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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.01.1912
- Strukturtyp
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- 1912-01-05
- Erscheinungsdatum
- 05.01.1912
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- Deutsch
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4, 5. Januar 1912. Nichtamtlicher Teil. Mrsmbl-tt I. d. Dpchn. «Ilchh-mt-t. Igg Zs mag nicht nur dies sein: in allen Zeiten wird es kaum einem Maler gelungen sein, so viel Perfidie, Eitelkeit, Selbst bewußtsein. Sinnlichkeit und wer weiß, was noch alles, in ein Porträt zu legen. Man kaust nun Mona Lisa als Wandbild. Ich kann mir den Menschen schlechthin nicht vorstellen, der im Bilde all das herausliest und es dann noch als Wandschmuck aushängt! Aber es geschieht — dank der Autorität der Kunstgeschichte, einiger Sensation, und unge achtet dessen, daß gewiß fast keiner dieser Leute imstande wäre, das wirklich Gute an dem Bilde, die hohe technische Meisterschaft, die in den Reproduktionen ja gar nicht zur Geltung kommt, und eben die staunenswerte Schilderung des Seelenzustandes der Dame voll zu würdigen. Trotzdem — die Mona Lisa »geht- jetzt nicht nur in Paris, auch bei uns. Im übrigen mahne ich jeden dringend, wenn er zu selbständigem Urteil kommen will, die Lehren der Kunstgeschichte sehr mit Vorsicht zu benutzen. Er möge eingedenk sein, daß ganz ernsthafte Kenner sagen: Kunsthistoriker sein, heißt von Kunst (d. h. vom Schönen der Kunst) nichts verstehen. Dies natürlich nur oum grauo salis; es gibt auch Histo riker, die viel zum Verständnis der Kunst beigetragen haben. Es gibt aber auch allzuoiele von der angeführten Sorte, namentlich heutzutage. Die Aufgabe der Kunst geschichte ist eben tatsächlich die: die Kunstschöpfungen, soweit sie nicht datiert sind, zeitlich zu ordnen und sie ihrem mut maßlichen Schöpfer auf Grund einer sorgfältigen Stilanalyse, der Technik und Materialprüfung zuzuweisen. Es ist eine Tätigkeit, ähnlich der des Literarhistorikers, des Historikers überhaupt; auch in diesen Wissenschaften geht über dem vielen Einzelsehen oft den Fachleuten der Blick fürs große Ganze verloren. Schuld der Verhältnisse also, nicht des mangelnden guten Willens. Als Boden, auf dem ein junger Kunsthändler heran wachsen kann, ist wohl unter allen Umständen eine größere Stadt notwendig, die mit öffentlichen Bildergalerien das erste Studienmaterial liefert. Es kommt nicht darauf an, daß der Kunstjünger nur Werke größter Künstler betrachtet. Wenn es nur Bilder aus den verschiedenen Jahrhunderten sind, seit denen man die Tafelmalerei betreibt. Natürlich sind auch Fresken, wo sie sich bieten, und die Altar- und Weihbilder in Kirchen und Klöstern zu studieren. Aber ja nicht nur die als gut bekannten, sondern alle und alles! Man lernt am Schlechten oft mehr noch. Wer sich mit Kunst beschäftigt, darf nicht glauben, daß ein volles Verständnis möglich ist, wenn man sich auf einen Teil beschränkt, auf die graphischen Künste etwa nur. Man muß, außer in Dingen der eigentlichen Kunst, noch in gar vielerlei Bescheid wissen. Man muß imstande sein, zu be urteilen, ob ein Pferd richtig läuft, ob ein Diskuswerfer richtig gezeichnet ist; man muß aus einem Architekturstück heraus feststellen können, in welcher Zeit etwa die Vorlage zu dem Bilde entstanden ist, und man muß beurteilen können, ob die Lichtwerte in einem Schwarzweißblatte denen des farbigen Originals entsprechen, da hiervon u. a. abhängt, ob das Blatt eben als gelungen oder nicht, als gut oder schlecht anzusprechen ist. Es ergibt sich daraus, daß eine gründliche Kenntnis der Architektur, der Kulturgeschichte, ein Verständnis für die menschlichen Proportionen, die Prinzipien der Perspektive, die Tonwerte der Farben und vieles andere als elementare Bedingnisse zu einem Kunsturteil notwendig sind. Von der Stellung eines Dinges im Raum, z. B. des Bildes auf seiner papiernen Unterlage, von einem Titel aus dem Buche, von der Verteilung der Massen, von Gewicht und Gegen gewicht im Bild z. B. will ich, als zu schwierigen Begriffen, hier überhaupt zunächst schweigen. Ich habe es schon ein gangs erwähnt, daß der Weg zum vollen Kunstverständnis lang und schwierig ist. Wo nicht besonders günstige Umstände Zusammentreffen, wird das Wissen hier mehr als in anderen Berufen Stückwerk bleiben. Für den Buch-Kunsthändler kommt daher als Studienobjekt alles in Betracht, was die Jdeenreihen: Farbendruck, Gravüre, Photographie, Stich, Radierung, Holzschnitt usw. irgendwie einschließen. Und noch etwas kommt dazu: daß der so beanlagte Mensch auch noch ein — es ist schwer zu sagen, aber es muß sein — reeller Geschäftsmann sein soll. Er muß sein Wissen nützen, um davon zu leben und zu erwerben, darf es aber nicht mißbrauchen, um die Käufer zu überoorteilen. Notwendig ist vor allem eine möglichst gründliche Kenntnis der Technik, für unseren besonderen Fall, die der sogenannten graphischen Künste. Darüber besteht eine ziem lich umfangreiche Literatur, soweit es sich um die älteren Herstellungsarten handelt; für die neueren, besonders die photomechanischen Reproduktionsarten versagt aber die Lite ratur. Es bleibt nichts übrig, als sich, wenn es irgend tunlich ist, in den Erzeugungsstätten von solchen Bildern selbst umzusehen, »wie's gemacht wird-, von denen man auf Grund seiner bisherigen Kenntnisse sich über ihr Entstehen keine Vorstellung machen kann. Ein derartiger Einblick in Betriebe, wo häufig mit Geschäftsgeheimnissen gearbeitet wird, ist natürlich nur unter außergewöhnlich günstigen Umständen zu erlangen; so erklärt es sich, daß oft genaue Kenner der landläufigen Herstellungs methoden kopfschüttelnd ein Blatt in der Hand halten und nicht sicher wissen, wie es gemacht sein kann. Die Ver quickung von Photographie und Lithographie, die Ver wendung besonderen Papiers, eigener Farben bei Raster drucken, die den Raster nicht mehr erkennen lassen, die neuen Methoden des Tiefdruckes u. a. geben manches Rätsel zu lösen auf. Im allgemeinen prüfe man jedes vorkommende Bild, sei es ein Einzelblatt, eine Buchillustration, ein Aquarell, ein sonstiges Gemälde, auf seine Beschaffenheit und hole sich in jedem einzelnen Falle auf diese oder jene Weise Rat über eins zweifelhafte Art der Herstellung, und man wird bald über eine ziemliche Summe von Fachkenntnissen ver fügen. Das dem Buchhändler so reich zur Verfügung stehende Prospekt- und Probenummer-Material bietet gerade ihm die Gelegenheit, fast alle Reproduktionsarten der Gegen wart schnell kennen zu lernen. Für die der Vergangenheit allerdings muß er entweder Sammlungen und Lehrbücher in Anspruch nehmen, dabei aber zweckmäßig selbst sammeln. So eine Sammlung alter Bilder, zu der sich ganz von selbst dann alte Schriften und Drucke überhaupt gesellen, ist un- gemein lehrreich. Die Entwicklung des Holzschnittes von seinen Anfängen bis zu den Meisterwerken der achtziger und neunziger Jahre in dieser Technik, oder den Kupferstich in seinen Abarten, die Radierung u. a. m. mit gutem Ver ständnis zu verfolgen, das ist mehr als lernen, das ist Genuß! Eines darf man aber nicht vergessen: Die genaueste Kennerschaft der technischen Beschaffenheit von Kunstblättern, die beste Kenntnis der historischen Entwickelung der Kunst macht ebensowenig den tüchtigen Kunstkenner im Sinne des Wertschätzers aus, des Wertschätzers nicht nur in bezug auf den materiellen (Erhaltungszustand, Seltenheitswert z. B-), sondern in höherem Maße auf den ideellen Wert eines Blattes. Ein Mensch kann, vergleichsweise, ein Musikstück auf dem Klavier vollkommen exakt Herunterspielen, ohne mehr zu sein, als die Klavierspielmaschine der Neuzeit; es muß das Beseelende des innerlichen Verstehens dazu kommen, um die Notenfolge zum Kunstwerk werden zu lassen. Das
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