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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.10.1930
- Strukturtyp
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- Band
- 1930-10-14
- Erscheinungsdatum
- 14.10.1930
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- Deutsch
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Herr Vr. Bergmann machte den Versuch, an Hand des Manu skriptmaterials eines Verlages die neuen Wege und Stosfgebiete in unserem Schrifttum herauszustellen, die sich auch in den zahlreichen ungedruckt bleibenden Geisteserzeugnissen unserer Zeit andeutungs weise auftun. Als Grundlage diente Herrn Bergmann für seine Feststellungen der Zustrom des letzten Jahres von etwa 1000 Manu skripten, von denen etwa 12 Prozent auf Kulturgeschichte, 12 Pro zent auf Philosophie und Pädagogik, 8 Prozent ans Politik, 5 Pro zent auf Neligionsphilosophic und der Nest von rund 60 Prozent auf Romane entfielen, zu denen noch weitere 432 Nomanmanuskripte aus dem Nomanpreisausschreiben des Eugen Diederichs Verlags hinzukamen. Herr vr. Bergmann glaubt, daß die große Schreib seligkeit unserer Zeit eine Folge der Zeitverhältnisse ist, die keine praktischen Auswirkungsmöglichkeilen zulasscn und manche Menschen dahin drängen, ihre Zuflucht im Literarischen zu suchen. Dies gelte vor allem für Österreich, das neben vielen anderen Manu skripten mit über 50 an dem Preisallsschreiben beteiligt war. Menschen, die es mit mehr oder weniger Geschick unter nommen haben, Wirklichkeit einzusangen, spiegeln in dem Versuch der Gestaltung die Probleme wieder, die im wesentlichen die Menschen unserer Zeit überhaupt beschäftigen. Der Referent zeigte sie ans: die vielen Frauenfragen, die bei aller Leichtigkeit der Be handlung und Erotisierung des Lebens doch erkennen lassen, daß es hier um ein Suchen nach neuen Lebensformen geht, die aus der ver änderten Stellung der Frau und der Vielfältigkeit der Beziehungen durch Beruf und Geschlecht erwachsen — die vielen Generations- fragen, die in ihrer Behandlung meist noch in Tagesfragen stecken bleiben — die Erschließung der Großstadt, vor allem durch jugend liche Schriftsteller, die in der Großstadt ein neues menschensormen- des Gebilde empfinden und in einem neuen Lebensgcsühl den Aus gleich zwischen Persönlichkeit und Kollektivität suchen, wobei auch die Verbindung von Großstadt und Landschaft hineinspielt — die Flucht aus der Wirklichkeit in UtoPicn, deren Darstellung aber meist die schöpferische Phantasie fehlt — das Ubergrcifen der jüngsten Theologie auf die sozialen Fragen unserer Zeit — die Einstellung im religiös-philosophischen Denken ans den Menschen, der sich tiber- all zumindest in seine Lebensrechtc eingesetzt sehen will — neue Ordnungsbcgriffe und Wertungen auf dem Gebiete der Philo sophie usw. Diese mannigfaltigen Umwälzungen und Neuorien tierungen auf allen Gebieten unseres Geisteslebens kommen in der ungedruckten Literatur unserer Zeit sehr stark zum Ausdruck. Für die Beurteilung des Geisteslebens unserer Zeit ist daher auch dieses nngedruckte Schrifttum von großer Wichtigkeit. Dem Referat des Herrn vr. Bergmann-Jena folgte nach einer kurzen Pause ein Zwiegespräch zwischen den Herren Adolf Neumann und I)r. Schauer (Verlag Nütten K. Loening, Frankfurt a. M.) über die Frage Was wird verlegt? Und warum dieses? Zu Beginn des Zwiegespräches wies Herr Neumann darauf hin, daß nicht eine Charakteristik dessen, was auf den Markt kommt (also keine Typologie der Ware), wie nach der Fragestellung erwar tet werden könnte, gegeben werden soll, sondern ein Blick in die Vorgänge, die sich im Verleger, und zwar dem schöngeistigen Quali- tätsverleger, abspielen, wenn er ein Manuskript annimmt. In völlig unvorbereiteter Rede und Gegenrede aus dem Steg reif wurde versucht festzustellen, welche Voraussetzungen für den Entschluß zur Annahme eines Werkes im Verleger selbst liegen müssen. Von dem Qualitätsvcrleger, der hauptsächlich schöngeistige Literatur pflegt, wird vorausgesetzt, daß in ihm selbst ein musischer Mensch steckt, wenn er selbst auch nicht die eigene Gestaltungskraft besitzt. Dann aber sollte man auch annehmcn, daß eine solche Ver legerpersönlichkeit Eigenschaften in sich vereinigen müßte, wie: die beste Allgemeinbildung seiner Zeit, Gradlinigkeit und Folgerichtig keit im Wollen, schärfste Selbstkontrolle seiner persönlichen Neigun gen und Launen, feste Zügelung seines Temperaments und klare, ordentliche Vorstellungen von der Wirtschaft. Gerade auch das letz tere muß von dem Qualitätsverleger, der existent bleiben muß, er wartet werden. Verleger, denen diese Komponenten fehlen, sind ganz aus den Lektor angewiesen. Mäzene sind keine Verleger — und erfolgreiche Geschäftemacher schaffen kein Kunst- und Bildungsgut. Der Qualitätsverleger wird also immer, weun er sich zur Annahme eines neuen Werkes ent schließt, dies in dem festen Glauben tun, damit Kultur-, Kunst- und Wissensgut zu fördern. Er verlegt das, was ihm gefällt und seiner Überzeugung nach auch der Allgemeinheit gefällt, und schafft so mit seinen Mitteln das, was der Allgemeinheit dient und sie fördert. Entscheidend für die Frage »Was wird verlegt? Und warum dieses?« ist und bleibt immer die Verlegerpersönlichkeit. In der sich aus dem Zwiegespräch ergebenden Anssprache ver glich Herr Fronemann, der als Mitglied des Jugendschriftenaus schusses mit dem Wesen des Buchhandels gut vertraut ist, den Ver leger mit dem Pädagogen, der Führer sein muß. Herr Di-. Berg mann-Jena erblickt in der Verlegerpersönlichkeit den Helfer, daß etwas erscheint, was notwendig und gut ist, und erinnert an Eugen Diederichs' Wahlspruch: »Helfer dem Dienst am Leben«. Herr- Pros. vr. Menz sieht die Ausgabe des Verlegers darin, den Men schen, der etwas zu sagen hat, zu Wort kommen zu lassen. Er ist der Meinung, daß der Verleger doch nur das verlegt, was er will. Das Wollen des Verlegers ist aber allerdings nicht immer frei, sondern wird in der heutigen Zeit vielfach bestimmt durch den technischen Produktionsapparat, durch Bindungen mit Autoren, durch Familien traditionen und andere Dinge. Im Anschluß an dieses Zwiegespräch referierte der Direktor der Städtischen Volksbüchereien in Frankfurt a. M., Herr Vr. Waas, über die Frage Was wird gelesen? Wer l i e st und warum? Herr Direktor vr. Waas entwarf in großen Zügen eine Psycho logie des Lesens. Die wichtigsten Ausgangspunkte für die Fest stellung dessen, was gelesen wird, wer liest und warum, sind der Anlaß und die Ursache, die den Menschen zur Lektüre greifen las sen. Vor allem ist es nach Ansicht von Herrn Di-. Waas die Ursache, die entscheidend ist. Gegenüber den Vorkriegsjahren hat sich vieles geändert. Herr I)r. Waas gruppiert die Literatur von heute: Rein wissenschaftliche Literatur, die nur der Forschung dient und von dem Gelehrten benutzt wird. — Neben dieser rein wissenschaftlichen Lite ratur existiert heute noch eine allgemein wissenschaftliche Literatur, die unter den Begriff »das Buch als Werkzeug« zusammengefaßt werden kann. Hierunter kann man auch einen Teil der politischen Bücher zählen. Leser dieser Literatur sind die verschiedensten Be- völkerungskrcisc. Die Nachfrage nach ihr wechselt je nach den gerade aktuellen Bedürfnissen; so haben z. B. nach gemachten Erfahrungen Neuerfindungen auf technischem oder wissenschaftlichem Gebiete stets auch stärkere Nachfrage nach der entsprechenden Fachliteratur zur Folge. Um konkurrenzfähig zu bleiben, greift der Arbeiter nach sol cher Fachliteratur, die ihn in neue Arbeitsgebiete einführen soll. Nebenbeschäftigungen wie Kleingartenbau, Wanderfahrten usw. haben immer auch eine starke Nachfrage nach Fachliteratur zur Folge. In der nächsten Gruppe sind die Bücher zusammengefaßt, die sich mit weltanschaulichen Fragen beschäftigen. In ihnen drückt sich das Suchen nach einer Antwort auf die mannigfaltigsten Fragen, die den Menschen von heute berühren, aus. Die weitaus stärkste Gruppe bildet die, die Herr Direktor Di. Waas unter dem Begriff »das Buch als Freund« zusammenfaßt. In ihr finden wir Biographien, Abenteurerbllcher, Romane usw. Der Mensch sucht, in diesen Büchern sich hineinzuversetzen in die großen Menschenschicksale, die ihm Vergleiche zu seinem eigenen Leben bieten. Hier greift auch die moderne Psychologie und Psychoanalyse ein. Die Lektüre dieser Bücher versetzt den Leser in einen Traumzustand, in dem er das Leben findet, das ihm der Alltag versagt. Eine große Rolle spielen hauptsächlich bei jugendlichen Lesern die Abenteurerbücher, die in ihnen ein Wunschbild erzeugen. Zu den Lesern, die in dem Buch die Erfüllung eines bestimmten Zweckes oder eine innere Befriedigung suchen, kommt noch die Schicht der Leser, die bestimmte Bücher nur deswegen lesen, weil von diesen gesprochen wird. Aufgabe aller Persönlichkeiten, die sich in die Welt des Buches hineinstellcn, ist es, einzudringen in die letzten Feinheiten der Volkspsychologie, die Verflechtung von Buch und Lebensschicksal aufzuspüren und festzu- stellen, wo Lücken und Bedürfnisse noch vorhanden sind. Diesen sehr interessanten Ausführungen des Herrn Direktors Dr. Waas folgte das Referat des Herrn I)r. Elias Bergmann, Frankfurt a. M., über das Thema Was wird verkauft? An wen? Und was ist Kaufveranlassung? Herr Di. Bergmann berichtete, ohne sich streng au die gestellten Fragen zu halten, ausführlich über die Beobachtungen, die er als Inhaber einer großen Sortimentsbuchhandlung, die sich in starkem Maße auch mit dem Vertrieb wissenschaftlicher Literatur befaßt, machte. Nach seiner Erfahrung haben äußere und aktuelle Anlässe starken Einfluß auf das, was verkauft wird. Gekauft wird nach seiner Ansicht im allgemeinen vorwiegend nur von einer bestimmten Volksschicht, und zwar von dem guten Mittelstand nach oben. Das Käuferpublikum für jedes neue Geistige sei vorwiegend die jüngere Generation. Der Arbeiter kaufe nur Bücher, die zu seiner politischen
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