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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 18.05.1917
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1917-05-18
- Erscheinungsdatum
- 18.05.1917
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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Redaktioneller Teil. F 114, 18. Mai 1917. das beste Mittel im Kampf gegen die Schundliteratur. Da der Sortimenter nur schwer in die Schichten hineinkommt, in der die Hintertreppen-Romane herrschen, die Zweckbuchhandlung der Gewerkschaft aber diese Schriften erreicht, so erschien mir die Zwcckbuchhandlung als ein vorzügliches Mittel iin Kampfe gegen die Schundliteratur. Ein solches Mittel bleibt sie auch dann, wenn Herr 1>r. Reiher sich dieser »Literatur« mit auffallender Milde gegenüberstellt. Mein Herr Gegner bedauert es, das; Angehörige des Buch handels soviel am deutschen Buchhandel auszusetzen hätten, wäh rend doch besonders die Franzosen in heißem Bemühen ver suchten, uns möglichst viel abzugucken. Nun, ich meine, daß die Klagen über die schlechten Erwerbsverhältnisse im Buch handel doch schon recht, recht alt seien. Schon vor 26 Jahren sind mir solche Klagen im Börsenblatt ausgefallen, und heute kehren die alten Klagen in neuem Gewände immer wieder. Mein Vorschlag soll aber doch gerade zu einer erheblichen Steigerung des Umsatzes und damit des Verdienstes führen! Herr vr. Reitzer ist stolz auf die prächtige Organisation und die Leistungsfähigkeit des Buchhandels. Ich auch. Aber es wäre gefährlich, wenn wir uns durch diesen berechtigten Stolz zur Selbstzufriedenheit verführen lassen wollten. Ein Stand, der sich zu viel Selbstzufriedenheit zulegt, verfällt gar leicht in Er starrung und wird dann von der eilenden Entwicklung überholt und beiseitegeschoden. Ganze Völker haben dieses Schicksal erlebt. Als ihre Selbstzufriedenheit am größten war, da be fanden sie sich bereits in der Erstarrung und auf dem Abstieg. Der rechte Stolz aus Erreichtes ist der, der aus den Leistungen der Väter die Verpflichtung entnimmt, rastlos weiterzuarbeiien. Herr vr. Reitzer weist mit Recht auf die Tatsache hin, daß unsere Feinde unablässig auf Mittel sinnen, den deutschen Buchhandel cinzuholen und zu überholen. Diesen sehr ernst gemeinten An strengungen gegenüber wäre es verfehlt, sich au den Gedanken an ein Werk zu berauschen, dessen Grundlagen bereits vor hundert Jahren von Perthes geschaffen worden sind. Um nicht miß verstanden zu werden, betone ich ausdrücklich, daß ich keines wegs bewährte Einrichtungen beiseiteschieben möchte. Nur einer Berücksichtigung neu gewordener Verhältnisse rede ich das Wort. Es wird behauptet, daß der preußische Schulmeister die Schlacht bei Königgrätz gewonnen habe. Ich weiß nicht, ob damals die oberen Zehntausend in Preußen oder in Österreich geistig höher standen. Aber es ist bekannt, daß Preußen auf dem Gebiete der Volksbildung einen Vorsprung vor Österreich hatte. Der Vorsprung, den die breiten Schichten des Volkes, den die Millionen der unteren Klassen in Preußen hatten, hat damals das weltgeschichtliche Ringen entschieden. — Wenn nicht alle Anzeichen trügen, so wird die geistige — und moralische — Überlegenheit auch den jetzt tobenden Weltkrieg entscheiden. Kann man sich einen stärkeren Ansporn vorftellen, der Bildung der Massen der Arbeitnehmer die allergrößte Aufmerksamkeit zu schenken? Wie schrieb doch im vorigen Jahre Herr Kollege Huber aus Kempten im Börsenblatt? »Wer selbst einige Zeit ganz unbehindert oder mit offenen Augen sich unter der Arbeiterschaft bewegte, der weiß, was für ein grotesker Hausen von Ungereimtheit in so einem armen Ge hirn sich austnrmt.« Wenn Man weiß, wie primitiv, lvie lückenhaft das Wissen und die Bildung breiter Schichten, trotz der unzweifelhaften Überlegenheit über die gleichen Schichten anderer Völker, noch ist, der wird sich von aller satten Selbstzufriedenheit fern halten, der wird ringen und streben, bis das Buch, der Licht bringer, auch in die untersten Volksschichten gedrungen sein wird. Ich hatte auf die zum Nachdenken stimmende Tatsache hin gewiesen, daß das moderne Warenhaus zu einem scharfen Kon kurrenten des Buchhandels geworden ist. Herr vr. Reitzer nimmt diese Tatsache einfach hin. Es sei dem Buchhandel da bei nicht anders ergangen als anderen Handelszweigen, etwa dem Modewaren- oder dem Spiclzeughandel. — Verzeihnng, ich glaube nicht, daß man in diesem Sinne den Buchhandel mit dem Spielzeughnndel in einem Atemzuge nennen kan». Wir fin den nichts dabei, wenn ein junges Mädchen, das drei Monate K74 hindurch Schirme verkauft hat, von morgen ab einige Wochen oder Monate hindurch Spielzeug und dann hinterher Lampen oder Schnurrbartdinden verkauft. Eine dieser Waren ist in ge wissem Sinne wie die andere. Das Buch aber nimmt eine Aus nahme-Stellung ein. Es ist kein Warenhaus-Artikel. Dennoch kausen Tausende und Abertausende ihre Bücher im Warenhaus. Herr vr. Reitzer irrt durchaus, wenn er die Leute, die ihr Weih- tiachls- oder Geburtstagsbuch im Warenhaus zu kaufe» pflegen, nur für Gelegenheitskäufer, nur für Laufkundschaft hält. Daß es sich dabei nicht um eigentliche »Bücherfreunde«, nicht um wahre Buchinteressenten handelt, ist selbstverständlich. Es han delt sich aber neben den Leuten, die ein Buch mitnehmen, weil es gerade daliegt, auch um solche, die sich daran gewöhnt haben, zu Weihnachten oder zu anderen Gelegenheiten einige Bücher zu kaufen. Gewiß hat der Buchhandel den Tausenden Gelegenheit ge boten, die Bücher im regulären Sortiment zu kaufen. Um diese Frage dreht sich der Streit aber gar nicht. Der Buchhandel bietet jedem Menschen »Gelegenheit«, Bücher zu kaufen. Man braucht ja nur hinein in den Laden zu gehen!! Es handelt sich um die Tatsache, daß das Warenhaus Tausenden das Buch zu bringen vermochte, denen der reguläre Buchhandel es nicht gebracht hat. Ich bedaure diese Tatsache, führte sie aber an als Beispiel da für, daß die ganze Zusammensetzung und Arbeitsort des Buch handels nur auf einen kleinen Bruchteil der Bevölkerung zu geschnitten ist. Die Massen, die ihre Bücher im Warenhaus taufen, würden nicht durch geistige Not zum Kauf veranlaßt. Hunger nach dem Buche sei nicht vorhanden. — Diese Auffassung beweist, wie un endlich fern mein Herr Gegner dem eigentlichen Problem noch steht. Es ist das Schlimmste an der geistigen Rot, daß sie der Notleidende nicht oder kaum spürt. Wen erst nach Wissen hun gert, der wird auch den Weg zur Befriedigung dieses Hungers finden. Leiden aber die Schichten nicht am schlimmsten unter geistiger Not, die gar nicht wissen, daß es jenseits von Werk stätte, Fabrikraum, Ladentisch noch eine Welt des Geistes, der Kunst, der Wissenschaft, der Schönheit gibt? Ist es nicht etwas Großes, nur einem Menschen das Auge für diese Welt zu öffnen? Es handelt sich aber nicht um einen Menschen, son dern um viele Millionen. Mein Herr Gegner ist anscheinend zufrieden, wenn der Bücherfreund, der ein Buch kaufen will, gut und sachverständig beraten und bedient wird. Ich sehe die Millionen, die gar nicht oder kaum aus den Gedanken kommen, ein Buch zu kaufen, die nicht wissen, daß es eine sachverständige Beratung gibt, kurz, die dem Büchermarkt vollständig fremd gegenüberstehen. Dafür, daß diesen Massen das Buch gebracht werde, trete ich ein. Möge man mir einen anderen als den von mir borgeschlagenen Weg zeigen! Herr vr. Reitzer weiß einen anderen Weg nicht. Herr vr. Reitzer sucht den Grund für die geistige Not in der wirtschaftlichen Not. Es würde mir als einem Vertreter der Arbeitnehmer schlecht anstehen, ihm glatt zu widersprechen. Selbstverständlich wird sich der Hungernde, wenn er 5V Pfennig hat, lieber ein Brot als ein Buch kaufen. Ich mache es ebenso, wenn ich Hunger habe. Die wirtschaftliche Not und die geistige Not stehen in ursächlichem Zusammenhang. An dieser Binsen wahrheit hat meines Wissens noch niemals ein Mensch ge zweifen. Wenn aber Herr vr. Reitzer zu dem Satz gelangt: Wenn wir der geistigen Not ernstlich an den Leib rücken wollen, dann heißt es zunächst die materielle Not nach Kräften zu be kämpfen«, so scheint mir das nichts anderes als ein Ver zicht auf jede Tätigkeit zu sein. Wie können wir paar Buch händler die wirtschaftliche Not der Millionen bekämpfen? Hun derttausende arbeiten in Politischen und gewerkschaftlichen Ver bänden an der wirtschaftlichen Hebung der Massen. In hundert und tausend Stndicrstuben ringen tüchtige Köpfe mit der sozia len Frage. Wer aus unseren Reihen den Beruf dazu in sich fühlt, mag gern helfen. Aber darüber sind wir uns doch alle klar: eine Hebung der wirtschaftlichen Lage der Massen läßt sich nur ganz allmählich erreichen. Wollten wir bis dahin den Versuch der Durchdringung der Massen mit dem Buche auf schieben, so wäre das eine Vertagung aus den St.-Nimmerleins«
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