IZlZlZlZlZlZlZIZlZlZlZlZlZlZlZlZlZlZilZlZIZlZlZlZIZlZlZlZlZIZIZIZlZlZIZlZlZIZIZlZlZlZ löl »IZ l°I tt^8 NLI8LK Reiser ist eines der letzten großen Originale unter den Lebenden. Berliner Tag-bia» °.2s,4.zs. v ^ M » « StvwL vom.»nvr<ro».^s Der Roman von Reiser lieft sich interessant wie ein Abenteurerroman, ist aber mehr, weit mehr. Er ist eine bittere Kritik an der Zivilisation, die die heißen Erd- teile vom weißen Mann übernahmen und dann daraus einen makabren Karneval, eine Kitsch- und Talmi- Fassade machten. Er ist eine Kritik an den zivilisatorischen Zuständen überhaupt; nicht neu dieser Gesichtspunkt; vom Standpunkt eines Amazonas-Jndianerftammes sieht eben die zivilisierte Welt mit ihren .unbedingten" Be dürfnissen an Sockenhaltern, Schlipsen, Bankkonten und gutem Benehmen etwas fragwürdig aus. Aber dieser Fall ist neu: ein Deutscher, der vor der Zivilisation floh und langsam unter vielen Qualen und Hemmnissen in nerer und äußerer Art zu ihr zurückkehrt, erlebt die Schönheiten und Grausigkeiten dieses gewaltigen Stro mes, er sieht Menschen und Tiere an den Ufern, ver läßt seine Indianer-Freunde, die ihn .Shiri Kaipi" nannten. (Lin unübersetzbares Wort der Quecha-Sprache, bedeutet zugleich .blaßblauer Idiot, dreifaches Stachel schwein und viereckiges Maultier!" oder .Entschuldige, daß du mir den Buckel runterrutschen kannst!" oder .Die Götter im Walde sind ewig und du bist sterblich!" oder .Alles Glück dem, der so denkt wie wir!" oder auch .Unterdrückt, ausgesogen, ausgeplündert, hundearm und rechtlos, aber noch am Leben und damit zufrieden!') Das schöne an diesem Roman des Heimwehs ist, daß zugleich mit der inneren Stimme, die .Komm nach Deutschland!" ruft, jene andere Stimme hörbar wird, die flüstert: .Bleib da!" Der Dschungel der Amazonas ruft den Flüchtling immer wieder, in allen Tönen und Färbungen zu sich; der Freund, die vielen herrlichen Indianermädchen, deren Stämme nur daraus Watten, Shiri Kaipi als Ehrenmitglied aufzunehmen, die Schön heit der Wälder, die Bedürfnislosigkeit, die Freiheit der Kreatur, die Herrlichkeit des Kampfes ums Dasein, mit primitivsten Mitteln täglich und nächtlich ausgefochten- all dies Wunder der Tropen wird übertönt, übertäubt von dem übermächtigen Ruf nach Europa, nach Deutsch land. - Schöne Szenen ziehen vorüber, lebendig ge schildert, packend erzählt; anekdotisch blitzt das eine oder andere Menschenschicksal auf, trüb oder heiler stimmend, aber immer mit heißem wildem Blut durchpulst, immer in tropischer Fiebrigkeit. - Ein Roman, den man nicht aus der Hand legt, ehe man ihn zu Ende gelesen hat. Das Ende ist geschickt angefaßt: Shiri Kaipi fährt schon auf dem Meer nach Europa: parallel dazu wird die Verheiratung seines zurückgelafsenen Lieblings Zumbona erzählt (und wenn man am Amazonas von Shiri Kaipi spricht, klingen ihm die Ohren dabei auf dem Dampfer); weiß geschminkt naht sich der Indianer-Bräutigam der kleinen gefährlichen Zumbona; als die ihn sieht, verfällt sie in ein Lachen, das .fast wie ein Schluchzen" klang. .Laß das Weib, komm her zum Saufen", sagt der erboste Schwiegervater Lhirolin. Und so geschah es. Lin männliches Buch, ein Buch ohne Schminke, ohne Phrasen. Lin erfreuliches Buch. DAZ., Berlin, vom IS. Rov. I9Z6 noi.i.c «> co. vc«>.zosciri.>e4 7034 Nr. 278 Donnerstag, den 2t. November 1988