Edwin Erich Dwinger Die Armee hinter Stacheldraht Da6 sibirische Tagebuch. 20. Tsd. geh. 4.50, in Leinen 6.80 Hans Fockacreiver im Levkiner !IaFeb/stt vom 24. November: Eine Kritik? Nein! Eine Stellungnahme? Eine objektive Würdigung? Abermals: nein! Es sind jetzt acht Wochen her, daß ich Dwingers Buch „Die Armee hinter Stacheldraht^ gelesen habe; ich wache noch immer bisweilen nachts auf und spüre sein Wort und sein Er lebnis. Ich las zwanzig Bücher seitdem, und fünf unter ihnen waren gut: aber während der Lektüre sah ich plötzlich vor mir die Gestalten aus Dwingers „sibirischem Tagebuch". Diese Aufzeichnungen Dwingers sind unvergeßlich. Alle Gefangenen Ln diesem Buche sind Helden. Es ergibt sich, daß in unserem Zeitalter das große Heldentum auch bei den Soldaten nicht in der Aktivität besteht, sondern im Erleiden- können. Man grämt sich um das Geschick eines jeden dieser Männer, die jahrelang gegen den Stumpfsinn, gegen Krankheit, gegen Roheit kämpfen, die sich schließlich ergeben in ihr Ge schick, an Änderung nicht mehr glauben und in gleichem Augenblick auch sterben sich das Leben nehmen oder gänzlich versumpfen. Man grämt sich, und man weiß: das nächstemal wird es noch schlimmer sein. Eine Kritik? Ich werde doch keine Kritik schreiben über ein Buch, das mich zittern machte. Es geht alle an und alle werden es lesen. IsÄ/fer Kasenc/ever im vom November. Als ich zum erstenmal die „Memoiren aus einem Totenhaus" las, konnte ich nächtelang nicht schlafen. Nächtelang verfolgten mich die Gespenster der Verurteilten, die im Schnee der sibirischen Wüste zu Tode geprügelt wurden. So ging es mir, als ich die Memoiren eines modernen Dichters las. Edwin Erich Dwinger hat seine Erlebnisse als Kriegsgefangener in Sibirien veröffentlicht. Wenn Dostojewski als deutscher Soldat, wie der Verfasser dieses Buches in den ersten Kriegstagen an der russischen Front gefangen und vier Jahre nach Sibirien verschleppt wor den wäre: er hätte nicht erschütternder und lebendiger seine Leidenözeit schildern können. Auf dreihundert Seiten ist ein Dasein beschrieben, das als Denkmal ewiger Schande die Jahr hunderte überdauert. Das Schöne und Große an diesem Werk ist seine Aufrichtigkeit. Man erhebe nicht den Einwand, die Kriegsliteratur sei eine Konjunktursache geworden. Es können gar nicht genug solcher Bücher erscheinen. Man soll immer wieder sagen, wie es gewesen ist. Die Dokumente mit den Regenbogenfarben aus den Geheimarchiven, die nutzlosen Diskujsionen, wer angefangen, und warum man nicht aufgehört hat, locken keinen Leser hinterm Ofen her vor. Wir wollen wissen, wie es in einem Gefangenenlager und in einer Seuchenbaracke in Rußland ausgesehen hat. Man soll nichts verschweigen und nichts hinzusetzen. Man soll die reine Wahrheit sagen — wie Dwinger. 1 »ososososososososososoe Eugen DiederichS Verlag in Jena