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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.09.1910
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1910-09-08
- Erscheinungsdatum
- 08.09.1910
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- Deutsch
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- Saxonica
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Nichtamtlicher Teil. ^ 208, 8. September 1910. 10184 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. UM diesen dummen Erfolg zu verhüten, wie Du wahrscheinlich selbst wünschest, aber nicht so tief wie ein Nadelritz geht ein solches Gefühl.« Vollendet hat Schlegel jedoch den Shakespeare nicht; in großen Zwischenräumen sind die Bände nach Ungers Tode bei Frau Unger erschienen, und 1809 schreibt er einmal an Tieck: »Es geht mir seltsam mit diesem gebenedeyten Shakespeare: ich kann ihn weder aufgeben, noch zum Ende fördern. Indessen hoffe ich, diesen Sommer einen großen Ruck zu thun. Richard III. ist fertig und Heinrich VIII. angefangen.« Weiter ist dann auch nichts erschienen, ein einziger Halbband ist nach den acht Bänden noch herausgegeben worden. Später wurde der Shakespeare mit den meisten übrigen Werken des Ungerschen Verlages an Georg Andreas Reimer verkauft. Die Berichte über den Unger-Schlegelschen Streit, die ich hier wiedergab, sind durchaus einseitig gefärbt, da sie von Schlegel selbst oder seiner Frau herrühren. Aber aus den mitgeteilten Äußerungen Cottas scheint Ungers Vergehen kein großes Verbrechen gewesen zu sein, und Unger scheint auch von vornherein gewillt gewesen zu sein, Schlegel voll auf zu entschuldigen. Nur das ungestüme Vorgehen des letzteren hat ihn schließlich erregt und bockbeinig gemacht. Allem Anschein nach hat auch der Frau Unger manch berechtigter Vorwurf gemacht werden müssen, während Unger selbst das Prädikat eines ehrenwerten Mannes auch von seinem Gegner zuerteilt wird. Jedenfalls war Unger nicht nur ein hervorragender Fachmann, son dern er muß auch als der bedeutendste Verleger Berlins neben Nicolai in den ersten Jahren der Regierung Friedrich Wilhelms III. genannt werden. Der schon mehrfach erwähnte Johann Daniel Sander verdient gleichfalls eine ausführlichere Charakterisierung. Er war 1759 in Magde burg geboren, hatte studiert und war Lehrer in seiner Vaterstadt gewor den. Auf Wunsch seiner Familie hatte er sich später dem Buchhandel zugewandt, zog nach Berlin und trat in nähere Beziehung zu dem Buch händler Voß junr. und wurde dessen literarischer Ratgeber. Sander war besonders in den neueren Sprachen sehr bewandert und galt allgemein als einer der besten Stilisten. Eng befreundet mit Lafontaine, dessen Bekanntschaft er durch Niemeyer in Halle gemacht hatte, ließ er es sich angelegen sein, den zahlreichen Romanen seines Freundes die letzte Feile zu geben. Nach dem Tode des jüngeren Voß wurde ihm die Leitung der Buchhandlung anvertraut: nach dem bekannten Au-gang des Prozesses hatte er sodann einen selbständigen Verlag. Im Sommer 1796 wurde er mit Böttiger, der damals als Direktor des Gymnasiums und Oberkonsistorialrat in Weimar lebte, bekannt. Dieser hatte der Vossischen Buchhandlung den Verlag seiner amerikanischen Briefe angeboten, und daraus entwickelte sich ein lebhaster Briefwechsel zwischen Böttiger und Sander, der von 1796—1811 ununterbrochen währte und eine schätzbare Fundgrube für die Geschichte der Zeit und ihre geistigen und kulturellen Strömungen ist. Böttiger war, ohne seine Bedeutung als Gelehrter und Schulmann schmälern zu wollen, in mancher Hinsicht ein unangenehmer Schwätzer und Zwischenträger, der sich durch seine Geschäftigkeit zwar manche Freunde, aber auch recht viele Feinde machte. Er war zeitweise der eigentliche Herausgeber des Bertuchschen Journal des Luxus und der Moden von 1795—1803 und des Wielandschen Neuen Deutschen Merkurs von 1797—1809 und schrieb dabei für noch sehr viele deutsche Zeitschrif ten. Sander wurde bald einer seiner Hauptkorrespondenten und lieferte ihm manches Material für seine Blätter. Aus diesem, aus der Dresdner Bibliothek aufbewahrten umfang reichen Briefwechsel erfahren wir auch manches aus dem persönlichen Leben dieses Berliner Buchhändlers. Das Verhältnis zu Böttiger wurde ein immer innigeres, freundschaftlicheres, man tauschte gegenseitig Besuche aus, lud sich zu Gevatter bei den beiderseitigen Söhnen usw. In innige Verbindung trat Sander zu Ignaz Aurelius Feßler, dem früheren Kapuzinerpater und Hauptförderer der Aufklärung, der von 1796 ab einige Jahre als Flüchtling in Berlin lebte. Feßler wurde in Gemeinschaft mit einem jungen Pädagogen Bartholdi der Stifter einer literarischen Gesellschaft, der Mittwochs gesellschaft, die im Zeichen der Zeit Juden zu Mitgliedern aufnahm und dann an ihren Veranstaltungen teilnehmen ließ. Allwöchentlich Mitt wochs von 5—10 Uhr fanden die Zusammenkünfte statt, sie waren wechselweise gesetzlich und gesetzesfrei. An den gesetzlichen Tagen wurde ein Vortrag gehalten, historisch, ästhetisch, moralphilosophisch, natur wissenschaftlich — alles volkstümlich gehalten, aus Rücksicht auf die an der Gesellschaft teilnehmenden Damen und Dilettanten. Vor allem erregte der bekannte Arzt Markus Herz großen Beifall durch seine Physi kalischen Vorträge, die er alle vierzehn Tage hielt und durch Experimente anziehend zu machen wußte. An den gesetzesfreien Tagen unterhielt man sich bald mit Lesen eines Schauspiels mit verteilten Rollen, bald mit Musik, wobei Zelter, der damals noch seinem Handwerk oblag, Klavier spielte. Zu den Teilnehmern dieser Mittwochsgesellschaft gehörten u. a. Johann Gottfried Schadow der spätere Professor Friedrich Eberhard Rambach, die Buchhändler Sander und Johann Karl Philipp Spener, der Professor Alois Hirt. Neben den Männern spielten auch die Frauen eine Rolle, so die Frau Sander, zwei Töchter des Juden Jtzig : Madame Levy und Madame Wolf, und noch manche andere. Die Gesellschaft erfreute sich des größten Ansehens, und kein hervorragender Fremder versäumte, sie aufzusuchen. Über diese Mittwochsgesellschaft plaudert Sander nun mit Böttiger, aber auch über manches, was die Gemüter erregt, so über den Musen almanach von 1796 mit den Temen und die Entgegnungen darauf; »wohlerzogene Leute würden, wenn sie an die Temen kommen, geschwind noch einmal nach dem Titel sehen, ob nicht Furienalmanach darauf stehe«, heißt es einmal; und über die Gegenschriften findet sich die Äußerung, »die Aufgabe, ein noch gröberes Epigramm zu machen als Goethe und Schiller, ist hier auch ohne Prämie gelöst. Gott behüte, welch ein Ton! Was werden G. und S. zu diesen erschrecklichen Jnvectionen sagen?« Wir erfahren dann auch von einem in Berlin bestehenden Goethe klub, den Rahel Lewi (später Rahel Varnhagen), ein fünfundzwanzig Jahre altes Judenmädchen, mit einer andern, Marianne Meyer, einem ehemals außerordentlich schönen und auch damals noch in ihrem dreiund- dreißigsten Jahre nicht häßlichen Mädchen jüdischer Herkunft, gegründet hatte. Beide waren in Karlsbad gewesen und hatten dort Goethe kennen gelernt, Briefe Goethes an Marianne Meyer sind erhalten. »Die Rahel Lewi (oder mit ihrem Spitznamen der kleine Gnome, denn sie ist wirklich zwergartig)«, heißt es weiter, »ist witzig und dabei ziemlich boshaft; Herr von Humboldt wohnte, als er in Berlin war, ihr gegenüber; da sie nun des Herrn von Goethe gute Freundin ist, ging er natürlich mit in ihr lmreau ct'esprit. Eins von dessen weiblichen Mitgliedern, eine gewisse Madame Flies, ist eine gute Freundin von meiner Frau und mir; es wäre uns also leicht, mit in diesen Zirkel zu kommen; doch treiben sie es darin zu toll; wenn es ihnen einfällt, kommen sie noch Nachts um 11 Ilhr zum Thee zusammen, holen die Fehlenden aus den Betten, und treiben allerhand Unfug. Unter anderen gehört dazu die Schauspielerin Unzelmann, vormals ein reizendes Geschöpf, jetzt aber vor der Zeit ver blüht; ferner der Fürst Reuß, österreichischer Gesandter, der Vicomte Aradia, portugiesischer Gesandter u.s.w.« So plaudert Sander mit Böttiger über die mannigfachsten literari schen Ereignisse in Berlin, das Erscheinen von Tiecks Gestiefeltem Kater verdammt er aufs entschiedenste; Nicola jrm., der Verleger, hat ihn ge beten, »das Zeug zu recensiren oder vielmehr zu loben, Gott behüte mich I Die Anspielungen In dem gestiefelten Kater weiß mir niemand zu erklären, den ich deshalb fragen zu können glaubte. Es verlohnt sich übrigens wohl nicht der Mühe, weiter nachzuforschen«. An der Herstellung von Goethes Hermann und Dorothea nahm Sander regsten Anteil. Goethe hatte W. von Humboldt gebeten, den Druck des Gedichtes, das bekanntlich bei Vieweg in Berlin erschien, zu beaufsichtigen. Das Merkchen wurde der Druckerei der Vossischen Buch handlung übergeben, und Sander besorgte die Korrektur. An Goethe schreibt Humboldt darüber am 6. Mai 1797: »Der erste Bogen hat mir sehr correct gedruckt erschienen; der Corrector ist ein Herr Sander, der selbst Schriftsteller ist und mir ein genauer und sorgfältiger Mann scheint. Er wird nicht nur, wie er mir, da ich ihn gleich dieser Sache wegen besuchte, versprach, wenn ihm etwas im Manuskript auffallen sollte, sogleich bei mir darüber an- fragen, sondern ich werde auch, so lange ich hier bin, die letzte Revision bekommen. In der Interpunktion ist er mir zu freigebig mit Distinc- tionszeichen gewesen; die Schrift ist mit Kommata übersäet. Ich habe ihm dies gesagt; freilich stehen einige solche Kommaten im Manu- script. Allein, da ich weiß, daß Sie über Ihre eigene Interpunktion nicht strenge halten, und mir der Corrector hierin verständig scheint, so habe ich ihm gesagt, hierin nicht zu ängstlich zu sein.« Am gleichen Tage schreibt Humboldt auch seiner Frau, daß er mit Goethes Hermann viel zu tun gehabt habe, er habe die erste Hälfte noch einmal durchgelesen und Goethe mehrere Verse wieder zum Umändern vorgemerkt. »Goethe hat mir zwar in einem Briefe an Vieweg Vollmacht gegeben, selbst zu ändern was ich will, doch thue ich das natürlich nicht. Indes werde ich deshalb beständig von Vieweg konsultiert. Gedruckt wird es nicht hübsch. Es ist zu eng und zu kleines Format; die Lettem — es sind deutsche — gehen, noch an.«
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