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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.08.1912
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- 1912-08-02
- Erscheinungsdatum
- 02.08.1912
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8968 Börsenblatt f, b. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 178, 2. August 1912. Die Sonderbund-Bewegung ist derselbe Vorgang, der bor fünfzehn Jahren in München sich vollzog und damals den Namen Sezession gebar. Es sollte eine Aussonderung der lebendigen, sortdrängenden Elemente der Künstlerschaft statt- sinüen, die auf eigenem Wege zum Heil, zum Kunstideal strebte. Man erinnert sich des Aussehens, das vor wenigen Jahr zehnten der sogenannte Impressionismus in Deutschland ge macht hat, eine Kunstrichtung, die von Frankreich ausging und dort schon in den 60er Jahren des vorigen Säkulums ihre Geburt erlebte. Das Wesen des Impressionismus war ein dem sogenannten Atelierbild entgegengesetztes. Statt der minutiösen Wiedergabe der Natur, wie sie sich in der Nähe be sehen darstellt, kam es diesen Künstlern nur aus die Wieder gabe eines augenblicklichen Eindrucks an, den die Natur in dem Beschauer in einem bestimmten Moment hervorruft. Die Konturen, die bis dahin scharf hervorgehoben wurden, mußten vernachlässigt werden und verschwommen erscheinen, weil man sie beim Beschauen einer Landschaft oder eines Gegen standes im Freien auch nicht scharf sah. Naturgemäß hat sich aus dem Impressionismus der Naturalismus entwickelt. Nun wohl, diesen Richtungen bewußt entgegengesetzt ist die neueste Kunstmode. Das geht mehr aus dem Wortklang des Namens Expressionismus hervor als aus seinem Begriff. Diese Künst ler wollen nicht die Natur wiedergeben, wie sie unseren Augen erscheint, sondern etkühnen sich, in das Innere der Dinge ein zudringen. Man konnte es ganz kraß ausdrücken und sagen: sie malen die Seele der Dinge, Empfindungen, die sie beim Anschauen der Natur beherrschen, Gefühle, die so stark werden, daß sie uaturnotwendig zu einer Äußerung drängen. Wer mit dieser Kunst einigermaßen vertraut ist, kann es den ein zelnen Bildern ansehen, die aus echtem, nicht nachgeahmtem Empfinden entstanden sind. Nun ist es mit dem »Verstehen« solcher Bilder eine eigene Sache. Derselbe Gegenstand wird in dem einen Menschen nicht immer dieselbe Empfindung wachrufen, die andere dabei erleben. Infolgedessen bilden sich um die einzelnen Künstler Gruppen von Genießenden, die sich besonders zu ihnen hinge- zogcn fühlen. Wenn es wahr ist, daß Genie und Wahnsinn dicht bet einander wohnen, so kann man es bei den modernen Malern beobachten. Dem einen kommt es nur darauf an, einen Farbenrausch darzustellen, dem andern, einen gewissen Rhythmus in Form und Linie zum Ausdruck zu bringen. Es ist klar, daß über diesem Streben die »Schönheit« in bisher landläufiger Hinsicht bedeutend zu Schaden kommt und daß eine gewisse stilisierende Einfachheit in die Erscheinung tritt, die mit unserer bisherigen Auffassung von Kunst in Widerspruch sieht und zur Ablehnung reizt. Wie außerordentlich der Schön heitsbegriff aber dem Wandel unterworfen ist, zeigt die heutige höhere Einschätzung eines Künstlers wie Vincent ban Gogh, des Vorläusers dieser neuen Bahnen. Dieser Hol länder war zuerst Kunsthändler in Paris, dann Lehrer in Eng land, Prediger in dem belgischen Bergwerksbezirk Borinage. Mit 28 Jahren machte er 1881 die ersten künstlerischen Ver suche und lebte dann in Holland, Belgien und Frankreich, wo er 1890, dem Wahnsinn verfallen, starb. Da seine Kunst sich mit Kleinigkeiten nicht abgibt, konnte er oft mehrere Bilder an einem Tage Herstellen, und die Zahl seiner Werke geht in die Tausende. Dieser seinerzeit unerhörte Neuerer hängt nun in der Ausstellung bei der retrospektiven Kunst und ist längst überholt. Die Modernen betrachten ihn als Klassiker, und wir haben uns an die neuere Malweise derart gewöhnt, daß er uns in den 125 ausgestellten Bildern mit seiner Farben wirkung und großzügigen Auffassung gegenüber anderen als sehr zahm erscheint. Auch der Mitschüler und Freund Zolas Paul Cäzanne, der die letzten 30 Jahre seines Lebens 1906) in völliger Einsamkeit lebte, ist retrospektiv gewertet, wie auch der 1903 verstorbene, iticht so bedeutende Paul Gan - guin, der zuerst Matrose und dann Bankbeamter war, bevor er in überseeischen Ländern viele Motive zu seinen Bildern holte. Man soll zwar nichts verschwören, denn es scheint, daß cs auch in der Kunst noch Zeichen und Wunder gibt, aber vor läufig gilt mir der jetzt dreißigjährige Erfinder des Kubis mus, der Spanier Pablo Picasso, als verrückt. Daß man jemals vor seinen Bildern, in denen er durch Zerstückelung der Form »zur Vernichtung der Materie« kommt, anders als kopfschüttelnd stehen könne, kann ich mir nicht denken. Die völlige Überwindung der Materie könnte ja als das Ideal der Seelenmaler erscheinen. Ich weiß nicht, wie es in der Seele eines Mandolinenspielers oder einer Frau mit Violine aussieht; es mag ja kraus und fremdartig genug sein; aber daß ich aus eiüer scheinbar völlig willkürlichen Aufeinander- tllrmung von Dreiecken, Vierecken und Winkeln den Eindruck erhalten könnte, daß ich es mit diesen musikalischen Leuten zu tun habe, ist mir unfaßbar. Man kann die Bilder gerade so gut quer oder auf den Kopf stellen, ohne klüger davon zu werden, und für meinen Teil könnte unter dem »Mandolinenspieler« ebensogut »Chimborasso«, »Flußlandschaft« oder »Wald brand« stehen: ich würde mit meinen Gefühlen ebenso blamiert dastehen wie jetzt. Auch sonst macht sich in der Ausstellung recht viel Unklares, Unwahres, Nachempfundenes und technisches Unvermögen gel tend. Selbst Kandinsky, der in seinem Buche »Über das Geistige in der Kunst« viel Kluges sagt — nur die Original- Holzschnitte sind mir unverständlich —, zeigt in seinen Bildern, daß Theorie und Praxis nicht notwendig Hand in Hand gehen. Es kann nicht meine Ausgabe sein, eine ins Einzelne gehende Wertung der ausgestellten Werke zu geben, es kam mir nur darauf an, durch Hinweise auf die Ziele, das Wollen dieser neuen Künstler zu ihrem Verständnis beizutragen. Hinweisen möchte ich nur noch auf den Norweger Eduard Munch, der mir von hervorragenden Fähigkeiten, besonders in seinen außerordentlich charakteristischen Porträts, zu sein scheint. In Nebenräumen ist dann noch die Ausstellung des West deutschen Bundes für angewandte Kunst »Die Gilde« unter gebracht, die aus Anlaß der Bildung einer kunstgewerblichen Abteilung auf der Sonderbundausstellung des Jahres 1910 zu Düsseldorf gegründet worden ist. Als Ursache der Bundesgründung wird der Mangel einer geeigneten Organi sation angegeben. »Während beispielsweise die Handwerker einerseits, die sreien Künste andererseits starke wirtschaftliche Verbände besitzen, die in wichtigen Fragen mitsprechen und gehört werden, ist«, meint der offizielle Katalog, »der verhält nismäßig junge Stand der auf kunstgewerblichem Gebiete Schaffenden« ohne entsprechende Vertretung geblieben. »Das Ziel der Gilde wird es sein, die im Westen Deutschlands be findlichen Großbetriebe und kunstgewerblichen Firmen mit den jüngeren auf dem Gebiete tätigen Künstlern zusammen zuführen, um bei künftigen großen Ausstellungen — und, was noch wichtiger ist, bei den Tag um Tag sich ergebenden prai tischen Aufgaben — den neuen Kunstideen den Platz zu er obern, der ihnen im deutschen Westen bei dem hohen Stand der industriellen Tätigkeit und infolge des dort gesammelten Talents gebührt ... Die Aufgabe der nächsten Zeit wird es sein, diejenigen jungen Kräfte, die wegen der Rückständigkeit des deutschen Westens in der Konzentration moderner künstle rischer Ideen gezwungen sind, ihre Existenz in den großen Kunstzentren Berlin, München, Dresden zu suchen, dauernd an den Westen zu fesseln, der mit seinem Kranz großer auf blühender Städte die materiellen Vorbedingungen für eine glänzende Entfaltung des Kunstgewerbes birgt«. In dieser Abteilung machen sich auch Buchdruck und Buch einbände bemerkbar, aber nicht gerade epochemachend. Da F. H. Ehmcke, der Lehrer der Kunstgewerbeschul« in Düsseldorf,
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