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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.01.1930
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- 1930-01-07
- Erscheinungsdatum
- 07.01.1930
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X- 5, 7. Januar 1S30. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn. Buchhanbel. Das deutsche Schrifttum beeinträchtigt seine Weltgeltung, wenn es in dem Gewände der Frakturzeichen erscheint. Es gibt viele Ausländer, die die deutsche Sprache lernen, um Goethe oder Helm- holtz lesen zu können: sie sträuben sich aber dagegen, zugleich auch die sogenannte deutsche Schrift zu entziffern. Wir werden diese Abneigung verstehen aus dem Gefühl heraus, mit dem wir selbst die russischen Buchstaben oder die chinesische Bilderschrift ansehen. In dem internationalen Gelehrtenverkehr ist es allgemeine Übung, daß jeder seine eigene Sprache schreibt: dies gebietet die nationale Selbstachtung. Aber die internationale Höflichkeit gebietet zugleich den Gebrauch der Antiqua im Brief. Zwar werden uns Äußerungen von Ausländern angeführt, die bekunden, daß ihnen das Lesen von Fraktur keine Schwierig keiten mache, ja daß sie ein deutsches Buch lieber in Fraktur lesen als in Antiqua. Aber neben ein Dutzend solcher Äußerungen ließen sich leicht Hunderte von Aussagen stellen, die das Gegen teil besagen. Meine wissenschaftlichen Freunde im Auslande haben, wenn ich sie gelegentlich befragte, sich alle gegen diese un berechtigte deutsche Eigenart erklärt, die das an sich schon schwere Verständnis des Deutschen noch weiter erschwere. Wir hören ge legentlich: die deutsche Sprache sei so schwer, daß die Beschwerlich keit der Frakturzeichen daneben belanglos sei. Aber das Argu ment sollte lieber umgekehrt werden: Weil die deutsche Sprache leider so schwer ist, haben wir die verdammte Pflicht, in jedem Schriftsatz von internationalem Belange sorgfältig auf Klarheit und Einfachheit der Satz- und Wortbildung zu sehen. Die un nötige Erschwerung durch die Frakturzeichcn wäre ein unverant wortlicher Leichtsinn. Zum Glück sind Autoren und Verleger von Zeitschriften und Büchern auf mathematisch-naturwissenschaftlichem Gebiet hierin fast einer Meinung. (Mitteilungen der Deutschen Akademie. 16. Heft. 1927.) Diese Begründung wird von allen denen, welche im Ausland mit Wissenschaftlern, Diplomaten und Kausleuten Zusammenkommen, nur bejaht werden können und ich kann nach langem und gewissen haftem Studium dieser Frage nur wiederholen, was Prof. Renner, einer unserer besten deutschen Gebrauchsgraphikcr in dem »Archiv für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik« anfllhr: (Heft 6, 1928, S. 461): Die Antiqua, an deren Formen Deutschland in den Aachener Schreibschulen Karls des Großen entscheidend mitgearbeitet hat, ist heute die Weltletter. Wir haben erst in den letzten Jahren ' erlebt, daß sie die Schriften sehr viel älterer Kulturen des nahen und fernen Orients verdrängt hat. Es ist nicht einzusehen, wes halb in einer Zeit, in der alle Nationen das gemeinschaftliche Menschliche suchen, gerade Deutschland zu einer Schrift zurück kehren soll, welche die Verständigung nicht erleichtert und die Er haltung der deutschen Sprache in den deutschen Minderheiten der Nachbarländer gefährdet. Hier ist ebenso wie in den Sommerfeldschen Ausführungen der Kern des Problems berührt und wenn demgegenüber von Fraktur freunden ins Feld geführt wird, daß den Deutsch sprechenden oder lesenden Ausländern die charakteristischen deutschen Schriftzeichen lieber sind als Antiqua, daun muß demgegenüber doch bei aller Hochachtung vor diesen Frakturfreunden einmal klar ausgesprochen werden, daß der starke Wunsch zur Erhaltung der Fraktur den Blick getrübt hat. Wie liegen die Verhältnisse wirklich? Der Ausländer erlernt neben seiner eigenen Sprache Deutsch als Fremdsprache und er ist genötigt, nicht nur die schon an sich nicht leichte deutsche Grammatik, sondern auch noch die deutschen Schrift- und Druckzeichen (d. h. also vier neue Alphabete) zu erlernen. Das bedeutet bereits eine Er schwerung, die der Ausbreitung des deutschen Schrifttums nicht eben förderlich ist. Aber selbst wenn die Frakturzeichen erlernt sind, braucht es doch eine ständige Übung, um sie geläufig zu erhalten, d. h. um sie mit derselben Geläufigkeit wie die eigenen, meist latei nischen Schriftzeichen lesen zu können — und hier versagt die Frak tur. Ich bin noch keinem Ausländer begegnet, der mir erklärt hätte, daß er die Frakturschrift vorziehe, wohl aber bin ich von den An gehörigen der verschiedensten Nationen immer wieder darauf hin gewiesen worden, wie schwer es dem Ausländer fällt, die gedruckte Fraklurschrift zu lesen, gar nicht zu reden von der Schwierigkeit, welche sich ergibt, wenn frakturgeschriebene Briefe entziffert werden müssen. Keiner von all diesen Ausländern hat behauptet, daß es ihm nicht möglich sei, die deutsche Schrift zu lesen, nur ist der Energie aufwand, welcher zur Erfassung der Frakturschrift erforderlich ist, ein größerer, und manches frakturgedruckte Buch blieb im Ausland ungelesen, weil (ich zitiere hier wörtlich den Ausspruch gebildeter Ausländer) die Fraktur zu der Mühe des Lesens noch eine andere Schwierigkeit hinzufügt. Die wissenschaftlichen Verleger haben, wie aus dem im Börsenblatt veröffentlichten Statistiken mit Deutlichkeit 24 hervorgeht, sich mehr und mehr für den Gebrauch der Antiqua ent schieden und haben damit den von ihnen veröffentlichten Werken eine größere Verbreitungsmöglichkeit gesichert. Sehr häufig hat der gebildete ausländische Buchkäufer die Mög lichkeit, zwischen Werken über ein bestimmtes Thema in verschiedenen Sprachen zu wählen. Das deutsche Buch hat einen gutgegründeten Ruf und wird oft ganz gefühlsmäßig bevorzugt, aber nur dann, wenn es in den geläufigeren Antiqualettern gesetzt ist. Dabei darf nicht übersehen werden, daß bei verschiedenen Litera turgattungen manches für den Ankauf von Büchern in französischer Sprache spricht, die, wenn auch weit schlechter ausgestattet, zu billigeren Preisen zu haben sind. Gar manches spricht für die Be vorzugung der über den ganzen Erdball vertretenen englischen Sprache, doch schaltet hier das Preisproblem bereits aus, da die englischen Bücher keinesfalls billiger sind als die deutschen. Ich glaube nicht, daß die deutschen wissenschaftlichen Verleger den Gebrauch der Antiqua einschränken werden und ich glaube, es wird mir niemand widersprechen, wenn ich behaupte, daß es eben diese wissenschaftlichen Verleger sind, an deren streng nationaler Gesinnung auch nicht der geringste Zweifel möglich ist. Der Einwand, daß die deutschen Frakturzeichen häufiger im Ausland als Zeitungsköpfe und in sonstigen Veröffentlichungen hin und wieder einmal Vorkommen, ist kein Beweis für die Lesbarkeit der Fraktur, sondern beweist höchstens, daß die Frakturlettcrn auch hier und da ihrer ästhetischen Schönheit halber verwandt werden können, aber die Mühe, die notwendig ist, um einen Zeitungskopf, einen kleinen Prospekt, in dem einzelne Frakturlettern enthalten sind, zu entziffern, läßt sich doch nicht im entferntesten mit der weit schwereren Mühe vergleichen, die das Lesen eines in Fraktur ge setzten deutschen Buches erfordert. Es ist eigentlich überflüssig — und doch möchte ich hier erneut darauf aufmerksam machen, daß nicht ohne Grund die Handelsteile der Zeitungen in Antiqua gesetzt werden, daß die technischen Bei lagen sämtlicher großen im Ausland verbreiteten Zeitungen in Antiqua gesetzt sind, daß die Schilder aller deutschen Bahnhöfe (mit Ausnahme von Bayern) ebenso in Antiqua gesetzt sind wie die Fahrkarten, Fahrpläne und die deutschen Ausgaben des Baedeker, ja selbst die so stark für die Fraktur eintretende Deutsche Akademie druckt ihre Mitteilungen wahrscheinlich nicht aus ästhetischen Grün den in Antiqua. Es wäre meiner Ansicht nach verfrüht, für den ausschließlichen Gebrauch der Antiqua einzutretcn, aber andererseits sollte mit aller Deutlichkeit auch an dieser Stelle einmal darauf hingewiesen wer den, daß die Frage des Gebrauchs von Fraktur oder Antiqua heute mehr denn je vom Zweckmäßigkeitsstandpunkt aus beurteilt werden muß. Es handelt sich dabei nicht um das Aufgeben eines uns lieb- gewordenen Symbols, sondern einzig und allein darum, den Er zeugnissen deutschen Geistes nicht unnötig den Weg zur Verbreitung im Ausland zu erschweren. Ich will es einem Berufenerem überlassen, die ästhetischen Fragen, welche in der Polemik von Fraktur und Antiqua auch eine gewisse Rolle spielen, zu behandeln. Die Fraktur hat, soweit ich ihre Verwendungsmöglichkeit beurteilen kann, vorläufig noch zwei große und wichtige Aufgaben: Bislang wurde in den Schulen Frak- tyr als erste Schrift gelehrt und sie ist darum namentlich den volks- schulmäßig gebildeten Menschen weit geläufiger. Bücher, die sich an ein solches Jnl.andPudl'ikum wenden, sind fast durchweg in Fraktur gedruckt. Daneben hat die Fraktur bestimmt noch eine andere und sehr schöne Aufgabe: Ich stimme mit Frakturfreunden ganz darin überein, daß sie dem nordisch-gotischem Kirchenbau ver gleichbar ist und ich persönlich ziehe die Lektüre des in einer gut- geschnittenen Fraktur gedruckten »Faust« einer Antiquaausgabe vor. Es werden sich wahrscheinlich erst spätere Generationen end gültig darüber schlüssig werden müssen, inwieweit das absolute Fest halten an der Fraktur notwendig und wünschenswert ist. Die jetzige Generation hat andere Aufgaben. Sie hat meiner Ansicht nach sich immer erneut die Frage zu stellen, wann der Gebrauch von Fraktur und wann die Anwendung von Antiqua zweckmäßig ist. Aufgabe der jetzigen Generation ist es, den Äußerungen des deutschen Geisteslebens den ihnen zukommenden Platz in der Welt geltung zu sichern und wo dieser Zweck dadurch erreicht werden kann, daß wir uns einer auch in Deutschland allgemein gebrauchten Schriftart bedienen, geben wir nichts von unserem nationalen Stolz, nichts von unserer nationalen Eigenheit auf, denn es ist wertvoller, die sprachlichen Erzeugnisse des deutschen Geistes über den Erdball zu verbreiten, als an Symbolen sestzuhalten, die weit eher durch Gesinnung und Tat lebendigen Ausdruck finden können. Genf. Fritz Schnabel.
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