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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.10.1930
- Strukturtyp
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- 1930-10-23
- Erscheinungsdatum
- 23.10.1930
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- Deutsch
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W 247, 23. Oktober 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. Friedrich Wilhelm III. dagegen will keiner haben, wenn es sich nicht um historisch wichtige Stücke handelt. Von den Staatsmännern ist nur für die zeitgeschichtlich Bedeutenden Nachfrage, und auch da nur für bedeutende Stücke. Von der Tann, Wedel, Blumenthal sind heute unverkäuflich. Bismarck behält natürlich seinen Wert. Musik und Dichtkunst sind von dieser Umschichtung nicht be troffen, hier sondert sich nur im Laufe der Zeit die Spreu von dem Weizen, wobei natürlich das Urteil darüber, was man Weizen nennt, zeitlich — relativ ist. Einzelne Dichter, die mehr als Poli tiker, Sozialisten gewertet werden, fallen in die dritte Abteilung, die Sozialisten. Bald nach der Revolution kaufte kein Mensch mehr monarchistische Autographen, Bakunin, Lenin, Trotzki, Lieb knecht, Lassalle, Ebert wurden gesucht, und da die Autographen händler nicht Nachkommen konnten, stiegen die Preise und es wurden auch freiheitliche Dichter wie Freiligrath und Hoffmann v. Fallers leben von der Hausse mitgerisscn. Aber so plötzlich wie sie kam, ist diese Hausse auch vorübergegangen. Heute herrscht wieder ein gesundes Preisniveau nach der wirklichen Bedeutung. Die sozialistische Welle ist vorüber, nun machen sich die An zeichen einer neuen bemerkbar, nämlich das Sammeln von natur wissenschaftlichen Autographen. Es handelt sich hier um etwas wirklich Neues, wenn auch einzelne Namen wie Kepler, Euler u. a. schon früh bewertet wurden. Meine Firma besitzt die Verkaufsregesten der alten Autographenfirma August Schultz, ich habe Stichproben gemacht und Namen wie die großen Arzte Mal- p t g h i, auf den die moderne Anatomie zurückgeht, und Meibo m, den Entdecker der nach ihm genannten Drüsen, und viele andere nicht gefunden. Auch Bovet, Fillon usw. nahmen sie nicht in ihre Sammlung auf, haben überhaupt nur wenig Naturforscher. — Wenn naturwissenschaftliche Autographen auch heute'noch einer ge fühlsmäßigen Abneigung vieler Sammler begegnen, so werden sie sich doch durchsetzen! Während der Zeit Ludwigs XIV., Friedrichs des Großen, Augusts des Starken beherrscht« die monarchistische Idee die Welt, während der Weimarischen Zeit die deutsche Geisteskultur und Philosophie zum mindesten Mitteleuropa. Jetzt beherrscht die Technik und Naturwissenschaft das Weltbild und es ist nutzlos, dies nicht anzu erkennen. Immer mehr Menschen werden die heutige Zeit bejahen. — Ein Zeitdokument ist die neue Briefmarke der Vereinigten Staaten, die statt des Kopfes des Präsidenten das Bild der elek trischen Glühbirne trägt. Ein Einwand, dem man oft begegnet, ist, das Sammeln von naturwissenschaftlichen Autographen sei langweilig. Ich möchte fast behaupten, es ist notwendiger als alles andere Autographen sammeln. Thermometer, Glühbirne, ein Aluminiumtopf sind uns umgebende, zwar nützliche aber tote Dinge und dieser toten Dinge werden immer mehr. Autographen von Jllrgensen, dem genialen Uhrmacher, der das Metallthermometer erfand, von Edison oder Wähler, dem Erfinder des Aluminiums, schaffen uns eine geistige Relation zu den Dingen, lassen hinter den toten Instrumenten die Geistwesenheiten ihrer Erfinder uns erahnen. Als ein Mittel, um in der heutigen, immer abstrakter, immer amerikanisierter werdenden Welt den Sinn und das Auge für das Geistige zu be halten, möchte ich gerade das Sammeln von naturwissenschaftlichen Autographen nennen. Um zu zeigen, was für Anregungen sich hier ergeben, möchte ich aus einem neuen Katalog unserer Firma und auch aus frü heren einige Namen nennen. Beginnen wir mit den Astro nomen u n d M a t h e m a t i k e r n: Die Grundlage unseres Maß systems ist das Meter, der 10 Millionste Teil des Erdmeridians. Täglich brauchen wir es, und wie wenigen ist bekannt, daß es den Gradmessungen von Delambre und Mechain seine Festlegung ver dankt. Wir besaßen einen Brief Delambres von 1812 über die Gradmessung zwischen Dünkirchen und Barcelona, in dem er die Ergebnisse ihrer Arbeiten verteidigt. — Von der Relativitätstheorie Einsteins hat heute jeder einen Begriff, sie ist populär geworden wie außer dem Darwinismus kaum ein naturwissenschaftliches Problem. Das Manuskript hierzu kann kein Sammler je er werben, da es Einstein nach Jerusalem geschenkt hat. Dagegen be saßen wir ein Schriftstück Einsteins über ein »Experiment betref fend die Gültigkeitsgrenze der Undulationstheorie« und kürzlich konnten wir ein anderes Stück erwerben, in dem Einstein an Direktor Goldschmidt von der Priteg schreibt: »Überbringer dieses Briefes ist ein technischer Laie, der mir ein Problem mitgeteilt hat, dessen Lösung mir von erheblichem praktischen Interesse zu sein scheint. Ein in einem Telefongespräch Begriffener soll durch ein Signal benachrichtigt werden, wenn versucht wirb, eine andere Verbindung mit ihm herzustellen . . . Wenn Sie die Aussichten der Sache günstig beurteilen, könnten wir uns derselben an nehmen«. Da wir gerade vom Telefon sprechen, möchte ich er wähnen, daß Autographen von Reis, dem Erfinder des Telefons und von Bell, den die Engländer dafür ansehen, zu den großen Seltenheiten gehören, sodaß auch kleine Billetts von ihnen gern gekauft, aber nur gering bezahlt werden, wie ja fast alle natur wissenschaftlichen Autographen. Autographen von Galilei sind heute unauffindbar, das heißt, sie ruhen in italienischen Archiven. So muß man cs als einen Glückszufall betrachten, wenn wir 6 Briefe an Galilei erwerben konnten, von denen 5 die Handschrift Galileis tragen, der auf ihnen den Absender notierte. Werfen wir einen Blick auf das Gebiet der Technik. Noch immer ist diese beherrscht von der Dampfmaschine, als deren Er finder im neueren Sinne wir James Watt bezeichnen müssen. Fast immer treffen wir nur signierte Geschäftsbriefe seiner Firma. Es ist schon etwas Ungewöhnliches, einen Privatbrief zu erwerben. Und wie menschlich berührt es, wenn Watt, der so oft in Geldkalamitäten war, 10 Guineen stiftet »kor ttio ßensral uses ok ekarit^«. Dampfer wurden gebaut, die ersten Dampferlinien entstanden. Der General Reichard macht 1827 sich eigenhändige Notizen über die erste Tampserverbindung zwischen Mainz und Frankfurt. Die Fahrt kostet 2 Gulden für den ersten Platz und 1 Gulden 30 Kreu zer für den zweiten Platz. — Wilhelm Bauer baute 1851 ein Untersec-Minenboot, das aber bei der Probefahrt sank, konstruierte für Rußland einen Brandtaucher und hob mit Hebeballons und Hebekamelen gesunkene Schiffe. Er ist der Vater des modernen Unterseebootes. Kaum je ist ein Autogramm von ihm vorgekommen. Einen mir bekannten Brief hat der früh vom Schlag gerührte mit zitternder Hand unterschrieben. Heute fahren die Z e p p e l i n - Luft schiffe um die Welt. In die Anfänge des Luftschiffbaues führt uns ein Brief zurück von Karplus an Zeppelin in dem er u. a. schreibt: »Außerdem kann ich nicht umhin Ew. Exzellenz zu bemerken, daß der Passus: indem wir es für Pflicht halten ausdrücklich darauf hin zuweisen, daß der Zweck des Unternehmens zunächst nicht unmittel bar auf wirtschaftlichen Ertrag usw. usw. der Beteiligung kauf männischer Kreise sehr hinderlich ist, denn Kaufleute beteiligen sich prinzipiell an solchen Unternehmungen nicht, wenn die Aussichten auf geschäftlichen Gewinn so minimal sind, daß schon der Prospekt diese geringen Aussichten auf Nutzen hervorheben zu müssen glaubt, Finanzierungen vom rein ideellen Standpunkt aus, sind heute leider fast undurchführbar . . .« Zeppelin antwortete darauf in gereiztem Tone. Wenig bekannt dürfte auch sein, daß Zeppelin 1863 in der nordamerikanischen Union sich als Teilnehmer an dem Sezessions krieg befand. Aus dieser Zeit war kürzlich ein aus New Aork da tierter Brief auf dem Markte. Eine Fülle der Anregungen bieten die medizinischen Auto graphen. Paul Ehrlich, der Erfinder des Salvarsans, bittet einen Chemnitzer Arzt um »Mitteilung wie sich bei Ihnen die Injektionen mit dem frisch destillierten Wasser gestaltet haben. Ich halte diese Frage für sehr wichtig und Sie glauben gar nicht, welche immensen Schwierigkeiten ich habe, um diese Sache auch nur an ein paar Stellen einzuführen«. Der Frankfurter Irrenarzt Heinrich Hoff mann, der den Struwwelpeter für seine Kinder dichtete, schreibt über einen medizinischen Prüfungstermin. Jung Stilling, der sehr zu unrecht immer für zu pietistisch gehalten wird, um ihn mit Ver gnügen zu lesen, schreibt als Augenarzt »über den grauen Star eines Predigers«. In einem andern Brief schreibt er, daß er seine ärztliche Tätigkeit als eine Arbeit im Dienste des göttlichen Licht; spcnders ansehe. Justinus Kerner, der bei den Kropfkrankheiten in tuitiv das Wurstgift als Erreger erkannte, schreibt ein Gedicht »Das Wurstgisl«, das er seinem Freunde George widmet. Justus Christian Lader, der als Jenaer Anatomieprofessor zum Goethe-Kreis gehört, schreibt über die Nuhrepidemie in Nenndorf an einen Konsistorial- rat: »Da meine Prorectorats-Geschäfte es mir nicht wohl verstatten, die Nuhrpatienten zu Nenndorf selbst zu besuchen, so trug ich die Besorgung derselben dem Herrn vr. von Eckardt auf . . . Die Ab neigung der dortigen Einwohner gegen alle medicinische Hülse ist unglaublich groß ...« Marcello Malpighis Autographen sind meines Wissens im Handel noch nicht vorgekvmmen, umso mehr freute es uns, einige interessante Stücke aufzufinden. Er behandelt einen rachitischen Jungen, verordnet ihm Stahlwein und ein Gemenge aus Elfenbeinspänen und Taschenkrebsaugen, ferner Wasser mit Sandel holz; Mittel, die in Italien aus dem Lande heute noch in Gebrauch sind. Ebenso selten sind Autogramme von Heinrich Meibom, dem Entdecker der nach ihm benannten Drüsen und der Verdauungsorgane der Ringelwürmer. Nachdem in Berlin ein Lehrstuhl für Homöo pathie errichtet ist, wird ja nun endlich auch in Norddeutschland die Homöopathie allgemein anerkannt werden, und somit das Inter esse für Hahnemann steigen. 1019
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