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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.08.1919
- Strukturtyp
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- Band
- 1919-08-27
- Erscheinungsdatum
- 27.08.1919
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- Deutsch
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- Saxonica
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Sprache sind, auf die Literatur und Buchhandel sich gründen, so wird doch die Arbeit beider in demselben Maße begünstigt, in dem Volk und Staat, Sprache und Kultur sich decken und zu einer Einheit zusammengeschlossen sind. Tritt dazu in einem solchen Staatswesen noch der Wille, dieser Kultur einen möglichst lebendigen Ausdruck zu geben und nicht nur allen Schichten der Bevölkerung ihre Segnungen zu vckrmitteln, sondern weiter- gchcnd allen, die daran teilzunehmcn wünschen, dies zu ermöglichen, so wären damit in der Hauptsache alle Voraussetzungen zur Herbeiführung eines goldenen Zeitalters für Literatur und Buchhandel erfüllt. Nichts bliebe dann zu wünschen, als ein Paar Kleinigkeiten, nämlich datz die Lite ratur einer umfassenden Verbreitung würdig sein müßte, der Buchhandel in der Lage wäre, sie herzustellen, und das Volk Neigung hätte, sie zu erwerben und sich nutzbar zu machen. Zu keiner Zeit war die deutsche Literatur so sehr der Spiegel der Volksseele wie in der Gegenwart. Keine Weltanschau ung und was sich dafür ausgibt, die nicht ihren Propheten, kein Ereignis, das nicht seinen Darsteller, kein Gesetz, das nicht seinen Kommentator, kein Einfall, der nicht seinen Erzähler, keine Mode, die nicht ihren Verkünder fände! Des Büchermachens ist kein Ende, trotz Papiernot und sonstigen Herstellungsschwie rigkeiten. Schwerlich aber wird man — von wenigen Erschei nungen abgesehen — sagen können, daß sie einem Bedürfnisse, und noch weniger, daß sie der Not der Zeit entsprächen. Was sich in ihnen offenbart, ist derselbe Geist, der sich auf dem Theater breit macht, das Publikum in die Kinos lockt und seine Triumphe aus Tanzsälen und in Konzerten feiert. Besonders unsere erzählende Literatur hat einen Tiefstand erreicht, den sie nicht einmal während des Krieges aufwies, und der sich heute nicht damit rechtfertigen läßt, daß eine leichte und seichte Lektüre, die keinerlei Anforderungen an Seele und Geist erhebe, am besten über die harten Notwendigkeiten, vor die uns der Krieg gestellt hat, hinwegtrage. Heute gilt es, diesen Traumzustand abzuschüt teln und sich nicht mehr dem Leben zu verschließen, wie es in zwischen um uns entstanden ist. Dieses Leben steht wesentlich anders aus, als wir es uns bei Beginn des Krieges vorstellten. Was schon in den letzten Jahren des Krieges in Erscheinung trat: persönliche und wirtschaftliche Unmoral, die sich in brutalem Egoismus und skrupellosem Wucher- und Schiebertum offenbarte, das hat die Revolution glorreich vollendet, indem sic auch die jenigen Kreise mobilisierte, denen zu gleichem Tun bisher die Gelegenheit gefehlt hatte. Jetzt stehen wir vor einem Trümmer haufen, einem Chaos, das um so deutlicher zu uns spricht, je geringer Lust und Neigung sind, damit aufzuräumen und den Weg zur Ordnung und Gesetzmäßigkeit wieder freizumachen. Statt jedoch alle Kräfte anzuspannen zu gemeinsamer Arbeit, die uns allein aus den Irrungen und Wirrungen der Gegenwart herausführen könnte, kann man das Volk heute überall finden, nur nicht bei der Arbeit. Gehörten früher Streiks und Unruhen zu den Ausnahmen, so sind sie heute ständige Erscheinungen unseres Wirtschaftslebens, meist mit keiner anderen Folge, als daß den Lohnerhöhungen eine weitere Verteuerung der Lebens mittelpreise und dieser neue Lohnbewegungen folgen. So gerät unsere Wirtschaft immer tiefer in den Sumpf, da die eigenen Produktionsquellen unausgenutzt bleiben und durch das ständige Sinken der Mark im Auslande der Ankauf notwendiger Roh materialien weiter erschwert wird. Als Glied des deutschen Wirtschaftslebens in gleicher Weise diesen Erschütterungen ausgesetzt und um so schwerer pon ihnen betroffen, als seine Verdienstmöglichkeiten — namentlich im Zwischenhandel — außerordentlich gering sind, kann der deutsche Buchhandel aus eigener Erfahrung sich ein Bild der verheeren den Wirkungen machen, die aus Streiks und Arbcitsunlust hcr- vorgchcn. Steht der Leipziger Buchbandel doch seit mehr als zwei Wochen in einem hüben und drüben erbittert anfgcnommenen und bekämpften Streik, der in seinen Wirkungen weit über das Weichbild Leipzigs hinausgehen und Folgen zeitigen wird, von deren Tragweite wohl die wenigste» Arbeitnehmer eine Vorstel lung haben. Wenn er von den Arbeitgebern mit allen Mitteln bekämpft wird, so geschieht das nicht allein in ihrem, sondern im Interesse des gesamten Buchhandels, nicht aus Mangel an 742 sozialem Empfinden, sondern aus der Erkenntnis ihrer Ver antwortlichkeit gegenüber der duchhändlerischen Gesamtheit heraus. Mit dein Mantel fällt der Herzog, mit der Hochburg des deutschen Buchhandels der gesamte übrige Buchhandel. Neben der Aufgabe, im eigenen Hanse Ruhe und Ordnung zu schassen, erwächst dem Buchhandel aber auch die Pflicht, mit seiner Arbeit dem deutschen Volke in seiner Gesamtheit zu dienen, wenn das Wort »Kulturträger« nicht zur Bedeutungs losigkeit herabsinken soll. Eine Berufsorganisation kann dazu bestenfalls nur allgemeine Richtlinien geben, schon weil der Boden, auf dem die einzelnen Betriebe, verschieden an Größe und Wirkungsmöglichkeit, stehen, einer gleichmäßigen Behand lung nicht zugänglich ist und das Beste in diesem Falle immer von der Persönlichkeit der einzelnen Inhaber ausgehen muß. Obwohl die vaterländische Bedeutung des Buches in Deutsch land früher weit weniger zur Geltung gekommen ist, als in anderen Ländern, so hat der Weltkrieg insofern eine Wand lung zum Besseren gebracht, als er in Hunderttausenden von Volksgenossen daheim und im Felde das Bedürfnis, sich mit ihm zu beschäfligen, geweckt hat. Außerdem hat die Propaganda unserer Feinde gezeigt, welche Macht im Leben und Denken der Völker vom Buche ausgeht, da Hatz, Neid und Verachtung, mit denen man uns während des Krieges überschüttet hat, wohl kaum eine solche Bedeutung hätten gewinnen können, wenn sie nicht so eindringlich, wie es geschehen ist, durch das gedruckte Wort Verbreitung gefunden hätten. Was aber dem Bösen dienen kann, kann ebenso in den Dienst einer guten Sache gestellt und dadurch Fluch in Segen verwandelt werden. Fehlt dem Deut schen auch die Selbstverständlichkeit anderer Völker, mit der diese für ihre nationale Ehre eintrcten - wie könnten sonst Bücher von unseren Volksgenossen gedruckt, verlegt und vprtriebcn wer den, die Deutschland nicht nur der Schuld, sondern sogar der alleinigen Schuld an dem Weltkriege bezichtigen? —, so bringt vielleicht doch die Schwere der Zeit zustande, was sich nicht gefühlsmäßig allen von selbst aufdrängt. Darum sollten heute Bücher und Menschen in tausend Zungen von der Not des Vaterlandes zum Volke sprechen, davon, datz nur in der Arbeit das Heil liegt und jeder an seinem Platze und nach bestem Vermögen seine Pflicht tun muß. Ist die gegenwärtige Zeit wirklich dazu angetan, sich für süßlich-romantische Herzensergüsse voll verlogener Sentimentalität und wehleidiger Rührseligkeit einzusetzen und Romanen und Erzählungen den Weg bereiten zu helfen, die wüster Sinnlichkeit und smarter Geschäftshuberei ihre Entstehung verdanken und unser Volk um den letzten Rest von Gesundheit und moralischem Empfinden zu bringen drohen? Heute mehr als je gilt Wilhelm Naabes Mahnung: O, ihr Dichter und Schriftsteller Deutschlands, sagt und schreibt nichts, euer Volk zu entmutigen, wie es leider von euch, die ihr die stolzesten Namen in Poesie und Wissenschaften führt, so oft geschieht! Scheltet, spottet, geißelt, aber hütet euch, jene schwächliche Resignation, von welcher der nächste Schritt zur Gleichgültigkeit führt, zu befördern oder gar sie Hervorrufen zu wollen. Als die Juden an den Wassern zu Babel saßen und ihre Harfen an den Weiden hingen, weinten sie, aber sie riefen: »Vergesse ich Dein, Jerusalem, so werde meiner Rechten vergessen!« D i e Worte waren kräftig genug, selbst die zuckenden Glieder eines Volkes durch die Jahrtausende zu erhalten. Ihr habt die Gewohnheit, ihr Prediger und Vormünder des Volkes, den Wegziehenden einen Bibclvers in das Ge sangbuch des Heimatdorfes zu schreiben; schreibt: »Vergesse ich Dein, Deutschland, großes Vaterland: so werde meiner Rechten vergessen!« Der Spruch in aller Herzen, und — das Vaterland ist ewig! Ja, das Vaterland ist ewig! Denn was heute zum alten Eisen geworfen, mit Spott und Hohn überschüttet wird, das wird zu neuem Glanze erstehen, sobald es gelingt, alle national ge sinnten Kreise um ein gemeinsames Banner zu scharen, in allen Schichten der Bevölkerung den Sinn für das, was unserem Volke
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