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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.02.1930
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- Ausgabe
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- 1930-02-15
- Erscheinungsdatum
- 15.02.1930
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39. 15. Februar 1930. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b.Dtschn. Buchhandel. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der oben er wähnten Entscheidung des erkennenden Senats vom 29. Juni 1928 in I. W. 1928 S. 2364 Nr. 4 in der Sache des Buchhändler-Börsenvercins gegen den jetzigen Beklagten in dem Worte »Gratis« als Überschrift der Zeitungsanzeigen nur eine Übertreibung erblickt, welche die Leser beim Durchlcscn des Wortlauts selbst als solche erkennen und daher nicht wörtlich nehmen. Der erkennende Senat kann bei Prüfung der Frage, ob die den Gegenstand der vorliegenden Klage bildenden Zei tungsanzeigen der Beklagten mit Rücksicht auf die schlagwortartig verwendete Überschrift des Wortes »Gratis« eine unrichtige Angabe enthalten, nach den vorstehenden Darlegungen bei seinem früheren verneinenden Standpunkt nicht stehen bleiben. Die zugrunde liegende Auffassung, daß erfahrungsgemäß die als Interessenten für das an gekündigte Werk in Betracht kommenden Kreise den Wortlaut genau lesen, konnte schon an sich nicht in diesem Umfange aufrechterhalten werden, mußte hier aber auch schon mit Rücksicht auf den anderen Gegenstand der Zcitungsankündigung die oben dargelegte Einschrän kung erfahren. Denn der für unsere Klassiker in Betracht kom mende Käuserkreis ist ein weiterer als bei einem doch ein gewisses Spezialinteresse auf besonderem Gebiet voraussetzenden Werke wie »Brehms Tierleben«, um das es sich in jenem früheren Falle han delte. Der Kreis der Interessenten von Schillers Werken umfaßt einen sehr großen Teil des deutschen Volkes. Bei diesem Kreise ist also ein erheblicher Teil wenig geschäftsgewandt und urteilsfähig. Hiernach ist die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die Zei tungsanzeigen wegen der schlagwortarttgen Überschrift »Gratis« nicht unrichtig seien, da die Interessenten das Werk in der Tat nur mit den von ihnen aus dem Wortlaut der Zeitungsanzeigen fest- gestellten Spesenbeträgen belastet erhielten, rechts irrig. Daß durch die Ankündigung der Gratishergabc des Werkes auch der Anschein eines besonders günstigen Angebots erweckt wird, kann keinem Zweifel unterliegen. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es nicht darauf an, ob das gelieferte Werk (die ungebundene Ausgabe) nach seiner Beschaffenheit im Verhältnis zum Preise von —.20 NM. je Band, also von —.40 NM. für ein aus 2 Bändeu be stehendes Buch, verglichen mit anderen Ausgaben, als günstige Leistung anzusehen ist. Es handelt sich vielmehr nur darum, ob die Beklagte ihre möglicherweise an sich günstige gewerbliche Leistung durch Angaben angepriesen hat, die der Wahrheit nicht entsprechen. Das ist übrigens nicht nur durch das Gratisangebot, sondern auch durch die willkürliche Bezeichnung der in den Zeitungsanzeigen an gekündigten Ausgabe als »Gedächtnis-Ausgabe« geschehen, da jeder unter einer so bezeichneten eine besonders gut ausgcstattcte versteht. Von einer solchen kann aber auch nach der Feststellung des Be rufungsgerichts hier keine Rede sein. Auch durch die Befristung der Einsendung des Bestellscheins wird der Anschein eines besonders günstigen Angebots erweckt. Denn es wird dadurch der Eindruck er zeugt, als ob cs sich nach Art der im Buchhandel vielfach üblichen sog. Subskription um ein Vorzugsangebot derjenigen Ausgabe des Werkes handle, die nach Ablauf der Frist für die Einsendung des Besteltkoupons nur noch zum regulären Preis abgegeben werde. Das ist aber unstreitig nicht der Fall. Danach liegt in den fraglichen Zeitungsanzeigen eine Verletzung des 8 3 UnlWG., aber auch eine solche des 8 1 daselbst durch die Be klagte. Ihr unlauteres, d. h. sittenwidriges Verhalten, das sie mit diesen Anzeigen begeht, liegt in mehreren der vorstehend behandelten Momente, insbesondere in den zum Zwecke der Anlockung von Inter essenten bewußt unwahr aufgestellten Behauptungen: es werde nur ein Teil einer im übrigen nicht unentgeltlich abgegebenen Ausgabe gratis an diejenigen, die sich innerhalb der 8tägigen Frist melden, abgegeben: ferner es handle sich um eiue »Gedächtnis-Ausgabe«; weiter in der Aufrechterhaltung der Forderung einer Vergütung der Annoncen- und Verpackungsspesen in Höhe von —.20 NM. je Band in ihren Zeitungsanzeigen und auf den unten zu behandelnden »Gratiskarten« noch geraume Zeit nach dem Juli 1925, obgleich sie — worauf die Revision des klagenden Verbandes mit Recht hinweist — in ihrem Schriftsatz vom 29. November 1927 selbst zugestanden hat, daß diese Spesen in der Zeit vom Juli 1925 bis Ende 1926 nur noch —.14 NM. je Band betragen haben. Unlauter sind die Zeitungsanzeigen weiter aber auch deshalb, weil darin, vor allem in dem schlagwortartigen als Überschrift ge brauchten, allen Lesern sofort in die Augen fallenden Worte »Gratis«, nach den obigen Ausführungen ein Anlocken der Kundschaft durch unwahre Angaben zu erblicken ist. Das Wort hat die Aufgabe, als sog. »Blickfänger« zu wirken. Es erfüllt 'ln hervorragender Weise den nach der Feststellung des Berufungsgerichts auf Grund des un streitigen Sachverhalts von der Beklagten mit den Zeitungsanzeigen hauptsächlich verfolgten Zweck, sich die Anschriften von Interessenten durch die von diesen übersandten ausgefüllten Zeitungskoupons zu 164 verschaffen, um ihnen die sog. »Gratiskarte« zuzusenden und sie durch diese zu der nach der Feststellung des Berufungsgerichts für die Be klagte äußerst vorteilhaften Anschaffung der Ausgabe ^ (d. i. der ge bundenen, sog. Prachtausgabe) zu bewegen. Denn deren Vorzüge wurden auf der sog. »Gratiskarte« im Vergleich zu der nur ganz nebenher und keineswegs lobend erwähnten ungebundenen Ausgabe 6 stark betont. War das Interesse des Lesers durch das Schlagwort »Gratis« im Kopf der Zeitungsanzeige erweckt und hatte er daraufhin durch Ausfüllung und Übersendung des Zeitungskoupons seine Anschrift der Beklagten mitgeteilt, so fühlte er sich, wie das Berufungsgericht feststellt, dieser durch Annahme ihres »Angebots« in der Zeitungs anzeige gebunden. Denn er erblickte nach der Feststellung des Be rufungsgerichts in dieser nicht, wie es rechtlich zutreffend wäre, nur die Aufforderung, seinerseits der Beklagten ein Vertragsangebot zu machen, das erst durch ihre Annahme den Vertragsschluß herbeige führt hätte, sondern bereits ein Angebot selbst. Die Beklagte ver stärkte übrigens, wie das Berufungsgericht mit Recht betont, den Eindruck beim Leser, daß es sich bei ihrer Zeitungsanzeige bereits um ein Angebot handle, indem sie es dort selbst so nennt (»Das Angebot gilt nur für Coupons, die innerhalb 8 Tagen eingesandt werden«). Auch mit Rücksicht auf diese Feststellungen des jetzt angefochtenen Urteils ergab sich eine andere Sach- und Rechtslage. Nach den vor liegenden Feststellungen des Berufungsgerichts kann nicht mehr davon ausgegaugen werden, daß der Empfänger der »Gratiskarte« in seinem Entschluß, ob er auf Grund des Inhalts der Karte eine der beiden Ausgaben bestellen will, oder ob er von einer Bestellung ganz Ab stand nehmen will, vollständig frei sei, wie in dem früheren Urteil als für die Entscheidung wesentlicher Umstand angenommen ist. Dabei ist zu bemerken, daß es allein auf die Auffassung des Empfän gers der Gratiskarte, nicht auf die objektive Rechtslage ankommt. Entscheidend ist also allein, ob der Empfänger sich gebunden fiihlte. Daß dies der Fall sei, stellt hier das Berufungsgericht fest. Ersah nun der Leser aus der ihm übersandten »Gratiskarte«, welche großen Vorzüge die gebundene sog. Prachtausgabe vor der anderen hatte, zu deren Abnahme er sich seiner Ansicht nach durch die Übersendung des ausgcfüllten Coupons verpflichtet hatte, so lag der Entschluß für ihn nahe, auf die minderwertige Ausgabe, wie sie ihm jetzt von der Be klagten aus der Gratiskarte hingestellt wurde, zu verzichten und statt ihrer nunmehr die ihm jetzt ganz neu vorgeführte gebundene sog. Prachtausgabe zu bestellen. Auf diesen Entschluß wirkte die Beklagte auch noch, abgesehen von jenem psychologischen Moment, dadurch recht nachdrücklich ein, daß sie auch jetzt wieder dem Käufer täuschend vor- spicgelte, es handle sich um eine Gratishergabc, wenigstens insofern, als er, wie das Berufungsgericht feststellt, für diese Ausgabe nur den Einband — und zwar billig — und einen angemessenen Gewinn fiir die Lieferung zu bezahlen habe, das Werk selbst aber gratis erhalte. Diese Angabe der Beklagten aber ist bewußt unwahr. Denn der Preis deckt, wie das Berufungsgericht feststcllt, nicht nur den Einband und das Einbindcn und einen angemessenen Gewinn der Beklagten für diese Leistung. Vielmehr bleibt für sie, darüber hinaus aus den »Einband-Vergütungen«, wie das Berufungsgericht weiter feststellt, ein solcher Verdienst, daß er die ganzen Kosten und Spesen der sog. Gratisausgabe, d. i. der ungebundenen Ausgabe k und der Pracht ausgabe, d. i. der gebundenen Ausgabe ^ deckt und außerdem noch einen so großen Gcschäftsgewinn bringt, daß auf jeden der beiden Teilhaber der Beklagten, wie sie nicht bestritten haben, jährlich rund 100 000 NM. entfallen. Auch diese Angabe der Beklagten auf der Gratiskarte sowie die Bezeichnung dieser Karte selbst stellt nicht nur, wie das Berufungs gericht annimmt, eine unrichtige Angabe dar, die geeignet ist, den Anschein eines besonders günstigen Angebots zu erwecken (8 3 Unl. WG.), sondern auch ein unlauteres Verhalten im Sinne des 8 1 UnlWG. Daher war die Revision der Beklagten ohne weiteres un begründet. Daß diese die Art der Reklame der Beklagten schwer be lastenden Feststellungen des Berufungsgerichts und die sich daraus ergebende zutreffende rechtliche Beurteilung ihres Verhaltens in diesem Punkte von außerordentlicher Bedeutung für die Beurteilung des gesamten Verhaltens der Beklagten sein muß, kann keinem Zweifel unterliegen. Betrachtet man das gesamte Neklamesystem der Beklagten, be stehend aus den beiden Teilen — Zeitungsanzeige mit Einsendung des ausgefüllten Coupons sowie darauf erfolgende Übersendung der sog. Gratiskarte, um Kunden für diese überaus gewinnbringende »Prachtausgabe« zu gewinnen, — im Zusammenhänge, so muß man nunmehr in der schlagwortartigen Überschrift »Gratis« über den Zei tungsanzeigen einen wohldurchdachten Fall des von der Rechtspre chung des Reichsgerichts stets verpönten, weil unlauteren Kunden fangs mit Hilfe unrichtiger Angaben erblicken.
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