstens der Pflege der Hausmusik gefährlich wird. Denn gerade die Fülle der musikalischen Darbie tungen führt dazu, daß die Musik im einzelnen nicht mehr genü gend beachtet wird — sie ist Begleitung für jede Tätigkeit. Sie hält nicht vom Bücherlesen ab, sondern ertönt dabei als eine Art akustische Kulisse, die mehr im Unterbewußtsein als tatsächlich aus genommen wird. Auch Zeitfunk und Berichte kommen als Hinder nis für das Bücherlcsen nicht in Frage, denn diese Sparten brin gen im Nachrichtendienst und mit aktuellen Reportagen Dinge, die ein Buch infolge seiner verhältnismäßig langsanien Herstellung von vornherein nicht vermitteln wird. Diese Sendungen schaffen im Gegenteil eher die Grundlage für den Absatz von Büchern, die wichtige Vorgänge in Bildern darstellen, da der Hörer aus ihnen seine akustischen Eindrücke ergänzen kann. Anders steht es freilich mit den Vorträgen des Rundfunks, die volkstümliche Bücher über wichtige Fragen überflüssig machen. In den Stunden, die für bestimmte Hörergruppen — Landwirtschaft, Frauen, Arbeiter — gedacht und in der Statistik unter »Verschie denes« erfaßt sind, werden nützliche Winke gegeben, die den Kauf 634 eines Buches verhindern könnten. Am stärksten macht sich aber die literarische Sendung für den Buchhändler bemerkbar. Durch die Unmittelbarkeit des gesprochenen Wortes, das oft der Dichter selbst verkündet, erhält die Dichtuüg im Rundfunk eine gesteigerte Wir kung. Die Zeiten, in denen der Sänger von Hof zu Hof zog und seine Dichtungen selbst vortrug, werden wieder lebendig. Und im Hörspiel besitzt der Rundsunk dazu eine Literaturgattung, die aus feinen eigenen Bedingungen hervorgegangcn ist. Aber diese scheinbare Überlegenheit des Rundfunks darf nicht dazu führen, seine Möglichkeiten falsch einzuschätzen. Gewiß ver mittelt er die Worte des Dichters, aber oft zu einer Zeit, in der es uns nicht möglich ist, sie zu hören. Was der Rundfunk bietet, ist einmalig, es ist vorüber, wenn der letzte Ton der Sendung ver klungen ist — das Buch aber hält die Worte des Dichters für immer fest. Und ebenso ist es mit dem belehrenden Vortrag. Wie oft ist der einzelne verhindert zu hören, wie oft vergißt er einzu- fchalten, wie oft ist er nicht in Stimmung, das Gesagte aufzuneh men und innerlich zu verarbeiten. Daneben ist die alte Erkenntnis auch heute noch nicht ungültig geworden, daß der Mensch ein größeres Vertrauen zu dem hat, was in irgendeiner Form gedruckt vor ihm liegt. Nur die Versammlung in ihrer Vereinigung der suggestiven Persönlichkeit des Redners mit einem Gemcinschasts- crlebnis ist an Überzeugungskraft dem gedruckten Wort auf die Dauer überlegen. Und schließlich: was nützt mir der Vortrag, wenn ich eine bestimmte Tatsache erfahren muß, die der Redner nicht er wähnte oder die ich inzwischen vergessen habe? Das Buch dagegen steht stets zu meiner Verfügung. Es ist auch dort, wohin der Rundfunk nicht zu folgen vermag, in der Bahn und im Geschäft, aus Reisen und beim Wochenende. Der Rundfunk bietet nicht die Möglichkeit der Auswahl. Er bringt Lyrik, wenn ich Prosa hören will, und der Dichter liest aus seinem neuesten Buch, während ich gerade das vorhergehende kcnncn- lernen wollte. So hat auch hier das Buch den Vorzug, daß die persönliche Neigung und der Geschmack des einzelnen zur Geltung kommen können. Und das Buch geht mir nicht verloren. Es war tet darauf, bis ich in Stimmung bin, und ich kann seine schönsten Stellen immer wieder genießen. Es läßt sich auch an gute Freunde weitergeben, und ich kann daraus vorlesen — im Rundfunk ist eine solche ständig sich erneuernde Wirkung nicht möglich, da nur selten einmal eine Sendung wiederholt wird. Schließlich ist das Buch nicht auf das Wort beschränkt. Photographien und Zeichnungen machen die Darstellung anschaulich und bei belehrenden Werken oft überhaupt erst verständlich. Auch das Hörspiel schließt das Buch nicht aus. Neuerdings erscheinen verschiedentlich Hörspiele in Buchform, und das gedruckte Hörspiel wird in Zukunft die Sen dung ebenso ergänzen wie die Dramcnausgaben die Bühncndar- ftellung. Es bleibt der Einwand, daß der Rundfunk den Menschen, die ihren Zeitvertreib früher im Buch fanden, jetzt der Rundfunk volle Befriedigung gibt. Man wird auch hier feststcllen müssen, daß die mangelnde Auswahlmöglichkcit des Rundfunks, die durch hoch wertige Apparate allerdings weitgehend behoben werden kann, schließlich doch zu Gunsten des Buches spricht. Und dann sollte der Buchhändler selbst genügend Kulturwillen besitzen, nicht solchen Lesern nachzutraucrn, die so wenig innere Beziehung zum Buch besaßen, daß sie im Banne des Rundfunks ohne weiteres darauf verzichten konnten. Wer einmal Zugang zum Buch gefunden hat, wird auch unter dem Einfluß des Rundfunks nicht darauf ver zichten — ebensowenig wie seine Büchcrfreundschaft ihn vom Rundfunkhören scrnhält. Denn infolge der Verschiedenheit ihrer Ausdrucksmittel ergänzen sich Buch und Rundfunk in glücklicher Weise. Der Buchhändler, der an seinem Platze eine ziclbcwußte Kulturpolitik getrieben hat, wird nicht darüber zu klagen brauchen, daß der Rundfunk ihm die Leser entfremdet hat. Er wird im Gegenteil erkennen, wie eng dis Beziehungen zwischen Buch und Rundfunk zu knüpfen find. Das Rundfunk programm ist so vielseitig, daß es im einzelnen notwendig unvoll ständig sein muß. In vielen Borträgen können nur Anregungen gegeben werden, die der Hörer weiterverarbeiten muß.( Hier kommt ihm das Buch zu Hilfe. Warum weist der Buchhändler im Schaufenster nicht aus die wichtigen Rundfunkvorträgc jeder Woche hin und macht auf die Bücher aufmerksam, die der Redner geschrie-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder