Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.04.1943
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1943-04-22
- Erscheinungsdatum
- 22.04.1943
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19430422
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-194304222
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19430422
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1943
- Monat1943-04
- Tag1943-04-22
- Monat1943-04
- Jahr1943
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
REGULA UND DER GRÜNE HEINRICH 15 Das Haus ,Zur Sichel' war für den Knaben überhaupt noch wichtiger durch das, was es seiner Seele als Nahrung bot, als durch die wirtschaftliche Lebenssicherung, die es ihnen allen gewährte. In der selbstbiographischen Plauderei, die Gottfried Keller zur Zeit der Beendigung seiner Staats schreiberschaft für die ,Gegenwart', eine damals viel ge lesene literarische Zeitschrift, verfaßte, spricht er im Hin blick auf die Entstehung des ,Grünen Heinrich' von der ,unbezwinglichen Lust', die er daran gefunden habe, ,in der vorgerückten Tageszeit einen Lebensmorgen zu erfinden, den er nicht gelebt hatte, oder, richtiger gesagt, die dürf tigen Keime und Ansätze zu seinem Vergnügen poetisch auswachsen zu lassen'. Aber er fügt ausdrücklich hinzu: *,Jedoch ist die eigentliche Kindheit, sogar das Anekdotische darin, so gut wie wahr.' So müßte man eigentlich, um eine möglichst lebendige Anschauung von der reichen Kleinwelt des mütterlichen Hauses und dem von ihr erfüllten und ge segneten Lebensmorgen Gottfrieds zu bieten, den größten Teil des ersten Bandes wörtlich wiedergeben. Denn wer ver möchte durch bloße Aufzählung der Tatbestände eine An schauung zu vermitteln von den düsteren Treppen, Fluren und Winkeln der unteren Stockwerke, den immer mehr sich aufhellenden und erweiternden Ausblicken der oberen Ge schosse, von dem rührenden kleinen Hofgärtchen, von all den seltsamen Geschöpfen, die im Hause ,Zur Sichel' ihr Wesen oder Unwesen trieben, namentlich von dem 1828 eingezogenen EhepaarHotz : der dicken Märchenmutter,Frau Margret' und dem schnurrigen, spitzigen, eisgrauen Haus kobold ,Vater Jakoblein' inmitten ihrer krausen, dämonisch- mittelalterlichen Zauberwelt und ihres Urväterhausrates? Wer vermöchte zusammenfassend die innere Tragweite all der Schulerfahrungen des Knaben — sei es mit den Lehrern, sei es mit den Kameraden, namentlich dem ,Jugendfeinde 4 Meierlein — fühlbar zu machen wie der Dichter selbst in seinem Romane? Wer vermöchte so insbesondere auch nur eine Ahnung davon zu erwecken, wie sich die religiöse Ge fühls- und Vorstellungswelt Gottfrieds gegen der .chul- Beispiel 3a REGULA UND DER GRÜNE HEINRICH 15 Das Haus ,Zur Sichel* war für den Knaben überhaupt noch wich tiger durch das, was es seiner Seele als Nahrung bot, als durch die wirtschaftliche Lebenssicherung, die es ihnen allen gewährte. In der selbstbiographischen Plauderei, die Gottfried Keller zur Zeit der Beendigung seiner Staalsschreiberschaft für die .Gegen wart*, eine damals viel gelesene literarische Zeitschrift, verfaßte, spricht er im Hinblick auf die Entstehung des »Grünen Heinrich* von der ,unbezwinglichen Lust*, die er daran gefunden habe, ,in der vorgerückten Tageszeit einen Lebensmorgen zu erfinden, den er nicht gelebt hatte, oder, richtiger gesagt, die dürftigen Keime lind Ansätze zu seinem Vergnügen poetisch auswachsen zu lassen*. Aber er fügt ausdrücklich hinzu: »Jedoch ist die eigentliche Kind heit, sogar das Anekdotische darin, so gut wie wahr.* So müßte man eigentlich, um eine möglichst lebendige Anschauung von der reichen Kleinwelt des mütterlichen Hauses und dem von ihr er füllten und gesegneten Lebensmorgen Gottfrieds zu bieten, den größten Teil des ersten Bandes wörtlich wiedergeben. Denn wer vermöchte durch bloße Aufzählung der Tatbestände eine An schauung zu vermitteln von den düsteren Treppen, Flurep und Winkeln der unteren Stockwerke, den immer mehr sich aufhel lenden und erweiternden Ausblicken der oberen Geschosse, von dem rührenden kleinen Hofgärtchen, von all den seltsamen Ge schöpfen, die im Hause- ,Zur Sichel* ihr Wesen oder Unwesen trie ben, namentlich von dem 1828 eingezogenen Ehepaar Hotz: der dicken Märchenmutter ,Frau Margret* und dem schnurrigen, spitzi gen, eisgrauen Hauskobold ,Vater Jakoblein* inmitten ihrer krau sen, dämonisch-mittelalterlichen Zauberwelt und ihres Urväter hausrates? Wer vermöchte zusammenfassend die innere Tragweite all der Schulerfahrungen des Knaben — sei es mit den Lehrern, sei es mit den Kameraden, namentlich dem .Jugendfeinde* Meier lein — fühlbar zu machen wie der Dichter selbst in seinem Ro mane? Wer vermöchte so insbesondere auch nur eine Ahnung davon zu erwecken, wio sich die religiöse Gefühls- und Vorstel lungswelt Gottfrieds gegen den schulmäßigen, besser schulmeister lichen .Religionsunterricht* entwickelte und wie sich sein erzähle rischer Gestallungsdrang (mit welch tiefsinniger Ironie deutet Keller hier auf das .schöpferische Wort*!) gelegentlich in höchst fragwürdigen Schwindeleien über Schulkameraden auswirkte? Es ist deshalb für jeden, der die Kindheit lenseres Dichters wirklich kennenlernen und ihre Bedeutung für sein dichterisches Schaffen erfassen will, also auch für den Leser dieses Buches, unerläßlich, ja selbstverständlich, daß er sich den ersten Band des .Grünen Heinrich* auf seinen lebensgeschichtlichen Gehalt hin noch einmal Bdspitl 3b
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder