Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.04.1934
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- 1934-04-10
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- 10.04.1934
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X- 82, 10. Aprll 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. ö. Dtschn Buchhandel. Auch die Kritik wird neu. Von Rudolf Paulsen. Man muß einmal die älteren Jahrgänge literaturkritischer Zeitschriften vornehmen, um festzustellen, was sich durch den natio nalsozialistischen Umbruch auch in der Kritik der schönen Literatur geändert hat. Es ist erstaunlich zu sehen, wie bis vor kurzem auch unsere besten Kritiker vielfach im Dunklen herumtappten, wie wenig sie eins deutliche Linie verfolgten. Kein Wunder: wir haben im Chaos gelebt. Und dieses Chaos ergab sich aus dem losgelösten Individualismus. Seelenkundlich ist das leicht zu ver stehen: der Einzelne läuft mit seiner trüben Fackel durch sein Inneres, da mag er suchen, soviel er will, er sinket immer nur sich. So bezog der individualistische Kritiker seine Kritik auch nur auf sich selbst: die Gewichte, mit denen er wog, lagen in ihm. Es ist tatsächlich so, daß erst, nachdem die Tür der Höhle des Ich durch Adolf Hitler aufgestoßen war, erst, nachdem dieses Gefäng nis geöffnet war und der Führer die Tagblinden herausgesührt hatte, sie wieder, allmählich ans Licht gewöhnt, sehend geworden sind. Dieser Vorgang hat allerdings etwas von einer scheinbaren Säkularisierung; die Einzelseele fühlt sich zunächst in die irdische Welt gewiesen, herausgerissen aus ihrem individualistischen Pri- vathimmcl, ihrer individualistischen Privathölle. Sie kann ihr Herzchen nicht Pflegen, sie kann sich um ihr Seelenheil nicht küm mern, die individualistische Person, die sich nun nicht mehr isolie ren darf. Sie hielt sals Kritiker) sich fern der Zugluft der Welt, nun aber muß sie sich den Wind um die Nase wehen lassen. Ener gisch ist sie aus ihrer privaten Theorie in die Diesseitspraxis gerissen worden. Ja, das sicht aus wie »Verweltlichung«. Aber in Wirklich keit ist es nur die Wendung vom unverbindlichen Ich zum ver pflichtenden Wir des Volkes. Und das Volk ist niemals nur eine Gegebenheit, sondern immer auch Idee und Aufgabe. Niemals hört das auf, daß das Volk werden muß, um zu sein. Der lebendige Vorgang des Volkwerdens ist nichts zu Beendendes; immer muß der Einzelne die Spannung ausgleichen zwischen dem Jchpol und dem Wirpol, immer muß er aus dem Posten sein, damit die Volksgemeinschaft lebe und nicht wieder indivi dualistisch aussplittere. Objektive Kritik ist damit allererst möglich. Die Maßstäbe liegen nun nicht mehr im individuellen Gefallen, nicht mehr im individuellen Dicketun, nicht mehr in einer Art Prominenz. Sie liegen vielmehr im Wir des Volkes. Dadurch ist der Kritiker zu einer ganz anderen Verantwortlichkeit genötigt! Volkförderndes zu fördern, Bolkschädliches abzuwchren: das ist eine andre Sache als das subjektive Behagen. Die Kritik wird damit zu einer höchst würdigen Angelegenheit, und die früheren kritischen Methoden des Individualismus verfallen mit Recht dem Spott. Niemand sei sich darüber im unklaren, daß Kritiker zu sein im Dritten Reich nichts leichthin zu übernehmendes oder zu Bewältigendes ist. Der Kritiker muß unmittelbar in Fühlung mit den Volks genossen gehen. Er ist nicht mehr der gebildete »rbilsr eleganti- sruw, der nach rein ästhetischen Massen das (ihm) Gefällige zu loben hätte und das (ihm) Zuwidere zu tadeln. Auch handelt es sich nicht mehr darum, ein Austernfischer zu sein, sondern aus den vielen dargebotenen Nahrungsmitteln des Geistes das »Volks brot« herauszufinden. Es mußte während des liberalistischen Chaos natürlich da hin kommen, daß der Kritiker das Behagliche suchte. Und wenn es nicht das subjektiv Sinnenbehagliche war, so doch das Geist behagliche, im Grunde immer das, was ihn zu erhöhen schien, indem es ihn vom Volk wegsührte. Die Kritik war individuali stisch »verstiegen-, genau wie die Literatur, die sie zu kritisieren hatte, zum größten Teil. Es versteht sich, daß die Wendung, die wir erleben, auch in der Kritik nicht unverzüglich zu ganz reinen Ergebnissen der Praxis kommen kann, weil wir überall erst in das Neue hineinwachsen müssen. Denn natürlich ist es so, daß nun nicht die einzelnen, die der Masse nach gesehen aus eine Weise immer einzelne bleiben, ganz gleich, wie, wer und was sie sind, unter Berufung daraus, daß sie »Volk« wären, so schlechthin die 316 Kritik leisten könnten, wie sie verantwortlich zu fordern ist, son dern daß auch hier das Führerprinzip gilt. Sonst brauchten wir keine Kritik und keine Kritiker. Kritische Führer können nur die sein, die außer der Fühlung mit dem Volke in dem Zustand, in dem es sich eben jetzt befindet, auch Kenntnis des Schrifttums haben, wie es gewesen ist. Denn wir wollen ja nicht das alte Volksbrot wegwerfen, wenn es noch nähren kann, und statt des sen minderes Brot reichen oder gar den noch gärenden, unge backenen Teig. Und oft ist es so, daß das neue Brot geprüft wer den kann an dem alten, soweit dieses gut zu essen war. Man darf nur nicht überhaupt das Alte, bloß weil es alt ist, gutheißen. Sondern hier ist die Aufgabe festzustellen: ist der Nährwert er halten oder verflogen? Um dieses entscheiden zu können, muß der Kritiker -gebildet» sein. Und zwar muß er besonders hochgebildet sein, weil er das, was bilden kann, trennen soll von dem, was nicht bilden kann. Nun aber nicht, was i h n bilden kann, sondern, was das Volk bilden kann, soll er herausfinden. Damit erhält die Bildung einen klassenfreien, neuen Sinn. Dasür gibt es noch keine Beispiele, nach denen er sich richten könnte, weil Bildung früher an eine Schicht gebunden war und mit den Jahrhunderten zunehmend an den Gcldsack. Man sieht, wie unendlich schwierig das Amt des Kritikers geworden ist. Es geht nicht an, daß man sich ängstlich an das Be währte klammert — der Kritiker muß gerade den Mut zur Ent deckung von Neuland haben. Immer wachsen die Begabungen aus dem reichen deutschen Boden nach. Da heißt es Mut! Wie für den Autor, so für den Kritiker und Verleger! Es geht nicht an, daß um des guten Alten willen das Neue nicht erprobt wird, es geht aber auch nicht an, daß um des Neuen willen, das eine Zeitlang (in der Gleichschaltungspcriode) viele kümmerliche Blü ten trieb, ein Gutes verworfen wird, nur weil es nicht von heute ist. Selbstverständlich heißt die Säkularisierung der Kritik, die Zurückholung von den einsamen Hügeln des Ich auf die Tat- ebene des Wir nicht, daß keine Höhen mehr erstiegen werden sol len. Aber es marschiert ein Volk, es marschiert ein Heer: das will sich den Berg erzwingen. Das Volk will zur Sonne. Es soll keiner liegen bleiben, es soll keiner müde werden, es soll keiner abseits gehen, es soll keiner sein kleines Jch-Leid klagen. Alle Dinge sind bezogen auf das Ganz«. Wir haben nur ein gemein sames Leid, eine gemeinsame Not, eine gemeinsame Freude, ein gemeinsames Schaffen und Wirken. Die Kritik kann von diesem Wandel nicht unberührt bleiben. Sie wird die Tiefe der Tragik, die Höhen des Titanentums nicht verleugnen, aber sie wird das kleine Jch-Spielerische, das Jch-Schauspielerische, das schmieren hafte Komödiantentum des und der Individualisten rücksichtslos brandmarken. Eines allerdings ist Voraussetzung für ihre künftige richtige Haltung: die Kritik muß erkennen können, wo Volkspersönlichkeit sich in einem Manne osfenbart — den darf sie nicht mit einem Individualisten verwechseln! Da brauchen wir ja nur den Namen Adolf Hitler zu nennen. Und wie ihn gibt cs auch sonst Volks persönlichkeiten, die deutsches Wesen in sich zur Fülle und Reise gebracht haben. Wie sie in früherer Zeit als Vollendete zu finden sind, so in der Gegenwart als Werdende. Diese auszuspüren, das ist die Aufgabe der Kritik. Die Führer des Schrifttums rechtzeitig zu erkennen, die kommenden bedeutenden Persönlichkeiten zu ver künden, das ist die Aufgabe. Und es sollen da keine ---Rühmchen« begründet werden, keine «Stars« gezüchtet, die sich danach schnell bequem aufs Faulbett legen, sondern Männer, die nur darum bedeutend sind, weil sie dem Volke sein innerstes Wesen und Wollen deuten. Es geht nicht darum, irgendwo nebenbei das Heil der Einzel seele, den Balsam fürs Wehweh zu finden und zu preisen. Das Heil liegt in der Verbundenheit mit den Volksgenossen in der Ausgerichtctheit zum Marsch aufs gleiche Ziel. Ehe der einzelne vor das himmlische Gericht gerufen wird, hat er sich auf Erden zu bewähren. In seiner letzten Stunde ist er gewiß einsam und ganz allein; aber zuvor muß er auf dieser Ebene recht tun, hier sein Seelenheil gewinnen im Wirken, Mitarbeiten, Mitschasfen für das Ganze und im ganzen.
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