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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1934
- Strukturtyp
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- 1934-01-15
- Erscheinungsdatum
- 15.01.1934
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- Deutsch
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146 jhir 12, IS. Januar 1934. Fertige Bücher. Börsenblatt f. Ü.Dtschn.Buchhandel. <kin Diplomatenleben Ein soeben erschienenes Buch von Karl Graf von Pücklcr „Aus meinem Diplomatenleben"') hebt sich wesent- lich von der großen Zahl der Erinnerungswerke ab. Die Ereignisse gruppieren sich nicht um di« Person des Ver fassers, sondern der Verfasser zeigt aus seinem wechselreichen Leben die Aussichtspunkte, von denen aus er die Ereig nisse der großen Politik seit den achtziger Jahren des «origen Jahrhunderts gesehen hat. Seine Person tritt dabei zurück. Er will nur der Sache, d. h. dem Vaterland«, dienen. — — — Es spricht zu uns einer der wenigen noch lebenden Diplomaten der Bismarckschen Schule, der, wie kaum einer, mit den Gedankengängen des großen Kanzlers vertraut ist. Die Sprache aber, die er führt, zeugt nicht nur von klarer Erkenntnis außen politischer Dinge, sondern auch von einer Kultur des Geistes und des Herzens, deren Höhe wohltuend berührt. Damit hängt ein hervorstechender Zug seines Wesens zusammen: so oft Graf Pückler in entschiedener Weise sachlich Stellung nimmt, wählt er doch in keinem Falle das billige Mittel des Effektes, den anderen Teil in irgend einer Weise persönlich herabzusetzen. — — — Der gleichen Fähigkeit, in der Seele des Gegners zu lesen, entspringt für die Dinge im großen Graf Pücklers Betrachtungsweise außenpolitischer Lagen. Er geht aus von dem, was sich der Gegner denkt, und mißt hieran die Er füllbarkeit eigener Wünsche. Das hat nichts zu tun mit pazifistischer Weichheit. Im Gegenteil, der ungeschriebene Grundsatz, daß eine starke Wehrmacht den Rückhalt der Außenpolitik bildet, ist nirgends in Frage gestellt. Wer aber sich in die Lage des Gegners hineinzusetzen vermag, erkennt eher die Vereinbarkeit scheinbar auseinandergehender Inter essen, weiß eher Besorgnis und Mißtrauen zu unterscheiden. Daraus wieder ergibt sich die grundsätzliche Auffassung des Grasen Pückler vom Berufe des Diplomaten: er soll in erster Linie suchen, in dem Lande, in dem er wirkt, Vertrauen zu gewinnen. Wenn aber bei uns weidlich geschimpft wird über das Versagen der Diplomatie in den Vorkriegsjahren, so zeigt gerade das vorliegende Buch, wie wenig im allgemeinen der Wirkungskreis der Diplomatie bekannt ist. Ihr schiebt man alle Mißerfolge der deutschen Außenpolitik zu. Aber die großen Entscheidungen in der äußeren Politik trifft in Wahrheit gar nicht die Diplomatie, sondern die zentrale Leitung in Berlin. Der Diplomat vermittelt den Verkehr mit dem Auslande, er ist das Hör- und Sehrohr seiner Regierung, er gibt ihr Anregungen, aber die Regierung entscheidet. Wie wäre wohl der Gang der deutschen Außenpolitik gewesen, wenn sie sich in der Richtung von Anregungen be wegt hätte, die den im vorliegenden Werk vertretenen Auffassungen entsprechen? Mancher wird denken, daß hinterher sich vieles sagen läßt. Aber gerade dem entgegen liegt die Stärke des Buches in einer Reihe von Äußerungen, die ur kundlich bewiesen, das Gesamtbild als untrüglich erscheinen lassen und ein« Bereicherung für die Quellen der Geschichte bilden. - - — In hohem Grade reizvoll sind die Bilder, die der Verfasser von den verschiedenen Städten seiner Wirksamkeit zeichnet. Dem sonnigen Leben voll ungemein reicher Anregung in Wien folgt eine ernste Zeit in St. Petersburg. Hier hört er schon im Jahre 1888, wie ein ihm bekannter Russe von seinen Landsleuten sagt: „jetzt ist dieieS Volk noch im Traumzustand. Aber wehe, wenn eS einmal erwacht". Hier in Petersburg, wo er >888 bis 1840, später >845 und >400 weilt, gewinnt Graf Pückler sein Urteil über das Verhältnis Deutschlands zu Rußland, das er jetzt in die Worte kleidet: „An der Täuschung über Rußland ist die Politik des Kaiserreichs gescheitert." Einem nur sechswöchigen Auf enthalt in Madrid folgt die Versetzung nach München, wichtig, weil der dortige Gesandte Graf Philipp Eulenburg durch seinen Dienst beim Kaiser vielfach seiner Münchener Gesandtenstelle entzogen war. In diese Zeit fällt der begeisterte Empfang Bismarcks durch die Münchener Bevölkerung. Wohl die an Eindrücken reichste Zeit ist die in Rom verbrachte. Sie gibt Aufschluß über die Rückwirkungen der damals beginnenden Reibungen zwischen England und Deutschland auf das Verhältnis zwischen Deutschland und Ita lien. Dem Aufenthalt in Rom mit seiner anregenden und geistreichen Geselligkeit folgt ernste Arbeit in London, wo es zunächst gilt, persönliche Fäden zu knüpfen. Nicht ohne innere Bewegung liest man, wie die Reichsregierung die Ver ständigung mit dem Jnselreich verpaßte, führt doch der Verfasser aus, daß schon im Jahre 1884 da« Verhältnis Eng lands zum Dreibund dem einer Quadrupel-Allianz sehr nahe kam, daß zu des Verfassers Zeit in London dem deutschen Kaiser von der Londoner Bevölkerung ein Empfang bereitet wurde mit Huldigungen, wie sie nie einem fremden Herrscher glänzender zuteil geworden sind. Und das war nach dem Krüger-Telegramm! Ein englischer General aber sagte ge legentlich einer Einladung, indem er mit Pückler anstieß: „Sie haben die Armee, wir haben die Flotte, lassen Sie uns Freunde sein." Als Gesandter in Stockholm hörte er aus dem Munde von Engländern die Worte: „Ihr konntet uns ja so leicht haben" und „mit dem Kaiser uns zu vereinigen, halten wir sehr wohl für möglich. Mit Bülow werden wir nie wieder einig werden. Denn wir trauen ihm nicht." In der gleichen Zeit sprach zu ihm der schwedische Minister des Äußern, Gras Taube, nach einem Besuch deutscher Zeitungsvertreter: „Sie haben sich von der Herzlichkeit der Ge fühle der Schweden für da« Deutsche Reich überzeugen können. Es steht nichts im Wege, die Bande noch enger zu knüpfen." Freilich setzte das bei dem Interessengegensatz zwischen Schweden und Rußland ein freundschaftliches Ver hältnis Deutschlands zu England voraus. Zwischen London und Stockholm lag das stille Luxemburg. Hier war „Geben seliger denn Nehmen". Wer den Verfasser des Buches kennt, weiß, daß er ein hochbegabter Künstler ist. Aber es dürfte in der Geschichte der Diplo matie einzig dastehen, daß ein aktiver Gesandter nicht nur zugleich ausübender Künstler ist, sondern außerdem noch einen auserlesenen und aufmerksamen Kreis von Hörern um sich versammelt, dem er die Meisterwerke deutscher Literatur vor- trägt. So wird denn auch der Verfasser in seinen gesamten Erinnerungen jener zweiten Seite seines Wesens gerecht, der Kunst, zu deren „alles veredelnde» Höhen" er im Dienste der Menschheit möglichst viele emporzuzi-hen wünscht. Geh. Regierungsrat Or. Helfritz, Schweidnitz, Verlag L. Heege, 1934, L32 S. Geh. 4,—, geb. 3,— RM. Aus der „Schlesischen Zeitung" Nr. 7, I4ZZ.
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