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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.06.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1907-06-15
- Erscheinungsdatum
- 15.06.1907
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- Deutsch
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6116 Bvrs-nblatt f. d. DIlchn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 137, 15. Juni 1S07. 144 000 Frcs. für Telegramme aus Buenos-Ayres. Die Be deutung die dem Zeitungswesen in England beigelegt wird, geht daraus hervor, daß der Besitzer der »vsll^ dlsvs« mit vollem Erfolg eine Journalistenschule ins Leben gerufen hat; der gleiche Versuch ist in Frankreich mißglückt. Aus dem das große vierte Kapitel beschließenden Überblick über die deutsche und holländische Presse im neunzehnten Jahrhundert sei nur erwähnt, daß de Bock sehr richtig auf die Dezentralisation der deutschen Presse aufmerksam macht und betont, daß im Ausland das Urteil der Kölnischen Zeitung, der Frankfurter Zeitung, der Münchener Neuesten Nachrichten, der Hamburger Nachrichten, dem des Berliner Tageblatts, der Post, der Vossischen Zeitung, der Kreuzzeitung und andrer Berliner Organe mindestens gleichgestellt wird. Von besonderem Interesse erscheinen mir die nächsten beiden Abschnitte, die das Zeitungswesen in der Türkei, in China und Japan, sowie die amerikanische Presse behandeln. In der Türkei erscheinen etwa 400 Zeitungen in allen Sprachen, »sogar in der türkischen«. Die Knechtung der öffentlichen Meinung im ottomanischen Reiche darf als bekannt genug vorausgesetzt werden; köstlich ist das lange Verzeichnis alles dessen, wovon der türkische Redakteur nicht schreiben darf, das Armand de Perstgnac, ein genauer Kenner der türkischen Verhältnisse, in der »Rsvue« unlängst ver öffentlicht hat, — man fragt sich mit Recht, was dem armen Journalisten nun eigentlich noch freisteht. — Die Chinesen sind den Europäern im Zeitungswesen um etwa ein Jahrtausend voraus; die noch täglich in drei verschieden farbigen Ausgaben erscheinende offizielle Zeitung »Livx Lrw« (Kaiserliche Nachrichten) wurde bereits gegen das Jahr 713 als »Linz Isoiwo« (Nachrichten vom Hofe) gegründet. Der Autor gibt eine interessante und ausführliche Beschreibung dieser Zeitung; daran anschließend spricht er von dem »Ge sprochenen« Journal, das bei den Analphabeten (wozu bei der Kompliziertheit der chinesischen Schriftsprache fast das ganze Volk verurteilt ist) die Rolle der gedruckten Zeitung vertreten muß. — Die Geschichte der japanischen Presse um faßt kaum ein Menschenalter; doch hat sie sich in diesem kurzen Zeitraum beinahe auf den Höhepunkt der europäischen Presse aufgeschwungen. Wir zählen in Japan im ganzen 1500 Zeitungen, davon allein 600 in Tokio. Mehrere haben eine Auflage von 50—100 000 Exemplaren, 4—12 Seiten Text, vielfach Illustrationen und kosten gewöhnlich 1 Sen (— 2 Pfennig); nur die »unabhängige« llifi Lodiivpo kostet das Doppelte, monatliche Abonnements 50 bis 90 Pfennig. Die früher sehr strengen Strafen für Preßvergehen sind ge mildert worden und werden von einer 1000 Pen betragenden Kaution abgezogen, die jede Zeitung im Ministerium des Innern zu hinterlegen hat. Wie die ganze Organisation der japanischen Presse, so dürfte auch die beliebte Einrichtung der »Sitzredakteure« ohne Zweifel auf europäische Vorbilder zurückzuführen sein. Daß im Lande des Dollars die neuzeitliche Presse tat sächlich das öffentliche Leben beherrscht (im wahren Sinne des Worts) und noch mehr als eine »vierte Macht« be deutet, geht aus den Mitteilungen des Autors und seiner Gewährsmänner mit Sicherheit hervor. Welcher Ent wicklungsgang von dem von englischen Emigranten im Jahre 1673 in Cambridge gegründeten ersten Journal mit dem poetischen Namen »Maiblume« (L-lsx klo?esr) bis zu Hearsts »Ilsve 'tor-L ckourval« und Pulitzers »liVorlä«! Die vom Autor dargestellte Geschichte und der Konkurrenzkampf zwischen diesen beiden führenden New-Porker Zeitungen, denen sich später der Asiv lork Hsrslck zugesellte und denen die Chicagoer Journale kaum nachstehen, ist wirklich wie ein Märchen aus »Dollarika« zu lesen. Man weiß nicht, was ausschlaggebender ist: der eiserne Wille, die Rücksichtslosigkeit, der Erfindungsgeist und die Geriebenheit der Besitzer einerseits, oder die Macht ihrer Millionen. Der spanisch-amerikanische Krieg um Kuba er scheint uns geradezu als das Werk des Besitzers des »klsw Oork 1orv»I«. Im Kampf mit den Rebellen Havannas, in der Dreyfus-Affäre und bei vielen andern welt politischen Ereignissen hat sein Geld keine geringe Rolle gespielt. Wie weit das Sensationsbedürfnis und die Geschmacklosigkeit amerikanischer Journalisten geht, möge nur ein Beispiel erläutern: Vor etwa zwei Jahren veröffentlichte das klev Yorker ckourval die Porträts einer Reihe von Damen aus der Gesellschaft, aus dem einfachen Grunde, weil diese zurzeit sich in andern Umständen befanden, und fügte den betreffenden Unterschriften den voraussichtlichen Betrag der Erbansprüche bei, zu denen die zu erwartenden Weltbürger bei ihrem Eintritt ins Leben eingeschätzt wurden. Der Artikel trug die Überschrift: »8o avck so msv/ nüllion äollsrs vortü ok bsbiss«. Das 7. Kapitel bespricht die Presse in Belgien seit 1830, d. h. seit dem Beginn der belgischen Unabhängigkeit. Wir erfahren daraus Näheres über ihren Anteil an der belgischen Revolution und über den Geist der Hauptstadt- und der Provinzialpresse um die Mitte des vorigen Jahr hunderts, also zu einer Zeit, wo die Redakteure noch Muße genug halten, sich untereinander in weitläufigen, durch- gearbeiteten und formvollendeten Polemiken zu ergehen, die an die Turniere des Mittelalters erinnerten und die Grundbedingung für den Ruf eines Journalisten waren. »Eine Polemik zu haben«, war dessen schönster Ruhmestitel; das Interesse der Polemik ging über das der Partei, ein polemisierender Journalist galt geradezu als »geheiligt« und wurde als etwa ebenso immun angesehen, wie die heutigen Volksvertreter es gesetzlich sind. Der Abschnitt über die belgische Presse des neunzehnten Jahrhunderts hat begreif licherweise einen so lokalen Charakter, daß wir uns damit begnügen können, ihn im vorstehenden flüchtig gestreift zu haben. — In einem letzten Abschnitt »Latour cka jourvslisms« (— Rückblicke und Ausblicke) werden die Verdienste und Fehler, die Licht- und Schattenseiten des heutigen Zeitungswesens nochmals von einer höhern Warte aus zusammengefaßt und besprochen. Es wird an das Verdienst Gordon Bennetts, des Besitzers des »klsv-^orlc üsrslck«, erinnert, der Stanley zur Befreiung Emin Paschas entsandt und damit zur Erschließung Inner-Afrikas außerordentlich viel beigetragen hat. Es wird ferner an die Gefahren des Reporterberufs in fremden Ländern, zumal im Kriegszustände erinnert, an die Aussichten der Schiffspresse als eines der wichtigsten Ergebnisse von Marconis Erfindung der drahtlosen Telegraphie. Auch die Fern photographie Korns und deren Verbesserung durch den Telautographen des Belgiers Carbonelle eröffnen der Ent wicklung des Zeitungswesens durch die dadurch voraussichtlich hervorgerufene Umwälzung im Jllustrationswesen neue Horizonte. Wer mag ermessen, wann diese ununterbrochene Entwicklung der Presse und ihrer Macht den Höhepunkt erreicht haben wird und welche technischen Überraschungen uns die Zukunft auf diesem Gebiet vorbehält! Der Leser möge aus dem Vorstehenden die Überzeugung gewinnen, daß de Bocks Buch das Lesen verdient, daß es, wenn auch mit mancherlei Anekdoten geschmückt, doch eine Fülle von Belehrung bringt. Die Reichhaltigkeit der letzteren wäre unter anderm auch an der großen Zahl der ange führten Zeitungen zu ermessen, die ohne Zweifel mehrere hundert Titel umfassen. Dem deutschen buchhändlerischen Leser dürste die Schrift außerdem vom alleinigen Stand punkte der französischen Sprachlektüre ungemein mehr Nutzen bringen als jeder, auch der beste französische Roman.
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