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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.04.1934
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- 1934-04-05
- Erscheinungsdatum
- 05.04.1934
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78, 5. April 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhandel. nach Josef Pontens Ansicht »soll man nicht zu ängstlich sein, Kindern Schweres in die Hand zu geben ... Ist IN einem Buche, falls cs überhaupt dem kindlichen Geist im großen und ganzen faßbar ist (manche Bücher sind selbst für Erwachsene nicht faßbar), etwas zu .Schweres', so gleitet das Kind leicht darüber weg oder scheidet es als unverdaulich aus, wie eine Amöbe ein Krümchen Brot zwar aufnimmt, aber ein Körnchen Sand auswirft . . . Naturvölker, in denen große Natur-, Märchen- und Heldendichtungen leben und er zählt werden, haben ja auch keine.Jugendbücher'; die kleinen Araber und Neger hocken im Kreise der Großen, wenn erzählt wird, hören unversälscht, was die Großen hören, und wenn sie etwas nicht ver stehen, machen sie ein dummes Gesicht». Zu ähnlicher Gesamthaltung kommt Ina Svidel: »Was eben die sogenannte schöne Literatur anbetrlsft, so setze ich sie (meine Kinder) sehr früh in den Garten des Paradieses, ohne ihnen einen Baum zu verbieten, ln der Ge wißheit, baß ein gesunder Instinkt sie das Zuträgliche wählen und das Unbekömmliche ablehnen läßt. Freilich ist dies ein Vertrauens beweis, der nicht unter allen Umständen möglich ist». Richard von Schaukal, nachdem er mit Ingrimm allen »neuen Schund und Tand, Mist und Quark» abgelehnt hat, erklärt zusammen fassend: »Denn das Kind Ist nicht mit Kindereien und hohlen Nüssen abzusinden, sondern mit den Perlen a»S den Tiefen der Seele zu bedienen», und BerndJsemann hält »für das äußere Kriterium eines echten Eindrucks die Erscheinung, daß bas betresfende Buch immer und immer wieder hervorgeholt und mit heißem Kopf ver schlungen wird«. Kunst für das Kind. Die bisher mitgeteilten Zeugnisse der Dichter können die Ver mutung aufkommen lassen, als ob die Dichter als Menschen besonderer Begabung die Frage der Jugendlektüre zu einseitig von ihrem Standpunkte aus betrachteten, als ob ihre Ansicht nicht gelten dürfe für die geistige Führung des normalen Kindes. Dieser Ein druck aber wird geklärt und verdeutlicht, wenn man nicht nur die scharfe Absage der Dichter an die schreibenden und druckenden Fabri kanten der sogenannten Jugendliteratur ins Auge faßt, sondern auch die verständnisvolle Würdigung, die sie all den alten und neuen Kinderbüchern cntgegenbringen, die man in ihrer Gesamtheit als Kunst für das Kind bezeichnen kann. Es sind zum Teil berühmte Meister des Wortes und Bildes, die uns diese Kinderlust beschert und durch viele Generationen hindurch ihre ursprüngliche Wirkungs kraft bewahrt haben, deren Lob nun anfs neue durch dle Dichter der Gegenwart verkündet wird. Manche dieser Werke sind heute wie zur Zeit ihrer Entstehung umstritten, keines mehr als der Struwwelpeter des Frank furter Arztes Heinrich Hoffmann. *> Sein eifrigster Anwalt ist Bruno Krank: »Für das Kind, das noch nicht zur Schule geht, gibt es tm Deutschen wohl nur ein vollkommenes Buch, den Struw welpeter; die Versgeschichten vom .Bösen Friedrich' und vom .Wilden Jäger' sind ebenso dichterisch geglückt, wie sie herzensan- stänbig sind. Ich genoß das immer mit Begeisterung, auch als ich herauwuchs; ich sinde es heute noch schön und würde es für Raub an meinem Kinde halten, wollte man ihm dieses Buch ver sagen — dies Im Deutschen einzige Buch». Auch Schaukal bewahrt ihm ein gutes Andenken, und Münchhausen empfiehlt ihn für das 4.—8. Schuljahr: aber Agnes Miegel bemerkt, daß er ihr »von klein an bis heute grausig geblieben sei». Auch zu Wilhelm Busch ist die Stellungnahme nicht ein heitlich. Kolbenheyer: »In meiner Kindheit hat kein Autor so nachhaltigen und immer neubelebenden Eindruck auf mich gemacht als Wilhelm Busch. Nicht nur sein unsterbliches Buch ,Max und Moritz', auch das feine und lebensvolle .Schnurrdiburr oder dle Bienen' und viele andere Werke waren mir wirklich« Erquickungen.» Den »Hans Huckebein» hat Ludwig Kinckh, der Arzt, Kindern ln Krankheitsfällen vorgelesen. Schaukal stellt den »Meister Busch und die Münchener Bilderbogen» an die Spitze seiner Sammlung guter Kinderbücher. Wilhelm Echussens Kinder haben mit Max und Moritz begonnen. Münchhausen indes führt Wilhelm Busch in seinem umfassenden Verzeichnis erst für die Oberstufe <13. bis 18. Jahr) auf und bemerkt dabei ausdrücklich: nicht früherl Die hier naheliegende Krage, ob man Kindern grundsätzlich das Zerr bild bieten solle oder nicht, wird nicht ausdrücklich erörtert. Die heute zu Unrecht meist vergessenen Zeichner der Münchener Bilderbogen, die fabulierfrohen Spätromantiker haben viele dank bare Freunde. Immer wieder tauchen die Namen Speckter, Pietsch, Thumann, Pocci, Richter, Schwind auf. Agnes Miegel: »Ludwig Richter, Speckter, die Schwindbilderbogen, die heute verschwundenen *) S. Börsenblatt Nr. 55 vom 8. März 1934. 300 lieben Bilderbücher von Paul Mohn und die Pletsch-Bücher liebte ich sehr«. Schaukal, der eine besondere Vorliebe für diese Gruppe hat, nennt außerdem noch die Namen Schrödter und Dorö. Münch hausen fügt in seiner Liste der Bilderbücher für das 4.-8. Jahr noch den heute vergessenen Tierzeichner Fedor Flinzer an und empfiehlt auch das deutsche Kinderbuch von Scherer. Es fällt mir auf, daß der Name Steinle nicht genannt wird. Die Leistungen der neuen deutschen Bildcrbuchkunst sind nicht in dem Maß bekannt wie die alten Bilderbücher. Nur Ludwig Kinckh und Börries von Münchhausen setzen sich für sie ein. Kinckh gab seinen Kindern zuerst Bilderbücher, vor allem Kreidols und Frcyhold. Münchhausen empfiehlt von den Krcidolfschen Büchern Sommervögel, Blumcnmärchcn und Schlafende Bäume. Die Bilder Bolkmanns zu den Träumereien an französischen Kaminen und Ubbelohdes Zeich nungen zu den Grimmschen Märchen werden von Hermann Anders Krüger geschätzt. Es ist schon gesagt worden, baß die eigens für die Jugend ge schriebenen Erzählungen im allgemeinen nicht günstig bewertet wur den. Aber Christoph von Schmid ist bis heute lebendig geblieben. Die beiden Schwaben Peter Dörfler und Hans Reg hing ge denken mit schöner und echter Wärme der festlichen Stunden, die er ihnen i» ihrer Kindheit bereitet und empfehlen seine besten Werke noch heute. Johanna Sptzri findet einige begeisterte Lobrcdner, z. B. Blunck. Neyhing will nicht auf Casparis geschichtliche Erzählung »Der Schulmeister und sein Sohn» verzichten. Außerdem werden noch Ottilie Wildermuih, Ortel von Horn und Franz Hossmann ge legentlich genannt. Drei Werke der neuen Märchcndichtung werben mit Nachdruck zur Geltung gebracht. Peter Dörfler hat in seinem großen Waisen haus beim Vorlcsen Matthiessens Buch »Das alt« Haus» auf seine Wirkung auf Kinder von 3—6 Jahren erprobt. Ihm ist es »das einzige Buch, das Wort für Wort lebendig ist», Kür die Unterstufe der Volksschule cmpsiehlt er zum Vorlcsen »Die Geschichte vom höl zernen Bengele«, d. i. Grumanns deutsche Bearbeitung des berühmten italienischen Kinderbuches Pinocchio von Collobi. Kinckh empfiehlt für alle Kinder »das unsterbliche Kinderbuch, das es zu unseren Zei ten »och nicht gab, ,Nils Holgerssons Reise mit den Wildgänsen' von Selma Lagerlös«. Kindcrtllmliche Werke der Volksdichtung: Märchen, Tage, Legende, Volksbuch. Die Pädagogische Haltung und das psychologische Feingefühl der Dichter offenbaren sich am schönsten in ihrer Stellung zu den alten und ewig jungen Werken, die zuerst durch Mitteilung von Mund zu Mund und dann später auch als gedruckte Bücher die Herzen der Jugend seit Jahrhunderten immer und immer wieder i» Bann schlugen. Da bei zeigt sich, daß die Dichter wohl alles kindische Getue der spezi fischen Kinberschriften unwillig ablehnen, dagegen jegliche künstle rische Gestaltung einer ursprünglichen und wahrhaft kindlichen Welt betrachtung, wie wir sic vorzugsweise in den Werken der Volksdich tung besitze», freudig bejahen und mit tiefblickender Erkenntnis zu würdigen wissen. Keine literarische Gattung wird in unseren Bekenntnissen häu figer erwähnt als das Märchen und kein Name mit freudigerem Tanke genannt als der der Brüder Grimm. Keiner von unseren Dich tern hat den erzieherischen Wert des Volksmärchens überzeugender dargctan als Wilhelm Fischer In Graz. Er verlangt, daß die Bücher der Jugend einfach und natürlich seien wie das Kind selbst. Solche Poesie erblickt er vor allem im deutschen Volksmärchen: »Es stammt aus der Tiefe des deutschen Gemüts, und bei reinem Wirklichkeitssinne wirb darin eine ideale Welt geschildert, in der das Rechte stets zum Siege kommt. Und wenn auch die Enttäuschung im gereiften Leben nicht ausbleibt, die aber auch nicht den wesenhaften Einblick in die Weltordnung hat, so ist doch die Erwerbung der idea len kindlichen Weltanschauung durch das Volksmärchen Erziehung im beste» Sinne. Alle inneren Güter der deutschen Seele werden da bildhaft zur Anschauung gebracht. So wenig nüchterne Darstellung der Kindheit gefällt, so wenig wird ihr aufgebauschte Bildlichkeit oder gar erklügelte Naivität behagen. Und da sie Ursprünglichkeit besitzt, wird sie das Unsichtbarbleibenbe aus dem Sichtbarslicßenben unbewußt hcraussühlcn und damit auch edle Empfindung sllr das Leben gewinnen. So würbe ich meinen Kindern noch heute« — sagte der damals Reunundsiebzigjährige — »die Volksmärchen von Grimm und Bechstcin schenke» und auch von Dichtern, die in den geheimsten Tiefen ihres Herzens, ohne es zu wissen, Kind geblieben sind». Kein anderer Märchenerzähler wird so ost genannt und empfoh len als die Brüder Grimm. Nach ihnen hat Andersen die meisten Freunde, dann Wilhelm Hauff. Gegen Bechstcin wird das Bedenken ausgesprochen, daß das »Grauenhafte» in seinen Stoffen zu sehr her-
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