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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.05.1934
- Strukturtyp
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- Band
- 1934-05-22
- Erscheinungsdatum
- 22.05.1934
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- Deutsch
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NS, 22. Mai 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Ttschr» Buchhandel. Wechselwirkung einander befruchten und »geprägte Form, die lebend sich entwickelt«, werden — das unmittelbar als tätiger Bildner, mittelbar als Nehmender und Beschenkter miterleben zu dürfen, ist nicht Verdienst — es ist Gnade. Möchte der, dem sie beschieden, und für den heute ein neuer Lebensabschnitt beginnt, den »wünschens wertesten Beruf, edlen Seelen vorzufühlen«, noch lange in Kraft und Fülle ausüben und letztes Glück und letzter Tag noch in weiter Ferne liegen. Denn — mancher noch ist ans dem Weg zu dir! vr. A. Meine r. Bernachlässigte Lyrik? iS. a. Nr. 92 und 113.) Als Inhaber und Betreuer eines jungen Verlages (Die Naben presse), der in wenigen Jahren etwa dreißig Gedichtbändchen heraus gebracht hat, sei es mir gestattet, der hier begonnenen Diskussion über die scheinbare Vernachlässigung der Lyrik zu dienen. Hierzu er munterte mich, obschon ich davon überzeugt bin, das; nichts anderes als ein einmütiger Feldzug der gesamten Presse vielleicht ein brei teres Feld für die Lyrik vorbereiten kann, ein leider in den Aus führungen des Herrn Fritz Diettrich zu Unrecht erhobener Vorwurf gegen die großen Verlage. Es entspricht zwar den Tatsachen, daß der überwiegende Teil der Produktion der wenigen großen deutschen Verlage im Verhältnis nur wenig Lyrik enthält. Jedenfalls aber haben diese großen Kulturverlage doch ausnahmslos Lyrik in ihren Prospekten, und es wäre sehr billig zu sageu, daß dieses nur weniger gälte, da es sich hierbei um anerkannte Autoren und deren gängige Bücher handle. Abgesehen davon, daß diese Bücher meist auch nicht gehen, wurden diese Autoren nicht von heute auf morgen als Promi nente und so wie ein gutes Geschäft übernommen, vielmehr wurden sie meist Jahrzehnte hindurch seit ihren ersten Anfängen von ihren Verlagen betreut und gefördert. Man könnte darüber nun streiten, ob es nicht besser gewesen wäre, einer größeren Anzahl Begabter den Weg zu öffnen, als diesen den Wenigen nicht nur zu öffnen sondern auch zu bereiten. Diese Frage.jedoch beantwortet sich jedem von selbst, der diese Einschränkung dem Wertvollsten eines guten Verlages, seinen; persönlichen Ausdruckswillen zu Laoten schreibt. Und hierzu sei nuu auch festgestellt, daß dieser Weg dem Geldbeutel der vielgeschmähten Verlagsaktionäre gewißlich nicht zuträglicher ist, als wenn sie statt beispielsweise von nur zehn Autoren je fünf Bänd chen von fünfzig Autoren je eines gebracht hätten, denn die Aus wirkung von fünfzig guten Dichtern — und nur von solchen ist hier die Rede — erfaßt ja einen viel größeren Kreis von Empfeh lung, Presse und Käufern. Es sei noch erwähnt, daß ein großer Teil der in Frage kommenden Verlage eigene Zeitschriften besitzt, in denen stets neue Begabungen zu Worte kommen und auch solche Dichter immer wieder gedruckt werden, deren Schaffen noch nicht eine genügende Auswahl für das in den Nahmen des großen Ver lages hineinpassende umfangreichere Gedichtbuch aufweist. Und ist es nun dann so schlimm, daß ein großer Teil der Lyrik in kleineren, aufstrebenden Verlagen aufgefangen wird, die nicht, wie behauptet wurde, immer aus Proöuktiousverlegeuheit, sondern meist aus einer urteilsfrcieren, jugendlicheren Lebendigkeit heraus nicht so abwägend wählen, die in ihren ersten Jahren vielmehr eine Art Studio darstellen, aus dem sich das eine oder andere dieser jungen Unternehmen zu einem Verlag, der dann gewiß seine Lyrik auch sorg samer aussuchen wird, emporwächst. Selbst vom Standpunkt des Autors gesehen ist dort dem begabten Dichter nicht weniger geholfen, denn nach meinen Erfahrungen findet gerade ein solches Unternehmen die weitestgehende Unterstützung der gesamten deutschen Presse. Dem einzelnen, der wirklich Gutes geleistet hat, verschafft das in schrift stellerischer Beziehung stets Möglichkeiten, sei es zum Rundfunk oder zu den Redaktionen, und macht so den vielleicht finanziell schlechteren Vertrag mit dem kleinen Verlag gewiß wieder wett. Wenn nun die Klage über das Schicksal manches wertvollen Gedichtmanuskriptes geführt wird, so berechtigt das wohl zu der Frage, welchem Verleger denn diese Arbeiten Vorgelegen haben. Und man mag es mir nicht als eine oratio pro ckomo anrechuen, wenn ich da argwöhne, daß es sich hier gewiß wie in vielen Fällen so verhält, daß diese Autoren in Eitelkeit sich in eine Verlagsklasse eingeteilt haben, die sie nun unbedingt zu beanspruchen glauben, statt sich an einen kleinen Verlag zu wenden, in dem sie neben Arbeiten junger Menschen auch neben denen bekannter Autoren, die vorurteils frei ihre Manuskripte zur Verfügung stellten, zu stehen vermögen. Auch im sonstigen Leben finden nicht alle Menschen den Platz, der ihnen gebührt, gar ein Behelfsplatz war vielen Jahre hindurch versagt und es trug nicht, wie man in guten Zeiten gern sagt, ein jeder den Marschallstab im Tornister. Wenn man jedoch den Haufen lyrischer Neuerscheinungen sieht und vielleicht auch ein wenig Ahnung hat, wie sehr die Verlage nach Gutem suchen, dann wird einem kaum bauge sein können um ein Fehlen der Lorbeerkräuze, die den Dichtern zwischen den Manuskripten schlummern. Und um diese Tatsache mit eigenem Beispiel hier zu beweisen, möchte ich verraten, daß ein junger Verlag aus Produktionsverlegenheit zur Prosa griff. Wenn nun Herr Diettrich darauf hinweist, daß, die Verlage zur Lyrik zu zwingen, dasselbe bedeuten würde wie der nach seinen Zeilen für die Bühnen bestehende Zwang, jährlich ein Theaterstück uraufzu- führen, so glaube ich hierzu sagen zu können, daß das ein »Eulen nach Athen tragen« bedeuten würde, denn vielleicht äußert er sich einmal, welchen lyrikfeindlichen Verlag er denn meint. Er spricht von den zehn größten Verlagen, dazu dürften bestimmt gehören die Verlage: Langen-Müller, Insel-Verlag, Eugen Diederichs, Deutsche Verlags-Anstalt, S. Fischer (letzterem verdanken wir einen der schönsten Gedichtbände dieses Jahres: Der Silberdistelwald von Oskar Loerke),. Soll nun verordnet werden, daß diese Verlage, wie Diettrich sich ausdrückt, »sich endlich dazn bequemen, der Lyrik den Weg zu ebuen«, also richtiger gesagt, da sie ja alle Lyrik habeu, andere Lyriker als bisher herauszubringen. Wo sind diese Dichter, die diese Verlage von selber schon bringen würden, wenn es sie geben würde. Nun gut: Auch mir scheint ein jeder Vorstoß der Lyrik begrüßens wert, wenn er es vermag, einen Weg zu neuneu. Aber das Auf hetzen beleidigter mittelmäßiger Geister, die anch Herr Diettrich, dessen stets sicheres Urteil über Lyrik ich schätze, ablehnen würde, scheint mir sehr unnützlich. Die sehr fadenscheinigen Beschuldigungen gegen die bösen Verlagsaktionäre dürften genau so wie das Märchen von dem Verlag, der sich der Lyrik entzieht, nicht gerade sehr nützlich für einen Vorstoß der Lyrik sein. Es ist wohl bekannt, daß die belle tristischen Verlage, von denen hier die Rede ist, fast nie von Kauf- lenten, sondern stets von Idealisten gegründet wurden, und auch die Vcrlagsaktionäre, die ja meistens erst später dazukamen, haben es trotz ihrer manchmal verzweifelten Geldbeutel mit anfehen müssen, wieviel Schönes und Unrentables in ihren Unternehmungen herge stellt wurde. Wenn man nun überhaupt auch weiterhin private Initiative für die Lyrik beanspruchen will, dann solle man sich davor hüten, diese von vornherein abzuschrecken. Schließlich ist auch ein Verlag das Werk von Menschen, genau so wie eine Dichtung, und man muß diesen wie auch dem Dichter, solange sie es in deutschem Sinne und ohne Wucher im Gauge haben, zubilligen, ihr Werk auch in ihrem Geiste fortzuführen. V. O. Stomps, Berlin. Ich verweise, ehe ich zu dem Thema Stellung nehme, auf Rilke, Malte Laurids Brigge (Werke V. S. 25 ff.): ». . . Mit Versen ist so wenig getan, wenn man sie jung schreibt. Man sollte warten damit und Sinn und Süßigkeit sammeln ein ganzes Leben lang . . . Denn Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle (die hat man früh genug), es sind Erfahrungen .. .« Die Herren Verleger sollten die drei Seiten über Verse aus Rilkes Malte jedem jungen Lyriker senden, der ihnen Manuskripte zum Druck aubietet. Die Verfasser sollten dann selbst entscheiden, wie weit ihre Verse meßbar sind mit hohem Maß und Gewicht! Vielleicht würde doch mancher seine Arbeit zurückziehen, — vielleicht . . . Lyrik würde dadurch nicht weniger entstehen, aber weniger ge druckt. Muß denn auch jedes Gefühl auf Bütten gemalt und in Per gament gebunden in den Schränken verstauben? »Verse sind nicht Gefühle, die hat man früh genug!« Sie werden mir antworten: »Es besteht aber ein großes Be dürfnis für Lyrik gerade in den Kreisen junger Menschen«, und ich gebe Ihnen Recht mit der Einschränkung allerdings, daß es ver hältnismäßig wenig Lyriker sind, die wirklich gelesen werden, eben diese, deren Verse nicht nur Gefühle sind, sondern Erfahrungen. In wievielen Tagebüchern, Briefen und Widmungen junger Menschen finden sich heute zum Beispiel jene Verse Carossas: Wer einem Wink folgt im Sein, Vieles zu Einem erbaut, Stündlich prägt ihn der Stern (und dies lange bevor diese Verse das Lebensbnch des Dichters selbst abschlossen!) — Die große Lyrik ist ihrer Zeit voraus. Ihr Amt ist das des Sehers und des Ahnenden. Ihre Sprache die der Verheißung und Prophezeiung. So staud Dante in seiner Zeit, so Hölderlin, so Nietzsche und endlich George. Wo die Lyrik den Gesang des kommen den Jahrhunderts singt, wird sie Jünger finden und Gläubige. Das Unsere hat uns George vorweg genommen, und cs bleibt nur noch wenig übrig auszusprechen. Die Lyriker sollten also nicht die Schuld bei den Verlegern suchen, daß ihr Unzulängliches nicht mehr Ereignis 459
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