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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.01.1934
- Strukturtyp
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- 1934-01-09
- Erscheinungsdatum
- 09.01.1934
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Nr. 7 <N. 4). Leipzig, Dienstag den 9, Januar 1934. 181. Jahrgang. ReÄMLoueller Teil Die Kulturbedeutung des deutschen Buches.*) Bei der feierlichen Eröffnung der Reichslulturkammer hör ten wir von Ui. Goebbels den Satz: »Kultur ist der höchste Aus druck der schöpferischen Kräfte eines Volles», Von den mannig fachen Deutungen und Bestimmungen, die der Kulturbegrifs ge funden hat und auch immer wieder finden wird, haben wir in diesen, Satz wohl die umfassendste zu sehen, da sie jedem Gebiet und jedem Zweig kulturellen Schaffens und Lebens Raum läßt; und da sie alles ausschließt, was wirklichem Schöpfertum sern- steht und sich nur als Erzeugnis könnerischer Fertigkeiten dar stellt, Kultur nennen wir also den aus der Arbeit eines Volkes sder Sinn, in dem wir das Wort Arbeit hier gebrauchen, bedarf heute keiner Umschreibung mehr) im Zusammenwirken aller seiner »schöpferischen Kräfte« gewonnenen Reichtum an tagübcrdauern- den, zukunftbauenden Gütern des unablässig schassenden Geistes und der unablässig Geschaffenes empfangenden und ausnehmenden und damit erst zu wirklichem Kulturbesitz umwandelndcn Seele dieses Volkes, Kultur wird noch nicht allein dadurch, daß schöpfe rische Leistung aus völkischem Lebens- und Wesensgrunde, aus Volkstum, also Blut und Boden, Rasse, geschichtlicher Überlie ferung herauswächst, Kultur, oder sagen wir in diesem Falle besser: zu einem Kulturgut ist solche schöpferische Leistung erst in dem Augenblick geworden, in dem das Volk sie ausgenommen hat oder zu ihrer Aufnahme bereit geworden ist — alles andere ist Zivilisation, Lebensgenuß statt Lebenssteigerung, auf den Ein zelnen wie auf die Gesamtheit gesehen. Der herrlichste gotische Dom wäre, wenngleich eine weitausgreifende, himmelstürmende Gottsehnsucht ihn erbaut hätte, nur eine genial errechnete und kühn gewagte Konstruktion, wenn er nicht die Seele einer sich Volk nennenden Lebensgemeinschaft mit himmelan risse, und wenn nicht in seinen von farbigem Schweigen durchfluteten Räu men die Seele der Menschen einginge in die schauernde Andacht der Betrachtung ewiger, göttlicher Dinge, Der Jubelklang der mächtigsten Orgel wäre nur Schall und Getön, wenn er nicht die Gemeinschaft der ihrer selbst vergessenden Ergriffenen zusam- menzwänge im jauchzenden Erleben ihrer Erlösung von aller irdischen Schwere; und das leise, zitternde Klingen eines Volks liedes auch wäre nur ein wärmelos funkelnd Vergängliches, wenn in seinem Schluchzen nicht der Letzte eines Volkes alle Qualen, und wenn in seinem Singen nicht der Letzte eines Volles allo Wonnen seiner eigenen Seele, Ton und Wort geworden, ver nähme. Es scheint nur, als ob das, was wir hier aussprechen, Selbst verständlichkeiten seien; denn wiewohl heute niemand mehr die Forderung nach schicksals-, blut- und artmäßiger Bindung jeder kulturschaffendcn Tätigkeit ernstlich zu verneinen wagt, so sehen wir doch da und dort das Spiel gelösten Könnens, das, da sein Ursprung das Ausweichen vor jenen Forderungen nicht mehr zuläßt, sein Ziel sieht im Aufgenommenwerden von »Kreisen», die dem Volk das Recht und die Pflicht zu schöpferischem Wirken und Empfangen verfremden möchten. Wir betonen: Es gibt heute keinen »Kreis», keine Schicht der Nation, die ein Vorrecht hätte auf kulturelle Leistungen irgendwelcher Art; ausschließt von ihnen sich nur tätig und anteilnehmend — wer es ablehnt, sich und sein Volk außerhalb der materiellen Existenz zu erleben. *) Der Aufsatz ist zuerst in der Dezember-Nummer der »Süd deutschen Monatshefte« erschienen. Damit wäre gesagt, was an Grundsätzlichem vorauszu- fchicken war, wenn von der Kulturbedeutung des deutschen Buches die Rede sein soll; des deutschen Buches, da auch wir einer mensch-> heitlichen Lebensaufgabe nur dienen, wenn wir die unserem Volk gestellte im Daseinsraum unseres Volkes erfüllen. Von allen Kultur tragenden, Kultur deutenden und Kultur vermittelnden geistigen und seelischen Gütern eines Volkes ist das Buch das umfassendste und am meisten einschließende. Der unablässig strebende und schaffende Geist eines noch jungen und zukunfts- trächtigen Volkes ist überall tätig, wo noch von einem Menschen die Sprache dieses Volkes gesprochen und gehört wird; aber in wieviel tausend und abertausend Fällen bliebe nicht Geschaffenes, Wirklichkeit , gewordenes Bemühen, Tat gewordene Leistung ein sam, wenn nicht vom Ort ihres Schöpfers die Kunde dränge überall dorthin, wo ihre Sprache von einem Menschen noch als seine Sprache vernommen würde, und wo im Zusammenhorchen aller eine Menschengemeinschaft sich als Volk erlebt, im Bewußt sein ihrer Schicksalszusammengehörigkeit und im ahnenden Er schauen des Sinnbildes seiner eigenen Art und Gestalt, Von kühlen und glühenden Dingen müßte hier geredet werden, vom Erdenken und Erbeuten des magischen Wunders der Lösung un entwirrbar scheinender mathematischer Zahlenrätsel, wie von der einfältigen Inbrunst einer Glasmalerei, einer Liedstrophe, eines Märchens oder von der stummen Kunde eines aus hartem Stein nachgesormten Menschenantlitzes, Wer jedoch trüge die dauernde Kunde von all dem weiter, wenn nicht das Buch, das deutsche Buch, da wir hier nur vom deutschen Kulturgut sprechen wollen? Wir sagen: Die dauernde Kunde, denn wir wissen wohl um die geflügelteren Schrittes vorauseilende Kunde, die uns Zeitung und Rundfunk davon über bringen, Doch beide dienen nur rascher Unterrichtung; der ge hetzte Mensch unserer Zeit überfliegt, nimmt Bruchteile vielleicht davon auf und vergißt; er hört an, aber im Anhören schon ent gleitet ihm oft das Wesentlichste, da die Periodik des ihm so Ge botenen ihn unsre! macht, während im Buch — wir meinen: im wesentlichen Buch — alles zu jeder Stunde ihm bereit liegt. Freilich zeichnen wir mit diesen Worten nach beiden Seiten extreme Zustände, aber wir unterschätzen nicht den Grad ihrer wahrscheinlichen Tatsächlichkeit, wenn wir uns flüchtig dessen er innern, wie wir heute Zeitungen zu lesen gewohnt sind, und wie wir in den wenigsten Fällen allein sind mit dem eingeschalteten Lautsprecher, in den meisten Fällen aber noch Zeitung lesend, noch uns mit Dritten unterhaltend, nur Durchgangsstelle unruhig wechselnder Eindrücke! Die Kulturbedeutung des Buches erhellt daraus wohl am besten, daß unsere äußerlich so sehr dem Tempo versklavt er scheinende Zeit der Magie buchmäßig festgehaltener kultureller Wirklichkeiten sich keineswegs zu entziehen vermag. Auch die Rede wird, !m Saal, in der Halle, aus dem Platze, am Laut sprecher mit williger Bereitschaft rasch und freudig ausgenommen, weiterwirkende geistige Tatsache erst dann, wenn sie, ins Buch gebannt, jeder Zufälligkeit ferner gerückt ist; sie wird dort, wo sie zündete, währende Flamme erst dann, wenn sie, ins Buch ge bannt, ein dauerndes Schüren der einmal entfachten Glut zu läßt, Wir sagten schon: An tausend Orten werden von tausend schaffenden Geistern Kulturgüter erzeugt, aber die nicht verstum mende Kunde davon wird, aller Entfernung spottend, im Buch hunderttausendsach weitergetragen. 21
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