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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.05.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1920-05-29
- Erscheinungsdatum
- 29.05.1920
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
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115, 29. Mai 1920. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Lisch», vuchbandel. Herzensgüte machte es meine Tante doch möglich, mich einige Nächte zu beherbergen. Nach etwa acht Tagen konnte ich dann zu meinem Wirt nach der Teltower Straße übersiedeln. Zum Ge schäft hatte ich einen Weg von ^Stunden, der morgens noch etwas länger dadurch wurde, daß ich den Geschäftsschlüssel aus der Wohnung meines Lehrherrn in der Kommandantenstraße abholen mußte. Leider starb die Gattin meines Wirtes bald, ich zog dann zu meiner Tante, und nachdem meine Mutter nach Berlin übergesiedelt war, zu ihr. Der mich zuerst begrüßende ältere Herr war Theodor Lemke, im Berliner Buchhandel als ehemaliger Verleger des »Haus freund« (Jllustr. Familienblatt) und Inhaber einer Zeitschrif- ten-Vertriebsstelle ziemlich bekannt. Seine Vertretung für das Bibliographische Institut in Leipzig hatte er augenscheinlich soeben erst abgegeben. Es lag nämlich noch ein Berg von den Ravensteinschen Karten dort, die damals in dem Verlage er schienen. Diese mit Daumen und Zeigefinger zu zählen, war meine erste Arbeit. Ach, es wollte mir gar nicht gelingen, denn meine Finger waren zu rauh und ungeübt. Zu Hause hatte ich alles (Buchen-)Brennholz für unsere Familie zersägen und zer kleinern müssen, auch allerhand andere hauswirtschaftliche Ar beiten zu tun gehabt, wobei die Hände Wohl abgehärtet, aber nicht geschmeidig geworden waren. Fritz Borstell, mein Lehrherr, war ohne Zweifel damals einer der bedeutendsten Buchhändler Berlins, dessen Rat von Freunden und Fremden sehr geschätzt und viel begehrt wurde. Die kleine Arbeitsstube war sehr häufig der Schauplatz wichtiger Besprechungen. Seine hervorragendsten Eigenschaften waren Zuverlässigkeit, Gewissenhaftigkeit, peinlichste Ordnungsliebe und Sparsamkeit im kleinen. Er konnte kein unbeschriebenes Blatt Schreibpapier wegwerfen, alles wurde zunächst glatt beschnitten und für gelegentliche Zwecke aufbewahrt. Da ich von Haus aus ähnlich geartet war, hatte er in mir einen verständnisvollen Lehrling gefunden. Dabei war er von wahrer Herzensgüte, voller Humor und von gewinnender Freundlichkeit. Freilich konnte er auch heftig werden, wenn seine Anordnungen nicht oder nur mangelhaft ausgeführt waren. Mit seinen Ansprüchen an die Arbeitskraft seiner Angestellten ging er mitunter wohl etwas zu weit. An einem der ersten Tage brachte ich meinen Schatz von 3 Talern nach der Städtischen Sparkasse, sodann kaufte ich mir am Mühlendamm eine Arbeitsjoppe für 1 Taler 20 Groschen, die zuerst allgemeine Bewunderung erregte, aber schon nach kurzer Zeit eine ganz unbestimmbare Farbe aufwies, sodaß ich an diesem ersten selbständigen Einkauf keine rechte Freude hatte. Das Mittagessen nahm ich zunächst in den damals neu einge richteten sauberen Volksküchen ein (s/2 Portion 10 H), manchmal auch, wenn ich mir etwas Besonderes leisten wollte, in einem andern Keller zu 21/2, 3, sogar 4 Groschen. Aber bald einigte ich mich mit meiner Tante, die mich an ihrem Mittagstisch teilnehmen ließ, und zwar mit Rücksicht auf meine Verhältnisse für 2^/2 Taler monatlich. Für Wohnung, Kaffee und Frühstück zahlte ich 6 Taler, sodaß mir für Abendbrot und andere Zwecke noch 4 Taler zur Verfügung blieben. In den ersten Monaten habe ich davon sogar noch gespart; aber später, zumal im Winter, wurde es mir reichlich knapp. Meine Arbeiten waren zunächst sehr vielseitig. Zuerst war der Laden sauber zu halten, wobei Besen, Wisch- und Staub tücher eine wichtige Rolle spielten. Wehe, wenn mein Lehrherr irgendwo ein Schnippelchen Papier auf dem Boden liegen sah! Nachdem ich das buchhändlerische ABC wirklich begriffen hatte, durfte ich an das Einordnen der Bücher gehen, was ich auch gut gelernt habe, denn es macht mir noch heute Pein, irgendwo den zweiten Band vor dem ersten gestellt zu sehen. Das Ordnen der Fakturen und sorgfältige Falten und Beschneiden nach einem angefertigten Blechdeckel mußte so genau geschehen, daß die obere und eigentlich alle Seiten bei den zusammengebundenen Paketen eine glatte Fläche bildeten. Freilich gab es auch Fakturen weit unter dem gewünschten Matze, von denen die allerkleinsten die Dhksche Buchhandlung in Leipzig hatte, nicht größer als ein Berlangzettel; die Schrift War dementsprechend nur für ganz gute Augen lesbar. Wie es kommt, daß auch heute noch viele Verleger nicht zu einer einheitlichen Größe ihrer Rechnungs- Papiere kommen können, ist mir unbegreiflich. Wieviel Zeit und Arbeit würde dem Sortimenter erspart werden! Auch die »laufenden« Geschäfte hatte ich zu besorgen, des Morgens nach der Bestellanstalt, die damals in einem Hinter hause an der Krausenstraße am Dönhoffsplatz sehr bescheiden eingerichtet war. Ein sehr häufiger, meist im Trabe abzu machender Weg führte durch die Spreegasse zu Bachmann nach der Holzgartenstraße. Unser Lager an gebundenen Bü chern war, wie das der meisten Buchhandlungen damaliger Zeit, ein sehr bescheidenes. Wurde nun etwas verlangt, was Bach mann in seinem Barsortiment hatte, so wurde der Käufer, falls er Eile hatte', am liebsten fo lange hingehalten, bis der Lehrling es vom »Lager« geholt hatte. Wenn allerdings die Brücke an der Schleuse aufgezogen war, konnte der Kunde lange warten. Von anderen Buchhandlungen wurde mit dem »Suchbuch« manches einzuholen versucht, meist allerdings nur von den in nächster Nähe befindlichen: Jul. Springers Buchh. (Max Winckelmann) am Spittelmarkt, Geelhaars Buchh. in der Breitenstraße, Wohl- gemuth in der Scharrnstratze u. a. m. Da Versuche, von den damals noch vorhandenen 6—8 Buchhandlungen Unter den Lin den etwas zu erhalten, meist fehlschlugen, wurden diese schließ lich geschnitten, so gern man sonst nach den »Linden« ging, weil hier doch meist etwas zu sehen war. Man bedenke, es waren die Kriegsjahre 1870/71. Wie es kam, weiß ich nicht, jedenfalls hatte ich Gelegenheit, wichtige Ereignisse beobachten zu können, so z. B. die'Rückkehr König Wilhelms nach der Kriegserklärung aus Ems, wiederholte Besuche des Kronprinzen, Bismarcks, Moltkes, Roons und anderer Heerführer und Fürstlichkeiten beim Könige. Am Morgen des 2. September war die Stadt in ungeheurer Aufregung, obwohl noch nichts Bestimmtes bekannt war. Als wir noch unschlüssig vor dem Geschäft standen, trat plötzlich Herr Borstell zu uns und trieb uns fort: »Worauf warten Sie denn noch? Heute wird nicht gearbeitet!« Im Galopp ging's nach den Linden zum Königlichen Palais. Hier hatte sich be reits eine riesige Menschenmenge angesammelt. Nach längerem Warten sahen wir die Königin Augusta auf den Balkon treten und die Depesche vorlesen, wovon wir natürlich nichts verstanden. Aber Hurra! haben wir mitgeschrieen und sind unter dem Ge sänge der Wacht am Rhein abgezogen. Ich war auch Zeuge, wie ein Junge van dem Denkmal Friedrichs des Großen her untergeholt wurde. Er hatte einen Kranz hinaufgebracht und sollte vor der Königin erscheinen. Erzählt wurde, daß er seine Hände hinter den Rücken gehalten und, als die Königin ihm einen Taler gab, seine schwarzen Hände entschuldigt habe mit den Worten: »Majestät, der olle Fritze is gar zu dreckig!« Das war ein Tag der unbegrenzten vaterländischen Begeiste rung, wie ihn Deutschland kaum wieder erleben kann. Abends war große Illumination, die auf mich einen geradezu über wältigenden Eindruck machte. Als dann 1871 der Einzug des Kaisers mit seinem siegreichen Heer stattfand, war ich schon in der Nacht Unter den Linden und hatte mir den Ast eines Baumes gesichert in der Nähe des Pariser Platzes, wo ich den groß artigsten Anblick genoß, der in der Welt kaum je wieder möglich sein dürfte, denn Gestalten im Greisenalter und doch in voller Kraft wie der alte Kaiser und seine Paladine kommen nur einmal in der Weltgeschichte vor. Kurz vor Ausbruch des Krieges erschien bei Knapp in Halle die 1. Lieferung von Schwatlos Veranschlagen von Bauarbeiten. Mein Lehrherr hatte mit der Post eine große Ansichts-Versen dung Wohl an alle in Frage kommenden Baubeflissenen Berlins vorgenommen und hoffte aus einen großen Erfolg. Leider zerstörte der Krieg diese Hoffnung, und wir Lehrlinge wurden zum Einholen der Hefte ausgesandt. Mir war das Viertel zwischen Halleschem Tor und Potsdamer Platz zugewiesen, das ich bei dieser Gelegenheit gründlich kennen lernte. — An einem grimmig kalten Wintertage vor Weihnachten 1870 wurde ich mit einem großen Paket zu einer vornehmen Dame nach der Bellevue straße geschickt. Zwar durfte ich den Omnibus benutzen, aber hierin machte sich die Kälte noch fühlbarer als auf der Straße. Ich kam deshalb halb erfroren dort an. Als die Dame, die das L4S
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