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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.04.1907
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 08.04.1907
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- Deutsch
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3654 Börsenblatt s. d Dtsch». Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 80, 8. April 1907. Erst die Zukunft beweist, ob die mit dem Druck eingeleitete wirtschaftliche Berechnung richtig oder falsch war. So tritt an die Stelle des begrenzten Marktes des Mittelalters der unbestimmte, unberechenbare Absatz der modernen Produktion, mit ihm die Spekulation: die Vorausberechnung künftiger wirtschaftlicher Folgen. Auf sie baut sich unser gesamtes neueres Wirtschaftsleben auf. Das mittelalterliche Buchgewerbe bedeutet den Anbruch einer neuen Zeit. So, indem es technisch wirtschaftlich umgestaltend wirkt, wird es ein Glied jener großen Bewegung und jener Kraft, die die alte mittelalterliche Wirtschaftsordnung umgestalten und die Grundlage zu unsrer heutigen Völkerwirtschaft und unsrer heutigen Kultur legen. Will man deshalb den Beziehungen des Buchgewerbes in dem Staate nachgehen, so wird man einesteils das Buch gewerbe in die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung der Ge werbe einordnen, anderseits den Staat vornehmlich in seinen Beziehungen zur jeweiligen Wirtschaftspolitik untersuchen müssen. « » Unsre Betrachtung setzt daher mit dem Ausgang des Mittelalters ein. Erst von da ab kann man von einer ziel bewußten staatlichen Wirtschaftspolitik sprechen. Man pflegt sie als Merkantilismus zu bezeichnen. Sie ist nicht auf einen Staat beschränkt; wir finden die Grundzüge dieser Politik fast gleichartig, ob wir nach England oder Frankreich, nach Deutschland oder Rußland gehen. Diese merkantilistische Wirtschaftspolitik erhielt in Deutschland eine eigenartige Färbung. Besaßen wir im Mittelalter ein im wesentlichen einheitliches deutsches Wirt schaftsgebiet und suchte noch die Reichsgewalt am Anfang des 16. Jahrhunderts durch wirtschaftliche Gesetze, wie die Reichs münzordnung, die Reichspolizeiordnung, durch gemeinsame Steuergesetze (Gemeinerpfennig) oder durch eine geplante Zollgrenze einen Ausgleich der wirtschaftlichen Gegensätze in Deutschland herbeizuführen, so macht sich, nachdem an die Stelle der Reichsgewalt mehr und mehr die Territorialgewalt getreten war, das Bestreben geltend, jeden einzelnen Staat als selbständigen Wirtschaftskörper ohne Rücksicht auf allge meine deutsche Interessen auszugestalten. Zu dieser wirtschaftlichen Trennung innerhalb des Deutschen Reichs trat auf religiösem Gebiete die Teilung in protestantische und katholische Staaten. Macht sich die erstere Scheidung mehr für das wirtschaftliche, so die letztere mehr für das Kulturleben geltend. Der geistige Austausch zwischen Nord und Süd, Ost und West wird gehemmt. Und schließlich darf nicht verkannt werden, daß zu dem selben Zeitpunkt, wo in Deutschland der Zerfall eintrat, ein Rückgang der Wirtschaftskraft sich zeigte, gleichzeitig in Frank reich und England die staatliche Macht sich festigte und zunächst in Frankreich, dann in England das wirt schaftliche Leben außerordentlich aufblühte. Und während in Frankreich und England der Reichtum ihrer Bevölkerung ständig wächst, herrscht in Deutschland drückende Armut, eine kleinliche Auffassung aller wirtschaftlichen Verhältnisse; dazu kommt das Erblassen des politischen Ansehens. Alles das lastete drückend auf unserm Vaterland. Und eine ganze Reihe der wirtschaftspolitischen Maßnahmen jener Zeiten, die uns heute als verkehrt und veraltet erscheinen, sind darauf zurück zuführen, daß man gegen den Strom der Zeit schwimmend der wirtschaftlichen rückläufigen Bewegung — freilich ver geblich — Einhalt zu bieten bestrebt war. So kommt es, daß die merkantilistische Wirtschaftspolitik zu andern Ergeb nissen führt, wenn wir Frankreich und England, zu andern, wenn wir Preußen und Österreich betrachten. In Deutschland versuchte man vornehmlich an die Stelle der gewerblichen Selbständigkeit der Städte die staat liche Oberhoheit und Bevormundung zu setzen. Nicht aber auf Hinderung des Gewerbes an sich, sondern auf eifrigste Förderung des Gewerbefleißes ist man bedacht, und mögen hier auch die Wege, die man eingeschlagen hat, manchmal verfehlt erscheinen, sicherlich hat man die nach dem 30 jährigen Kriege wirtschaftlich zerstreuten und geschwächten Kräfte Deutschlands gesammelt und vor weiterm Verfall zu schützen gewußt. Vor allem ist man bestrebt, den Ausfuhrhandel zu kräftigen, und jede noch so sehr in das wirtschaftliche Leben einschneidende Maßnahme erscheint gerechtfertigt, wenn sie diesem Zwecke dient. Und eng damit verknüpft ist der Ge danke, über den handwerksmäßigen Betrieb mit seiner ge bundenen städtischen Absatzorganisation leistungsfähigere, der Ausfuhr dienende Betriebe zu organisieren. Soweit es an gängig ist, sucht man den Großbetrieb in den damals freilich noch bescheidenen Umsängen zu stützen und zu kräftigen, denn er erscheint als der alleinige Träger eines gewerblichen Außenhandels. Sind das im wesentlichen die wirtschaftlichen Ideen, auf denen sich die deutsche Regierungspolitik vom 16. bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts aufbaut, so dürfen doch hier die politische Umgestaltung und die politischen Ziele der deutschen Staaten nicht unerwähnt bleiben; kurz können wir uns fassen: aus dem mittelalterlichen Staat mit seiner ständischen Gliederung der Gesellschaft erwächst langsam der absolute Staat des 18. Jahrhunderts — im Auge früherer Zeiten gesehen als der absolute monarchische Staat, nach den Forschungen der Gegenwart eine Ablösung der ständischen Selbstverwaltung, eine Übertragung der einzelnen Staatsfunktionen auf ein berufsmäßig geschultes, der Krone verpflichtetes Beamtentum, das überall gegenüber den Unter tanen die Geschäfte zu führen hat, eine stehende Armee mit Offizieren, persönlich eng dem Monarchen verbunden. Untersuchen wir nun, welche Rückwirkung die Eigenart des deutschen Staatslebens wie seiner Wirtschaftspolitik in diesem Zeitraum im Buchgewerbe ausgelöst hat, verfolgen wir die Organisationsformen des Buchgewerbes, so treten uns zwei verschiedenartige Entwicklungsreihen entgegen. Die erst am Ausgang des 15. Jahrhunderts entstandenen Hilfs gewerbe des Buchhandels entwickeln sich in der Form der Zünfte und Innungen. Sie tragen noch in sich das Genossenschafts-Prinzip des Mittelalters. Ganz im Gegensatz dazu stehen der eigentliche Buchhandel und das mit ihm eng verknüpfte Buchdruckgewerbe. Es weist die freien Organisationsformen auf, die der neuzeitliche Staat an Stelle der Zünfte erstrebt. Der wirtschaftliche Gedanke, auf dem der Buchhandel sich aufbaut, ringt sich hier, die alten Formen sprengend, durch. Seiner innern Natur entsprechend kann er sich nicht auf ein lokales Absatzgebiet aufbauen, er braucht, will er sich fruchtbar entwickeln, ein möglichst großes, weites Absatzgebiet: Deutschland, Europa, — die Kultur welt. Danach verläuft der Buchhandel in denselben Bahnen, die unsre heutige Großindustrie zeigt. In jenen Zeiten ist er ein Weiser für die Zukunft; er schafft, indem er sich eine eigne Organisationsform gibt, auch gleichzeitig mit an der Entwicklung der großgewerblichen Betriebe. Nicht auf ein mal vollzieht sich das, schrittweise geht die Entwicklung vor sich. Schon die mittelalterlichen Messen durch brachen mit ihrem Warenaustausch die lokale städtische Absatzorganisation. Es ist nicht Zufall, wenn die erste Blütezeit des deutschen Buchhandels mit der Frankfurter Messe eng zusammenhängt. Und nicht Mainz, sondern die benachbarte große Messestadt wird der Mittelpunkt des bald ganz Deutschland und zum Teil das Ausland umfassenden Buchhandels. Als später durch Ursachen, die hier nicht er-
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