Von einem verschollenen Eheroman k^^as Seltsamste an diesem entzückenden Buch ist wohl sein Schicksal: bei seinem Ersterscheinen vor etlichen vierzig Jahren blieb es völlig unbeachtet, so unbeachtet, daß nicht einmal die bescheidene erste Auflage abzusehen war. Da sein Grundgedanke aber völlig zeitlos und sein Wert einzig aus der Fülle seiuer poetischen Schönheiten zu erklären ist, also auf rein künstlerischem Gebiet liegt, so muß für diesen Mißerfolg nun einmal jene Geschmacksunsicherheit verantwortlich gemacht werden, in der ein Großteil des Publikums zu allen Zeiten und in allen Ländern befangen ist, mag es sich um Literatur oder Musik oder bildende Kunst handeln. Unverständlich sonst, wie dieser Roman, voll zarter, naiver Munterkeit und müder blasierter Skepsis, voll süßer Schwermut und gesunder Sinnenfreude, dieser Roman der widerspruchvollsten Stimmungen, deren jede aber die Seele des Lesers Mitschwingen und mitklingen läßt, dazumal nicht einmal in bescheidenstem Maße sich Anerkennung zu erwerben vermochte. Eine Ehegeschichte, ganz einfach in ihren Linien, einen einzigen Konflikt zum Vorwurf nehmend - die Eifersucht der Schwiegermutter. Ein altes, geiziges, schrullenhaftes Weib will ihr Kind nicht an den fremden Mann verlieren. Ein Possenmotiv beinahe. Unter der Hand des Dichters wird's ein wahrhaft tragisches. Denn diese alte Hexe von einer Genter Schankwirtin, die man sich häßlich und verkniffen wie die Hille Bobbe vorstellen mag, kämpft um ihr Kind einen Kampf, der in seinen Äußerungen zwar grotesk anmutet, in seinen Beweggründen jedoch, einer abgöttischen Liebe zum einzigen Kind, menschlich immer ergreifend bleibt. Aus dieser Gegensätzlichkeit zwischen verständlichem Antrieb und törichtem Handeln ergibt sich dann der köstliche Doppelton des Ganzen, dieses Schwanken zwischen Tragik und Groteske, wechselnd Orgel und Fagott, während eine schöne hohe Liebe, unbeirrt von solcher wenig paffenden Begleitung, ihr klares Frühlingslied singt. („Österreichische Rundschau")