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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.06.1928
- Strukturtyp
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- 1928-06-30
- Erscheinungsdatum
- 30.06.1928
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- Deutsch
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150, SO. Juni 1928, Redaktioneller Teil. Ausstellung, vr. Ernst Esch, über »Die Organisation der Pressa«, Direktor Ti et mann schreibt über »Die wirtschaft liche Bedeutung , , ,«, Professor vr. D ' Ester - München äußert sich über die kulturhistorische Ausstellung mit »Gedanken zu ihrem Wollen und Werden-, während Professor vr. Dovifat - Berlin, der neue Inhaber des Berliner Lehrstuhles für Zeitungs wissenschaft, die Frage beantwortet »Was bietet die kulturhisto rische Ausstellung dem modernen Journalisten?-, über das Zeitungswesen schrieben Professor I. F. W o l l f - Dresden und Chefredakteur Paul B a e ü e r - Berlin, vr. Osborn be handelt »Kunst und Presse-. Der Buchhandel ist mit einer ganzen Reihe von Beiträgen vertreten. Es schreibt Verlagsbuchhändler R. Schick- Leipzig über »Die deutsche Zeitschrift- beachtenswerte Sätze, Professor vr. Mcnz-Leipzig äußert sich in einer Einleitung zur »Wirt schaftlichen Abteilung-, vr. F. Gerhard inger nimmt »Buchgewerbe und Graphik- zum Thema. Der Katalog hat durch diese und noch viele anders Beiträge einen nicht zu unterschätzenden literarischen Wert, der ihn zum buchhändlerischen Vertrieb sehr geeignet macht, da er für den Besucher vor, während und nach der Ausstellung eine Quelle der Information und Erinnerung bildet, vor allem auch bezüg lich der -Kulturhistorischen Ausstellung-. Als die Bücher erwachten...*) Von Fritz M ü l I e r - Partcnkirchen. Ich war schon ein wenig müde, als ich an die stille Abteilung kam. Es war die Ausstcllungsmiidlgkeit. Bei der dreiundachlzigsten Maschine, die man gewissenhaft besichtigt, hockt sie einem plötzlich im Gehirn, diese sonderbare Müdigkeit, und stemmt die Knie an die Schädeldecke. Und beim Hunderlsiebzehnten Ölbild, das einem ins Gesichtsfeld rückt, breitet sic die Arme aus und gähnt, das, ihr die Kiefer knacken. Wir spüren das als tropfendes Geräusch in unfern Schläfen. Und beim sechshundertsechsundneunzigsten Katalog, den man uns heimtückisch von hinten her vorletzte, wird sie rebellisch, diese Müdigkeit in unser», Hirn, und wimmert wie ein eingcsperrtes Kind: »Hinaus möcht ich.« Jch selber hörte es ganz deutlich schreien, als ich an die stille Abteilung kam. Denn vorher hatten die Maschinenkolben seine Stimme llberdröhnt. Jetzt aber war's nicht mehr zum überhören: »Hinaus möcht ich.« »Bscht, bscht, mein Dlciner-, machte ich, wie man weinende Kinder beruhigt, »bscht, bscht, diese stille Abteilung noch, dann dehn wir fort, mein Dleincr.« »Hinaus möcht ich.» Da war es, daß die Ausstellung eine ganze Welle lärmender Menschen an die stille Abteilung heranspülte. »O je, Kinderl- rief dort einer, »kehren wir um!» »Bücher, Kinder, Bücher — nix als Bücher, — ich geh' auf die Rutschbahn!» »Und ich ins Dörfli zu em guten Tropfel- »O jösises, Kinder, Bücher, ausgerechnet Bücher!« Und kichernd und glucksend plätscherte die Welle zurück aus der stillen Abteilung und nahm mich mit. In die Rutschbahn nahm sie mich mit und ins sibele Dörfli, wo man einen guten Tropfen ausschenkt. Und wie das dann so geht, es wurde spät. Es wurde mehr als spät . . . Ich war ins Sinnieren hineingekommen, in allerhand Nach denklichkeiten. Planlos war ich noch herumgeschlendcrt. Es sank die Nacht herab. Mit ihr ein seltsamer Vogel, der aus einem verlorene» Ausstellungsbufchwerk sang und lockte. Was Wunder, daß ich mich dann zu ihm setzte! Daß über seinem Singen die ganze Ausstellung um mich her versank! Daß ich das erste Läuten überhörte: »Nach Hause, Kinder, die Ausstellung schließt die Tore!« *> Diese Plauderei müßte eigentlich vor dem ersten Bericht über die Pressa stehen und darum sollten sie alle ibte lesen, die ein wenig Angst davor haben, eine so große Ausstellung zu besichtigen. Viel leicht lehrt das kleine Erlebnis eines Dichters besser sehen, als mancher es bisher getan hat. Daß ich das zweite Läuten überhörte: »Höchste Zeit! Hinaus, hinaus!« Daß ich den Wächter übersehen konnte — und er mich hinterm Strauch mit dem unbekümmerten Vogel —, den Wächter, der die letzten Klebegäste väterlich aus der Ausstellung verscheuchte. Und dann knarrten die Türen, und das Licht erlosch: die Aus stellung wurde tot. Nein, nicht tot. Nur schlafen tat sie. Ich aber, ich erwachte. Erwachte aus meiner Träumerei. Denn eben hatte der fremde Vogel zu singen ausgehört, war in die Nacht hinausgerauscht und hatte mich der schlafenden Ausstellung in die lässigen Arme gedrückt. »Ta, nimm ihn — dein grelles Taglicht hat ihn ganz ermüdet — vielleicht macht deine Nacht ihn wieder sroh.« Und da nahm mich die Aüsstellungsnacht. Erst räkelte sie sich nur ein wenig und strich mir leise übers Angesicht wie eine Mutter, die im Schlaf ihr Kind im Arme spürt. Dann aber stand sie auf und nahm mich an der Hand: »Komm,» sagte sie, »komm.« Aber ich war ungebärdig und sagte: »Das hat nun keinen Zweck — es ist ja Nacht — ich will her aus — heraus will ich!« Denn erst jetzt ward mir voll bewußt, baß ich eingeschlossen war. Und ich lies an eine Türe und hämmerte mit den Fäusten da gegen: »Ich will heraus, heraus!« Aber niemand hörte mich. Die Feuerwache hatte ihre Runde noch nicht ausgenommen. Als ich genug geschneit und gehämmert hatte, wendete ich mich um: Da stand sie noch immer hinter mir, die blanke stille Aus stellungsnacht, und lächelte, wie Mütter lächeln, wenn schmollende Kinder langsam, mit der Hand die trutzigen Äuglein reibend, die nicht sehen wollen, wieder nach dem Mutterschoße steuern. So rieb auch ich die Augen und sagte noch halb trutzig: »Man kann ja doch nichts sehen in der Nacht.« »Versuch's doch nur einmal-, sagte die Ausstellungsnacht gütig. Da versuchte ich's. Ein stiller Mond hass mir dabei. Jetzt nahm ich selber ihre Hand, und wir singen ein stilles Wandern an. Und schon nach ein paar Schritten war es, als wäre ich schon immer so an ihrer Seite hingeschritten. So heimisch sllhlte ich mich an der leitenden Hand der Aüsstellungsnacht. Leise knirschte der nächtliche Kies unter unser» Tritten. Und als ich die Augen hob, hatte der Mond über die schlafende Aus stellung einen Silbcrmantel gebreitet. Wie das glitzerte und gleißte! War das noch die gleiche Ausstellung'? Kein Brausen mehr, kein eiliges Getrippel, kein Rusen mehr und kein Geschnatter. Stumm hingen alle Fahnen, und ihre Quasten tauchten, leise spielend, in das Traumland. Regungslos standen alle Bauten. Nur ihre Pfeiler, ihre Säu len, wiesen schweigend in den schwarzen Himmel. Langsam hoben sich Gardinensranse» von den Fensteistangen, sodaß diese uns er blickten und verstohlen blinzeln konnten. Und die Flllgeltürenlippen der Portale machten ein Geflüster: »Seht, da kommt sie — und in den Falten ihres Mantels ist ein Menschlein hängen geblieben — eins von den überlauten, die am Tage durch unsre Türe stolpern.« »Ihr irrt euch,« sagte ich und schmiegte mich ein wenig näher an die Mutter, »nicht reden will ich — nur zu schauen sollt ihr mir vergönnen.» »Bitte,« sagten die Tore und ließen mich ein. Mich und die Ausstellungsnacht, deren Hand ich nimmer losließ. Durch die Maschinenhalle gingen wir auf leisen Sohlen. Da lagen sie, die Kolben und Zylinder, die Räder, Wellen und Ge stänge, die am Tage fleißig liefen, da lagen sie und träumten. Und das Mondlicht saß gleich einem Nicsenvogel mit Silberschwingcn über ihnen und behütete sie. Und ich mußte denken: Schlafende Maschinen? Was sollen mir erstarrte Zeugen der Betriebsamkeit des Tages? Aber da wandten sie mir ihre metallische Stirne zu, hinter der des Tages Arbeit abgeebbt war. Dafür glänzte mir von ihren Stir nen, Hüften und Gelenken, sachte funkelnd, ihrer Arbeit Sinn ent gegen, der sich unterm Tasten des zudringlichen Tages ins innerste Räderwerk verkriecht. Die Halle des Gewerbes hatte uns entlassen, der Handel tat sich auf. Tafeln und Tabellen hatten hier am Tage mit Trompeten stößen die Erfolge eines Volkes verkündet. Jetzt schwiegen die Trom petenstöße. Die Tafeln und Tabellen schliefe». Aber unter ihrem ruhevollem Atmen spürte man dafür des Volkes stille Kleinarbeit, aus der die lauten Siege wachsen. 737
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