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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.06.1914
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1914-06-02
- Erscheinungsdatum
- 02.06.1914
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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Redaktioneller Teil. ^ 124, 2. Juni 1914. Jüngst kam mir einmal wieder eine Nummer der Buch- Hündlcr-Warte vor Augen. Seit Jahren hatte ich keine mehr ge sehen. Da fand ich alte Bekannte, nämlich Anstel lungs vertrag, Mindest lohn, Überstundenlohn, Ableh- nung jeglicher Stellung mit Wohnung und Kost im Hause des Prinzipals usw., alles aus der Rüstkammer der Sozialdemokratie übernommen. Es mag schon sein, daß es einige Riesenbetriebe im Buchhandel gibt, bei denen das Verfahren angewandt wer den kann, allein das dürfte eine verschwindende Minderheit sein. Aber die ganzen Forderungen scheinen mir an einem Widerspruch in sich zu leiden. Wenn schon ein Mindestlohn und Überstundeu- lohn gefordert wird, kann doch von einem Monats lohn nicht die Rede fein, sondern es müßte ein Stunden lohn vereinbart werden. Der Stundenlohn würde natürlich nicht zu zahlen sein bei Versäumnissen, wie Zuspätkommen, bei früherem Fortgang des Abends zwecks Theaterbesuchs oder aus anderen Gründen, bei Erkrankungen, bei Beurlaubungen, bei militärischen Übungen usw. Auch Weihnachtsgeschenke und dergleichen fielen weg. So wird es meines Wissens bei den gewerblichen Arbeitern gehalten. Ich würde mich natürlich nie auf einen solchen Vertrag einlassen, der notwendigerweise zur Tagelöhnerei führen muß, sondern nach wie vor nur Gehilfen suchen und hoffe, auch stets solche zu finden. Was nun die sogenannte freie Station anbelangt, so kenne ich diese auch aus eigener Erfahrung, habe sie aber nicht als menschenunwürdig empfunden. Das war zwar schon im Jahre 1872, als die ganze Welt nach der Meinung gewisser Leute noch sehr rückständig aussah; beiläufig, manche Menschen behaupten von mir, ich wäre aus dem rückständigen Zustande überhaupt nicht herausgewachsen und mögen darin auch nach bestimmten Seiten hin recht haben. Als ich im Mai 1872 von Kassel aus zu Elwert in Marburg ging, war ich zwar noch nicht 21 Jahre alt; aber das Sturmjahr des Krieges, das mir bei allem sonstigen Zwang doch Gelegenheit zu selbständigem Handeln Not und Tod gegenüber genug gegeben hatte, lag hinter mir. Ich konnte beanspruchen, als Mann gewertet zu werden. Bei Elwert gab es nun, es ist schrecklich zu sagen! noch nicht einmal ständig einen Hausschlüssel; wenn mau ihn haben wollte, mußte man ihn sich besonders geben lassen. Ich habe das durchaus nicht als unwürdig empfunden, es Paßte ganz zu den Verhältnissen der kleinen Stadt, ich fühlte mich sehr Wohl dabei und wurde gar nicht erholungsbedürftig. In der modernen Großstadt wird man kaum einem Gehilfen freie Station anbieten, in der kleinen Stadt soll er sie ruhig annehmen; er wird sich wahrscheinlich sehr Wohl dabei fühlen. Man ver gleiche übrigens, was Klagelieder 3,27 geschrieben steht; das ist zwar sehr, sehr rückständig, aber doch wahr. Der alte NoaGottfried Elwert war eine merkwürdige Erscheinung, im Geschäft einfach unausstehlich, bei den Mahl zeiten ein heiterer Gesellschafter, der voller Schnurren und Witze steckte. In den ersten 8 Monaten bei ihm lernte ich 7 Gehilfen neben mir kennen und war trotzdem noch lange Wochen allein. Es konnte nicht jeder Koseworts wie z. B. dieses: »Buchhändler wolle Se sin? — aufs Abtritt Hinsitze, das könne Se!« (Elwert stammte aus Reutlingen) vertragen. Notabene, mir sind solche Worte nie an den Kops geflogen, ich kam verhältnismäßig gut mit dem Alten aus, weil ich schon frühzeitig gelernt hatte, auf die Eigenheiten alter Leute zu achten und sie zu beachten. Eigen artig war die Geschäftsführung. So packte Elwert die regel mäßigen Ballen nach Leipzig, die L conditions-Auslieferungeu des Verlages, höchst eigenhändig. »Johann, rüsten Sie zu, wir wollen einen Ballen packen!« Johann legte mitten in dem Laden — der lag nach hinten hinaus, der Vorderseite des Hauses konnte kein Mensch ansehen, daß dort eine Buchhandlung betrieben wurde — kunstgerecht die Ballentaue aus, ebenso die Pappen darüber und sonderte die Pakete nach ihren Größen. Wenn dann Elwert vom Frühstück wieder herunterkam, brachte er die 2 Stun den bis zum Mittagessen damit hin, den Ballen so aufzusetzcn, daß nirgends eine Ecke vorsprang, alles schnurgerade Linien. Johann mußte daun den Ballen schnüren. Eines Morgens ging Elwert auch zum Frühstück hinaus, um hernach den Ballen zu packen. Aber ein flinker Gehilfe packt in der halben Stunde den Ballen schön auf. Elwert kommt herunter, bleibt zunächst sprach los in der Tür stehen, daun schießt Zornesröte über sein Gesicht, und mit den Worten »Wer hat denn den Eselshaufen dahin ge setzt!« stößt er mit einigen kräftigen Fußtritten — Elwert war körperlich ein Hüne, Wohl an 2 m hoch — den Ballen auseinander, »m ihn darauf in 2 Stunden wieder auszubaucn. — Wenn ich später in Kollegcnkreisen erzählte, ich wäre 1^ Jahre bei Noa Gottfried Elwert gewesen, so hat mir das niemand glauben wollen. Es ist aber doch so, ich habe sogar dein kinderlosen Witwer am 6. November 1873 die Augen zugedrückt. Seitenlang könnte ich Schnurren von ihm erzählen, aber wer weiß, ob der lockere Plauderton in den Spalte» des ernsten Börsenblatts an gebracht ist und gern gesehen wird! Im Börsenblatt ist jetzt viel die Rede gewesen von Ver lusten bei Schulbüchern, von Schulbllcher-Rück nähme und dem, was damit zusammenhängt. Ja, es ist ein arges Ding geworden mit dem Schulbüchergcschäft, Verluste bringt es in Masse. Ebenso schlimm wie mit den neuen Auflagen schätze ich das übel mit den Parallelausgaben ein, durch die kaum noch ein Mensch sich durchfinden kann, am wenigsten leider die bestellenden Kinder, bzw. deren Eltern. Früher konnte noch e i n Mensch ein Schulbuch schreiben, heute wird meistens eine literarische G. m. b. H. die Ausdeutung der Abkürzungen überlasse ich jedem Leser — dazu gegründet, die dann die Sonderausgaben für die einzelnen Kreisstädte oder Dorfschulen wieder noch Unter-Unter nehmern überträgt. Wohin soll diese Vielgestaltigkeit noch füh ren? Ich glaube, es gibt Schulbücher, die mehr Ausgaben und Teile haben, als der breitgeästete Lindenbaum vor meinem Fenster Zweige hat. Ich kann nicht annehmcn, daß diese Viel gestaltigkeit einem Herzcnsdrange oder gar einer nüchternen ge schäftlichen Kalkulation der betreffenden Verleger ihr Dasein ver dankt. Vielmehr sehe ich den Grund in der Schwäche gegenüber verstiegenen pädagogischen Anforderungen, in der Sorge bei Verfassern und bei Verlegern, daß, wenn sie nicht dem vielleicht nur vereinzelt geäußerten Wunsche auf irgend eine Abänderung Nachkommen, eine Konkurrenz sich sogleich einslellen könnte. Des halb, meine ich, ist es Sache der Schulbehörden, für mehr Stetig keit und Einfachheit zu sorgen, und nach der Richtung hin müßten die stetigen Bemühungen des Buchhandels, die von der Eltern schaft gestützt werden, cinsetzen. In diesem Sinne hatte der Ham burg - Altonaer Buchhändler-Verein eine etwas geharnischte Eingabe im vergangenen Herbste an die hiesige Oberschulbehördc gerichtet, und in gekürzter Form zugleich durch die Presse ver öffentlicht. Auch an dieser Stelle ist sie bekanntgegeben worden (1913, Nr. 279). Etwas Erfolg ist schon zu verspüren gewesen. Wenigstens ist die aufpeitschende For derung »Es darf von jedem Buche nur die neueste Auf lage gebraucht werden«, die ans manchem Schulbüchcr- zettel gedruckt stand, verschwunden. Die Behörde hat viel mehr Anweisung gegeben, daß ältere Auflagen nur zurückgewicsen werden dürfen, wenn wirklich starke Veränderungen vorliegen. Damit ist jedoch die nervöse Nene-Auflagen-Sucht der Schuljugend nicht mit einem Mal beseitigt; die kann erst nach und nach aus geheilt werden. Aber, aber die Privatschulen, von denen wir in Hamburg besonders viele für Mädchen haben! Es ist einmal, irre ich nicht, ein Buch unter dem unhöflichen Titel erschienen »Vom physiologischen Schwachsinn des Weibes«. Sollte der Verfasser des Buches doch recht haben? — So sehr übrigens das Entgegenkommen einzelner Schulbllcher-Verleger dankend aner kannt werden muß, ebenso ist die Härte anderer bei Rücknahme- Gesuchen zu beklagen. Von der Schulbücher-Rücknahme komme ich zur Schul büch e r - R e k l a m e. Ich unterhalte seit 3 Jahren eine Filiale in dem hiesigen Stadtteil Eppendorf. Mein Geschäftsführer hatte an die Eltern der Schüler der dortigen Oberrealschnle vor Ostern eine gedruckte Empfehlung für Schulbücher-Einkäufe verschickt, eine sicher nicht zu beanstandende Maßregel. Darauf erhielt ich einen Brief, der nach Feststellung dieser Tatsache fortfährt: »Ich habe nun in der lebten Zeit verschiedentlich gehört, daß Sie antisemitischen Bestrebungen besonders sympathisch gegeniiberstehen. Wenn dies wahr sein sollte, so bin ich es meiner Selbstachtung als Jude schuldig, von Ihnen keine Bücher zu beziehen, und andererseits werden auch Sie keinen Wert daraus legen, an Juden zu liefern. Ich bitte Sic, mir deshalb mitzuteilen, ob das Gerücht, das mir zu Ohren gekommen ist, aus Wahrheit beruht. Ich bitte um eine offene Ant wort, ohne Rücksicht aus geschäftliche Interessen.«
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