5086 Nr. 227 Donnerstag, öen 29. September 1939 161616161616161616161616IZ16IZ16161616161616161616161616161616161616161616161616161616 61 61 61 D» ^ie Geschichte der Seele, die uns Walter von Molo in diesem reifen und sehr tiefgründigen neuen Werke geschrieben hat, ist die Geschichte der Seele des Dichters Heinrich von Kleist, einer der tragischsten und größten Erscheinungen nicht nur der deutschen Literaturgeschichte, sondern der deutschen Geschichte überhaupt. Wir sind vielfach gewohnt, Kleist als eine höchst individuelle, wenn nicht exzentrische Erscheinung anzu- sehen. Nichts ist falscher als das. Er war einer der großen typischen Formen des deutschen Wesens. Und wenn er in einer Zeit, in der das Deutsche sich nicht selbst traute, nicht zeitgemäß war, so ist er es heute in einem ganz überraschenden Ausmaß. Warum und inwiefern er das ist, das erleben wir mit größter Eindringlichkeit in diesem Meisterwerk einer biographischen Dichtung. Wohl wird dem überaus beschwerten, schwierigen und störbaren Indi viduum Kleist mit wahrhaft hellsichtiger Einfühlung nachgegangen, uud auch seine abseitigen Regungen werden nachgezeichnet, so daß wir stets wie in jedem wahren Dichtwerk einen Menschen in seiner Ein maligkeit vor uns haben. Aber dieser Mensch, dem es vom Erwachen seines persönlichen Bewußtseins an um nichts anderes ging als um das Schwerste, die Erkenntnis der Wahrheit und ihre Umsetzung in die Tat, in das Leben, dieser Mann war logisch zugleich in einer Zeit größter nationaler Ohnmacht und Zerrissenheit der ungebrochene Kämpfer für ein großes, einiges und freies Deutschland; in ihm stemmte sich der nordische Geist gegen die Übermächtigung durch jene internationalen Ideen, die schein bar auf allen Fronten gesiegt hatten, gegen den Wahnsinn, den die Menschheitsidee der französischen Revolution und der Weltreichgebanke Napoleons auch über Deutschland zu breiten drohte. Kleist zerbrach an einer Zeit, die ihn nicht hören konnte und wollte. Wir können ihn wieder hören, und wir hören ihn hingerissen aus dieser Geschichte seiner Seele sprechen, die ein Dichter wie er auf der Höhe seines Lebens geschrieben hat, mit der bewußten Gewalt über eine geschliffene Sprache, der nichts entgeht und die gerade in ihrer Gehaltenheit, in ihrer großen epischen Ruhe und dennoch psychologischen Biegsamkeit immer wieder überrascht und erschüttert. Walter von Molo, der dem deutschen Volke die großen epischen Deutungen des Lebens Friedrichs und Schillers geschenkt und Gestalten wie Friedrich List und den Prinzen Eugen erschlossen hat, erobert uns mit diesem Buch einen der verkanntesten Deutschen, den unser Herz nun nicht mehr verlieren kann. i.—io. Tausend, 629 Seiten Umfang. Broschiert RM. 4.50, in Leinen RM. 7.— G 1616161616161616161616161616! 616161616161616161616161616161616161616161616! 6161616161616161 5087