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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.03.1934
- Strukturtyp
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- 1934-03-27
- Erscheinungsdatum
- 27.03.1934
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- Deutsch
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X- 73, 27. März IS34. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. L. Dtschu Buchhandel. anderen Kunden behandelt? Denn das ist doch schließlich das letzte Ziel dieser ganzen Methode, durch die Stärke des Tones und die Knalligkeit der Anzeigenform jede Nachbarschaft niederzuschreien, indem man die Warenhauspsychologie des »Blickfanges« auch auf das Buch anwendet. Das läuft dann letzten Endes hinaus auf die Übertragung der Massenpsychose und der Marktschreiermethoden auf die doch völlig anders gearteten Dinge des geistigen Lebens. Bücher sind für Verlag und Sortiment Gegenstände des Handels, sind Ware, das wird kein Einsichtiger bestreiten. Und Handel zu treiben hat noch niemals jemanden geschändet! Aber darum, weil man mit ihnen »handelt« in des Wortes ursprünglichster Bedeutung durch die Weitergabe von Hand zu Hand, sind sie noch lange keine Kleiderstoffe oder Parfümerien oder sonstwie zweck bestimmte Sachgüter, sondern etwas durchaus eigenes und anders artiges. Denn in jedem Buche, sagte Josef Nadler in seinem gedankenreichen Vortrag über »Buchhandel, Literatur und Nation in Geschichte und Gegenwart«, ist »die ganze Kulturgeschichte des deutschen Volkes . . . gegenwärtig . . . und sie ist in der Art und Weise da, wie es von Hand zu Hand gegeben wird«. Da ist mit wenigen Worten Art und Wesen des Buches auch als »Ware« treffend umschrieben. Doch das sind an sich alte und oft genug gesagte Dinge, trotzdem scheint man sie aber bei der Buchwerbung immer wieder zu vergessen. Freilich, das ist ja der Sinn und die durchaus nicht alltägliche Kunst wirklicher Werbung, aus dem üblichen Einerlei herauszu stechen, die Aufmerksamkeit und das Interesse des angerufenen Käufers zu wecken. Muß man sich dazu aber unbedingt der Me thoden eines Marktschreiers bedienen? Geht es uns nicht vielmehr bei jeder Reklame so, daß über den oft genug rein physisch erzwun genen Augenblickseindruck hinaus diejenige den nachhaltigeren Erfolg hat, welche in vornehmer Zurückhaltung, mit Geschmack und ohne viel Geschrei die Sache selbst für sich sprechen läßt? Ja, sind wir im allgemeinen nicht mißtrauisch gegen solche Waren, welche unter Auf gebot eines Riesenapparates mit Plakatierungen, Transparenten, Lautsprecheranlagen und Flugblättern einem geradezu aufgezwungen werden? Denn meist steht das Produkt doch im umgekehrten Ver hältnis zum äußeren Aufwand! Ist es nicht des deutschen Buches und Buchhandels unwürdig, sich etwa nach dem Vorbilde »Doktor Unblutigs« zu gebärden, indem man täglich gleich von mehreren Seiten erklärt bekommt, die und die Neuerscheinung sei nun endlich das langerwartete »Buch der Bücher«, so wie jeder neue Film als das »größte Ereignis des Jahres«, als »die hervorragendste Leistung der Gegenwart« angepriesen wird? Wenn wir demgegenüber er klären, zwischen Ware und Ware, zwischen Buch und Film ist ein Unterschied, dann heißt das für den Buchhandel, auch seinerseits die Konsequenz zu ziehen aus der Neuorientierung unseres gesamten Lebens im Sinne seiner Rückkehr zur Schlichtheit und Wirklichkeit, indem man vom Gegenstände und von der Sache ausgeht und nicht amerikanische Werbetricks zur Anwendung bringt oder eine der Photomontage nachgebildete Phonomontage für geistige Dinge aus bildet. Ist es denn in Wirklichkeit nicht so, daß jeder Sortimenter genau weiß, was er von einer Anzeige zu halten hat? Der An zeigende ist doch ein Verleger und jeder gute Verlag hat sein Gesicht, das wie über jeden Menschen so auch über sein Spiegelbild im öffent lichen Auftreten noch immer die beste Auskunft gibt. Da braucht man weder auszuschminken noch zu maskieren; Verlagssignet und Namen genügen, daß man seine Anzeige nicht übersieht, und jeder Leser der buchhändlerischen Fachpresse weiß heute, daß die Verlage mit einem »Gesicht« eine für die jeweilige Wesensart charakteristische An zeigenform ausgcbildet haben, die jedes unsachliche Mätzchen über flüssig macht. Und wenn ein solcher Verlag sich einer »Groß aufnahme« bedient, dann geschieht auch das mit Geschmack und im vollen Bewußtsein der damit verbundenen Verantwortung vor der Allgemeinheit. Weit schlimmer aber noch als diese hier nur in absichtlicher Zu spitzung angedeuteten Verirrungen im Reklamewesen, dessen Be deutung und Berechtigung auch im Buchhandel, das sei noch einmal wiederholt, keineswegs bestritten werden soll, sind nun die Verfahren, deren man sich zur A u t o r i s i e r u n g aufgestellter Behauptungen bedient. Wir meinen hier die meist irgendwie retouchierte Wieder gabe lobender Kritiken. Was da gesündigt wird, läßt sich wirklich kaum mehr überbieten, und gerade dagegen energisch Front zu machen ist um so dringlicher, als das Methoden sind, deren sich der nunmehr allerdings zu apostrophierende »Literaturbetrieb« einer- vergangenen Zeit geradezu mit Wonne und Raffinesse bediente, für die im Dritten Reiche aber kein Platz mehr ist. Gerade so wie der Waschzettel natürlich nur das Beste zu sagen weiß, wird nur d i e Kritik zum Abdruck gebracht, worin die höchsten Register gezogen sind; meist allerdings erst sorgsam zurechtgestutzt und poliert, daß .sozusagen nur die Glanzlichter übrig bleiben und die Leuchtkraft 276 nur noch durch einen »bekannten« Namen oder Titel einer großen Tageszeitung gesteigert werden kann. Im gewöhnlichen Leben würde man ein solches Verfahren einfach »Fälschung« nennen, im Anzeigen wesen, und leider gerade im buchhänülerischen, hat man indessen eine Tugend daraus gemacht, denn meist ist man sich der Verwerflich keit solchen Tuns schon gar nicht mehr bewußt und glaubt sich mit dem Hinweis auf solche allgemein üblichen »Usancen« gerechtfertigt. Es wäre darum nur zu wünschen, daß sich auch die Kritiker dagegen wehrten, indem sie eben verlangen, daß ihnen Abänderungen ihres Textes, vor allem Kürzungen und Streichungen, welche den Sinn ändern, zur Kenntnis gebracht werden. Selbstredend wird nur in den wenigsten Fällen ein Abdruck des ganzen Wortlautes einer Besprechung möglich sein, das ist auch gar nicht notwendig, wohl aber muß auch die verkürzte Wiedergabe Zustimmung und Ableh nung zum Ausdruck bringen und darf nicht einfach die Einwände unter den Tisch fallen lassen durch geschicktes Wegretouchieren! Weiter aber muß es dahin kommen, daß jede Kritik auch bei bruchstückhafter Wiedergabe mit dem vollen Namen gezeichnet sein muß, daß der dahinter Stehende jederzeit vor der Öffentlichkeit die Verantwortung dafür trägt. Dann wird er selbst schon dafür sorgen, daß ihm keine gefärbten Berichte untergeschoben werden. Denn Anonymität ist und bleibt eine schändliche Feigheit und Flucht der Unfähigkeit, für die der gerade über diese Fragen so treffende Bemerkungen machende Arthur Schopenhauer sich mit der erforderlichen Deutlich keit ausgesprochen hat, was jeder in den »Parerga und Paralipo- mena« selbst Nachlese. Hier also könnten auch die Kritiker beitragen zu einer wesentlichen Bereinigung und Besserung der Zustände. Wie aber, fragen wir weiter, kann der Buchhandel helfen? Die einzelnen Wege sind bereits gefunden, so in den für die augen blickliche Arbeit vielleicht wichtigsten im Rahmen der D.A. gebildeten Fachgruppen und Arbeitsgemeinschaften. Da wird sich in Zukunft die entscheidende Begegnung zwischen Buchhändler und Buch vollziehen und der falschen Reklame die Maske vom Ge sicht gerissen werden. Nicht mehr auf dem Umwege über die Anzeige allein soll er seine Information erhalten, sondern in Auseinander setzung mit dem Buche selbst und mit seinen Berufsgenossen seine Werte abwägen und Herausstellen lernen. Nur so kann wieder ein persönliches Verhältnis zwischen Mensch und Sache hergestellt und die geistige Qualität eines Buches als solche gewertet werden. Gerade weil es nicht möglich ist, daß einer alles liest, kann nur eine Arbeits- gemeinschaft nicht nur der Buchhändler untereinander, sondern auch mit allen sonst mit dem Buche im öffentlichen Leben befaßten Stellen die sich im Buche spiegelnde Vielseitigkeit des Lebens er fassen und die unmittelbare Fühlung mit dem Strome der Zeit Her stellen. Die Zeiten sind vorbei, wo man glaubte, das bibliographische Wissen allein mache die Stärke des Buchhändlers aus. Er soll seine Bücher auch wirklich kennen und durchdrungen sein von dieser Welt des Buches. Gerade dazu aber trägt die persönliche Aussprache weit mehr bei als alle Lektüre literarischer Kritiken und Anzeigen. So hat der vielfach gemachte Versuch, etwa vor Weihnachten die wichtigsten Neuerscheinungen unter sachkundiger Leitung und tätiger Mitarbeit aller Beteiligten durchzusprechen und bei einer späteren Zusammen kunft das Ergebnis damit zu vergleichen, sich als außerordentlich fruchtbar erwiesen, und wohl jeder wird mit Interesse die Berichte des hierin vorbildlichen Rheinisch-Westfälischen Buchhändlerver bandes — vor allem die Artikel von H. F. Schulz und Prof. Antz — gelesen haben. Darum möchte ich gerade in dieser Einrichtung einen der fruchtbarsten Wege sehen, den Buchhändler frei zu machen von der Bevormundung durch die Reklame, daß sich ganz von selbst die ge rügten Auswüchse mit der Zeit abschleifen. Denn wenn die Buch händler so mit den Büchern und vor allem auch mit den Fehlschlägen bekannt gemacht werden, dann wird auf diese Weise auch der Buch handel von unerwünschten Elementen und ihren Produkten befreit. Die Verleger aber werden einsehen lernen, daß sie durch allzu markt schreierische Reklame eher kopfscheu machen, als daß sie Vertrauen damit fänden. Dazu glaube ich, würde auch unser größter und unerbittlichster Kritiker G. E. Lessing »ja« sagen. Denen aber, die da meinen, auch im neuen Deutschland lediglich mit Werbetrommeln und dem Ab brennen trügerischer Neklamefeuerwerke dem echten Buche dienen zu können, denen sei eben dieses G. E. Lessings »Vademecum für Samuel Gotthold Lange« empfohlen, wo es schon steht: »Bei Lebzeiten und ein halb Jahrhundert nach dem Tode für einen großen Geist gehalten zu werden, ist ein schlechter Beweis, daß man es ist, durch alle Jahr hunderte hindurch aber dafür gehalten zu werden, ist ein unwider- sprechlicher«. Wenden wir das aber auf die Reklamepropheten des letzten Menschenalters an. Welcher von den von ihnen als »un sterblich« Deklarierten hat selbst die kurze Spanne bis in unsere Tuge überdauert und wer würde gar erst nach Lessings Maßstab solche Beiworte verdienen, wie sie heute täglich in den groteskesten Superlativen ausgeteilt werden?
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