D<2§ -26U6 vo-r hr alle kennt die wilde Schwermut, die uns bei der Erinnerung an Zeiten des Glückes ergreift. Wie unwiderruflich sind sie doch dahin, und unbarmherziger sind wir von ihnen getrennt als durch alle Entfernungen, Auch treten im Nachglanz die Bilder lockender hervor; wir denken an sie wie an de» Körper einer toten Geliebten zurück, der tief in der Erde ruht." Mrt diesen Worten beginnt Jüngers Erzählung von jenen glücklichen Tagen, die seine beiden Helden in einem südlichen Lande an wcinbewachseueu Hängen ver brachten, ein Kranz strahlender Bilder, gemalt mit jener innigen Liebe Jüngers zu allem, was uns die Erde schenkt, dem Wein, Pen Pflanzen, den Gaben des Meeres. Ans der schattenlosen Fröhlich keit dieses Daseins kommen dem Dichter Worte wie diese: „Oben saß ich noch lange am offenen Fenster in großer Heiterkeit und fühlte von Herzen, wie sich der Lebeosstosf in goldenen Fäden von der Spindel wand." Mil den beiden jungen Männern, die in freier Gelassenheit in der Luft einer diesscitafrohen und hohen Kultur ein Leben leben, „das auf altem Grunde wohl gezogen und gebunden wie die Rebe sich entfaltete und Früchte trug", sehen wir Wandel und Untergang dieser Welt. Die seligen Bilder färben sich um in dunkle Tafeln apokalyptischer Gesichte, in Geschehnisse, die keiner bestimmten Zeit und keinem bestimmten Raume angehören. Die beiden Männer haben sich nach einem Heerzuge gegen Alta Plana in die Gefilde an der Marina zurückgezogen, um ein Leben stillen Forschensund Sammelns in ihrer Klause an den Marmorklippea zu führen. An die Marina grenzt die Landschaft der Campagna, in der die Reste einer alten Hirtenkultnr weiterleben, und an diese das Reich des Waldes. Aus den Tiefen dieser Waldgrüude steigt wie ein Brodem die dunkl aber unwiderstehliche Macht, die einem geheimen Aussatz gleich an dem Bestände der Hirtenwelt nagt nnd ans das Laad an der Mnriaa zunächst uoch wie „eia Hauch versteckter Müdigkeit »ad Anarchie" überzugreifen beginnt. Geführt wird das Lemnreagelichter, da» „ans den Niederungen auf die Bastionen -mporsteigen" will, von einem Manne, dem „Oberförster", in dessen „fürchterlicher Jovialität" barbarisch zwingende Urgewalt angesammelt ist. Da« Kriegerpaar stellt sich zusammen mit den Resten des Hirtenvolkes dem Feinde, und es beginnt in dem ungewissen Zwielicht der sumpfigen Wälder ein Kamps, dessen grandiosen and schauerlichen Szenen wir mit den Augen des jungen Kriegers in einem Zustand verzauberter Selbst entrücktheit beiwohnen. Unangefochten geht er durch das Gemetzel und die Werke der Verwüstung hindurch, nm lächelnd einem neuen Morgen und neuen Gestaden entgegenzuschreitea. Verwoben in dieses Geschehen von realer Phantastik sind viele Gestalten, die in der Schärfe deutlicher Tranmgesichte vor uns stehen. Der junge Fürst, der sich als einer der „Schwächsten und Reinsten zu den ehernen Gewichten dieser Welt drängt", Braqoemart, sein Begleiter, der „Techniker der Macht", mephistophelisch-kühl and gefährlich, Lampros, der Mönch, in Weisheit und Güte über allem stehend und lächelnd bereit in der Stunde des Untergangs. Immer und immer wieder wird man die Seiten dieses Buches lesen, die wie von abendlichem Gold und dem Widerschein des Blutes za erstrahlen scheinen und immer wieder wird mau zu dem Zauber dieser Worte zurückkehren, denen in tänzerischer Leichtigkeit und Gewißheit alle Höhen des Gedankens und alle Niederungen der Leidenschaft nnd Zerstörung zugänglich sind. ... „Jüngerist ein Einzelner auf vorgeschobenem Grenzbezirk. Eristein Ereignis in unserem Schrifttum, in dem, wie überall, di- entscheidenden Cäsuren im Verborgenen statlsindea. .. .In dieser zeitlosen Dichtung sind wirkende Kräfte gebannt und beschworen zu unheimlichem Spiel." (Herr Wolf Hermann i. §o. Iohs. Storm, Buchhandlung, Bremen) T Nr. 280 Dienstag, de» 8. Oktober 1980 SV8S