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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.02.1939
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1939-02-24
- Erscheinungsdatum
- 24.02.1939
- Sprache
- Deutsch
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- Saxonica
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1939
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Anlerhaltungsleklüre * Bon Dan Bergman Gustav Donnerstag hatte einen neuen, fünfbändigen Roman geschrieben. Da betrat Berglund eines Sonnabendabends eine Buchhandlung, in der Absicht, den legten Band der Delekliv- ferie »Kaviar für den kleinen Mann" für 25 Dre zu kaufen, um ein bißchen leichte Abendleklüre zu haben. Aber da stieß er mit seinem Freund Lundberg zusammen und genierte sich wegen seines bescheidenen Einkaufs. Und so kaufte er statt dessen Gustav Donnerstag« neuen dickleibigen, fünfbändigen Roman. Der Roman kostete 20 Kronen. Und war unglaublich schwer. Berglund mußte sich ein Auto nehmen, um das schwere Paket nach Hause zu befördern und hätte sich beinahe verhoben, bevor er keuchend die acht halben Treppen bezwungen und seine Bücher wütend in sein Zimmer getragen hatte. Wütend auf Lundberg und noch wütender aus Gustav Donnerstag. Anfangs wollte er das Paket überhaupt nicht ansehen. Aber er war nicht nachtragend, und als er sich verpustet hatte, riß er, immer noch ein bißchen nervös, das Packpapier auf, schnitt mit markierter Langeweile ein paar Seilen des ersten Bandes auf und fing mit skeptischem Lächeln an zu lesen. Lr kämpfte energisch dagegen an, forlgerissen zu werden, und grunzte: ,ÄH!" und »Pah!" und »Billig!" Aber da fielen ihm die 20 Mark ein, und er sagte setzt: »Teuer, teuer, viel zu teuer!" Allmählich wich indessen sein skeptischer Gesichtsausdruck einem wohlwollenden Lächeln, und er kicherte: »Nicht übel!" und »Das Ding ist gut!" Und schließlich versank das Lächeln in einem Ausdruck alles verschlingender Gier, und er verschlang Geile für Seile mit offenem Mund und hungrigen Augen und wurde wütend über die kleinen Unterbrechungen, die dadurch verursacht wurden, daß das Buch nicht vorher ausgeschnitten war. Und als Frau Berglund die Tür ein kleines bißchen öffnete und hineinflötete: »Männe, die Kalbshaxen sind auf dem Tischl" brüllte er zurück: »Störe mich nicht, du siehst doch, daß ich be schäftigt bin!" Und er sprang auf, schlug die Türe zu, brach seiner Frau das Herz und die Nase beinahe auch und klemmte einen Zipfel ihres Röckchens in der Türfpalte fest. Frau Berg lund riß sich los und entfernte sich, blaß vor Erregung. Und Berglund las weiter. Lin paar Stunden später warf er zufällig einen Blick auf die Tür und bemerkte den Zipfel und glaubte, daß er noch zu seiner Frau gehörte. »So - du spionierst!" dachte Berglund höhnisch. »Na, meinet wegen! Wollen sehen, wer zuerst müde wird!" Und er las weiter. Aber der Zipfel wurde nicht müde. Lr reizte ihn unglaublich. Lr konnte seine Gedanken nicht auf das Buch konzentrieren. Bis Mitternacht hielt er jedoch aus. Dann schlich er sich zur Tür, riß sie polternd auf und brüllte: »Jetzt mach aber, daß du fortkommstl Du dummes Ding!" Und er schämte sich sehr. Frau Berglund wachte von dem unheimlichen Geräusch auf, er schrak, drehte den Schlüffe! des Schlafzimmers um und beschloß unter Tränen, am nächsten Morgen einen Nervenarzt kommen zu lassen. Berglund las indessen weiter. Um ein Uhr hatte er 150 Seiten gelesen. »Nein, jetzt muß ich doch zu Bett gehen!" dachte er, »Ich will bloß noch sehen, wie dieses Abenteuer abläuft.' Am Gonntagmorgen um drei hatte Berglund den ersten Band ausgelesen. Aber gerade da schwebte der Held in wirklicher Lebensgefahr. Berglund wollte ihn so schnell wie möglich retten und fing den zweiten Band an. Um sechs Uhr morgens war der Held so gut wie tot. Um sieben war er auf dem Wege zur Genesung, aber da sah es sehr schwarz aus für die Heldin. Um acht Uhr polterte das Mädchen herein, um reinzumachen. Berglund hatte keine Ahnung von Raum und Zeit mehr, er war viel zu tief in den Roman versunken, seine roten, brennen den Augen rutschten über die Zeilen, hin und her, hin und her. Als sich das Mädchen bemerkbar machte, stieß Berglund einen Schrei des Entsetzens aus. Aber er war nichts gegen das Ge brüll des Mädchens. Um 11 Uhr vormittags kam der Newenarzl, freundlich und herzlich und taktvoll. Aber als er gleich daraus die Treppe hinunterfauste, fluchte und schimpfte er so, daß es nach Schwefel roch. Um zwölf Uhr mittags war Bcrglund mit dem zweiten Band fertig. Dann aß er ein kräftiges Frühstück und schlief am Tisch ein, das Gesicht in der Satte mit dicker Milch, und wachte um drei Uhr nachmittags aus, mit einem starken Schnupfen, aber sonst gestärkt an Leib und Seele. Und er fuhr mit dem dritten Band fort, den er dann um ein Uhr nachts verschlungen hatte, wonach er unmittelbar über den vierten Band Hersiel, auf dessen siebenundsechzigster Seite - Naturbeschreibung - er in einen bitter notwendigen, schweren Schlaf verfiel, in dem er bis Mvn- tagmorgen um neun verblieb. Dann rief er im Geschäft an und entschuldigte sich wegen Krankheit. Am Montagabend um zehn kam er unglaublich matt, aber ziem lich normal und quitschvergnügt zu Frau Berglund hinein und drückte ihr einen Kuß aus die Stirn - er war mit dem fünften und letzten Band fertig. Aber Frau Berglund saß da, die Daumen in die -Ohren gepreßt und die übrigen Finger in ihrem schönen Wuschelhaar und winkle Herrn Bcrglund ungeduldig mit beide» Füße» ab - sie war schon beim zweiten Band. Sie brauchte vier Tage und vier Nächte, fast ohne Pause, für alle fünf Bände und außerdem ein halbes Jahr im Sanatorium. Das Mädchen hielt nur zwei Tage und drei Nächte dabei aus. Aber sie las sehr oberflächlich. Im übrigen wurde sie mitten im dritten Band entlassen. Seitdem ist sie nur ein halber Mensch, ihr fehlt der Schluß des Romans. 161 Börsenblatt f. b. Deutschen Buchhandel. 10S. Jahrgang. Nr. 47 Freitag, den 24. Februar 1S8S 1077
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