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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.03.1930
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- 1930-03-25
- Erscheinungsdatum
- 25.03.1930
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71, 25. März 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. inan die Jugend gar nicht früh genug daran gewöhnen, gute Bücher zu lesen und Ersparnisse in guten Büchern anzulegen. Das halbe Deutschland seiner Generation sühle den tiefen Riß zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Generation, die 30 Jahre jünger sei als die seine, sei ausgewachsen in der Kriegs zeit und darnach verhetzt worden. Die Hoffnung sei aus die kom mende Generation zu setzen, auf die Generation, die heute jung ist, die Vergangenheit nennen wird, was wir heute Gegenwart nennen, und die eine andere Einstellung haben wird als wir. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß das, was von zahlreichen Stellen getan ist, guten Erfolg hat und daß manches Samenkorn gelegt wird zum Segen für die deutschen Schriftsteller, die deut schen Verleger, Buchhändler, Drucker und für die deutsche Jugend. FrankThics sprach über das Thema »Buch und Leben». Die Reichskundgcbung für diesen Buchtag sollte eigentlich zu einer gehobenen Stimmung verpflichten, doch würde er in dieser Richtung vielleicht enttäuschen, denn er spräche als Vertreter der Schriftsteller, seiner Zunft, um die es heute nicht zum Besten steht. Das Buch verkörpere ein merkwürdiges Stück Wirtschafts leben. Es komme zwar auf den Markt, wie jede andere Ware und sei käuflich wie diese, doch gleich nachdem cs gekauft ist, enthülle es seinen wahren Charakter und beginne, eine neue wechsclvollc Rolle zu spielen. Der Käufer des Buches bezahle nur das, was das Buch scheinbar ist. Mau kaufe es nicht wie jede andere Ware, Fische und Hüte. Man müsse Vertrauen zu ihm haben, und indem man auf Treu und Glauben ein Buch kaufe, übernehme man ein Risiko. Wer aber bezahlt das Risiko? Nicht der Käufer, dies sei ein Irrtum, das Risiko bezahlt der Verfasser. Der Leser müsse wissen, daß er als Käufer einen Gegenstand erhalte, von dem nur der Herstellungspreis abgegoltcn ist. Es gäbe Bücher von höchster Qualität, die so gut wie gar nicht gekauft würden, weil das Publikum der Meinung sei, sic seien für das Risiko des Nichtgefallcns zu teuer. Es kann sich das Buch nicht wie eine Grammophonplatte Vorspielen lassen, kann cs nicht in 5 Minuten lesen und hören. Es sei die ewige Tragödie des Buches, daß es als Ware zur Welt komme. Nur das Buch als solches sei ein wirtschaftlicher Artikel, nicht aber das Werk. Der Leser kaufe das Buch, aber er suche das Werk im Buche. Der Prozeß von Hirn zu Hirn, von Herz zu Herz, vermittelt durch Papier und Druckerschwärze, sei ein Wunder. Genüge es aber, daß das Buch gedruckt und an das Publikum verkauft werde? Wenn dies der Fall wäre, so wür den die Schriftsteller ein leichtes Leben haben. Wie selten aber geschähe es, daß der Leser von einen, Buch er griffen werde. Das Buch würde heute meistens zum Amüse ment und der Sensation wegen gekauft, denn das große Publi kum sei auf Bequemlichkeit und Unterhaltung eingestellt. Weil man nun beides viel leichter und bequemer durch das Kino erhalte, so ziehe man dieses vor. Nicht das Kino habe das Buch verdrängt, sondern der Leser habe es zuerst aus sich selbst ver drängt. Er verlange Unterhaltung als Lcbensersatz. Dichtung sei dagegen nie mit Unterhaltung identisch. Ihre Feinde wären Kitsch und literarischer Intellektualismus, beides Lebenscrsatz- fabrikate. Nicht aus der Marktlage erwachse die Not des Buches, nicht aus der wechselnden Konjunktur, sondern der Mensch selbst schaffe sie, der Hören und Sehen verloren habe. Er sehe nur die Maske der Welt und nicht durch sie hindurch das Leben. Wie solle nun in diesem verhängnisvollen Prozeß dem guten Buch geholfen werden? Dies könne nur durch die Jugend geschehen, durch die Jugend, die das Leben sucht. Sie lehne jede Bequem lichkeit ab. Nun beklage nian sich, daß die sportliche Jugend buchabgcwandt sei. Dies komme wohl daher, weil sic im Sport doch mehr Leben fände als in den Büchern unserer Tage. Sie finde in ihnen nur allzu häufig nicht das Leben, das sie suche, sondern den Kitsch, den sie ablehne. Die Jugend habe auch nicht die Geduld, wertvolle Bücher, die wahres Leben enthalten, mühe voll zu entzaubern. Die Jugend müsse sich aber an die Aufgabe heranwagen, das Wertvolle aus dem Unkraut herauszusinden. Es sei zu hoffen, daß die Jugend diese Aufgabe lösen werde. 282 Juliana von Stockhausen wandte sich gegen die Auffassung, daß die Heranwachsende Generation keinen Sinn mehr für das stille Daheimsitzen bei einem guten Buche hätte, daß hundert andere Dinge sie vom Alleinsein mit dem Kunstwerk weglockten, oder daß gar die Seele des jungen Menschen sich geändert habe und nicht mehr nach Stille und Beschaulichkeit verlange. Die sich bildende Seele hungert und dürstet nach dem Schauer der geistigen Empfängnis. Die Jugend aller Stände hat sich die Sehnsucht ihres Geistes bewahrt, ganz einerlei, ob sie in der Gebundenheit eines nationalen, internationalen, marxistischen oder christlichen Milieus heranwächst. Selbst wenn die Kinder des Reichtums heute mit einer gewissen blutleeren Blasiertheit auftrctcn, so möchte man doch die Hand aus ihr Herz legen, um es pochen zu fühlen, und in ihre Augen sehen, wenn der erste Schimmer der eigenen Liebe ihr Herz berührt und der Dichter zu ihnen spricht. Laßt die Kinder, die man in der strengen Liebe und dem heiligen Pflichtgefühl dem Vater land gegenüber aufgezogen hat — vielleicht einseitig, vielleicht zu begrenzt —, die unsterblichen Lieder unserer Freiheitsheldcn lesen, dann ist alles Enge und Einseitige hinweg und sic sind Deutschlands Kinder aus dem Blute seiner Helden. Welche Sehnsucht ist in den jungen Studenten und Studentinnen, die viele Entbehrungen tragen, und wie sind sie beglückt, wenn ihre lebendige Seele gesättigt wird. Da sind solche ohne Heimat und Vaterland und ohne Gott. Gesegnet aber sind die, die den Weg finden zu den großen Dingen unseres Lebens. Sie zu erfühlen, ist unsere schöne und gute Pflicht. Nur wenige Menschen haben die Härte, ein Kind zu kränken, das Wachstum seines jungen Lebens zu unterbinden; aber später, wenn das junge Wesen heranwächst, eckig in Art und Bewegung, dann kommen die Zeiten, in denen eine junge Seele verkrüppelt wird. Das Leben muß stark und mutig bis ans Ende getragen werden; wie aber sollen es die tragen, die, wie ein junger Baum von dem Druck des Windes, krumm und armselig verkrüppelt wurden, als ihre Seelen jung und weich waren. Die Familie ist das Urbild des Staates, das kleine Heim in der großen Heimat; in ihr soll dem Kinde ein Heimatsgefühl vermittelt werden, das später wachsend das Land umfaßt. Wie aber sollen Menschen, deren Jugend diese Emp findung versagt bleibt, in denen alles verwüstet ist von der Härte ihres Daseins, ein Staatsgcfühl, die Idee von einer Ration erhalten? Da stehen die jungen Leute, viel zu früh reif und viel zu früh mit aller Galle des Lebens gesättigt, in dieser verhetzten, verquirlten Lust und halten Ausschau. Welch ein zitterndes Glllcksgefühl muß cs dem Künstler sein, diesen Menschen den Weg zum religiösen Ethos, zur Verbunden heit mit dem Staat, zur Heimat zeigen zu dürfen. Es ist aber nicht leicht, ihnen den Blick für das Draußen zu öffnen für das, was wir Heimat nennen, das aufsteigt mit beglückenden Bildern. Unserer Großeltern Jugend sättigte sich am Glanz der Ro mantik. Noch unsere Eltern, ja auch wir selbst erlebten, den deutschen Wald mit Brentano, Stifter und Hauff. Aber da mals war Deutschland etwas anderes, als es heute ist. Die heutige Jugend hat ein Recht, zu verlangen, daß die Dichter heute den Ausdruck ihrer eigenen Zeit finden. Sie, die heute aus den Städten hinausströmt, sieht das Land nicht mit den Augen der Romantik; sie könnte auch mit den poetischen Be griffen, mit denen wir ausgewachsen sind, nichts anfangen. Das ist nun die Forderung an den Dichter, den Weg zu schassen, über den die Jugend zu ihrem Lande schreitet. Ihm fällt eine hohe Verantwortung zu. Es geht eine Bewegung durch die jun gen Menschen, eine religiös-sittliche Strömung treibt sie weg von den schalen Bechern einer Aufklärung, die das Ende des 19. Jahrhunderts seelisch ernüchterte. Zu gleicher Zeit sinkt das Kleid einer veralteten Gesellschaftsepoche, verfliegt aber auch schon der Taumel der völligen Auflösung, den die ersten Jahre nach dem Kriege brachten. Die Jugend steht im Begriff, ihren eigenen Stil zu finden; sie bewegt sich, oft noch tastend, aber von sehnsüchtigem Drang getrieben, auf einer neuen Ebene in eine neue, ihr eigene Zeit. Sie ist bereit, zu opfern und zu empfangen. Daraus ergibt sich auch für den Dichter, der der
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