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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.04.1907
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 08.04.1907
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19070408
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In zahllosen kleinen Blättchen dringen sie an die Mittlern und untern Schichten der Bevölkerung heran und suchen sie in ihrem Sinn zu beeinflussen. Nicht mehr durch große führende Zeitungen, wie wir sie aus der Ara des Liberalis mus kennen, wird heute die Politik gemacht, in tausend und aber tausend verästelten Kanälchen ergießt sie sich über das ganze Land. Überblickt man diese Sachlage, so wird es verständlich erscheinen, daß eine Zensur, wie sie das acht zehnte Jahrhundert kannte, heute undurchführbar ist. Aber dem neuzeitlichen geistigen Mechanismus hat sich der Staat anzupassen gewußt. Nicht durch die Zensur, wohl aber durch Beherrschung des Nachrichtendienstes, durch eine zweite Presse, die er der ersten Presse entgegenstellt, sucht der Staat seinen Einfluß auf die öffentliche Meinung zu gewinnen und auch hier nicht grob zugreifend, wie der absolutistische Staat, sondern fein, die Volkspsychologie beobachtend. Nicht durch eigne Zeitungen u. dergl., wo er für jedes Wort verantwortlich gemacht werden kann, wo sofort der Ursprung der Idee erkennbar ist, sucht der Staat seinen Einfluß geltend zu machen, durch eine Art von Zwischenzeitung, die nicht im Handel zu be kommen ist, sondern die nur den Redaktionen der Zeitungen zugeht. Und durch unsre Zeitungen, die wir dann lesen, erhalten wir die Meinungsäußerung des Staats, werden wir vom Staat in unserm politischen Denken beeinflußt, ohne selbst gewahr zu werden, ohne ein Anzeichen zu haben, daß wir gerade auf diese Meinung hin vom Staat aus geführt werden sollen. Noch nach einer dritten Seite weist unser modernes Leben eigenartige Formen auf. Der genossenschaftliche Ge danke, auf dem sich das Mittelaller aufbaute, schien gegen über der modernen Entwicklung abgestorben. Jetzt aber sehen wir ihn zu neuer Kraft erwachen. In überraschender Schnelle organisiert sich die Landwirtschaft auf genossen schaftlicher Grundlage. In andern Formen, aber doch schließlich den gleichen Grundgedanken vertretend sehen wir in der Industrie die Kartelle, Unternehmeroerbände, Syndi kate und dergleichen entstehen. In den Mittlern und kleinen Industrien hofft man durch Zünfte und Zwangsinnungen Kraft zu gewinnen. Überblicken wir den hier gezeichneten Entwicklungs gang, so werden wir beobachten, daß je mehr wir uns der Gegenwart nähern, desto beschränkter die Freiheit des Ein zelnen geworden ist. In all seinem wirtschaftlichen Tun und Treiben greift der Staat oder eine Gesellschaftsgruppe be stimmend ein. Auch hier haben wir uns nun die Frage vorzu legen: »Wie verhält sich das Buchgewerbe zu diesem neuzeitlichen Staat?« Der genossenschaftliche Gedanke, den wir schon in der vorangegangenen Periode beim Buchhandel beobachten konnten tritt in neue Kraft. Der Zahlungs-, Abrechnungs- und Speditionsverkehr des Buchhandels kon zentriert sich im wesentlichen in Leipzig. Der Börsenverein aber selbst erweitert sich zunächst durch die Statuten- reviston von 1880, dann weiter durch die seit Kantate 188» in Kraft tretenden Satzungen. Man behauptet, daß der Börsenverein ein Kartell geworden sei; uns will es scheinen, mit Unrecht. Er ist einer der loseren Verbände, aus denen sich in der Industrie oft Kartelle entwickelt haben, aber dem das Wesentliche eines Kartells fehlt, nämlich der Einfluß auf die Produktion. Die ganze Organisation des Börsen vereins, das Standesbewußtsein, das er genährt hat, zeigt uns aber, daß auch im Buchhandel die gleichen Tendenzen sich geltend machen, die wir in der Großindustrie verfolgen können. Haben wir schon in der vorigen Periode das Gebiet der Preßfreiheit berührt, auf dem der Buchhandel bahn brechend voranging und der Staat mit seiner Gesetzgebung nachfolgte, so können wir auch hier eine ähnliche Beobachtung machen. Von immer größerer Bedeutung für das soziale Leben hat sich das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herausgewachsen, und hier ist das Buchgewerbe bahnbrechend vorangegangen. Schon 1848 wurde von Buchdruckergehilfen dre Forderung von Kranken-, Invaliden-, Sterbe- und Witwenkassen mit Gewährung von Staats beihilfen und ferner die gemeinsame Vereinbarung der Arbeits bedingungen zwischen Arbeitern und Unternehmern aufgestellt. Einen Teil dieser Forderungen hat der moderne Staat erfüllt, ein Teil steht noch aus. Hier har aber die Lücke das Buchgewerbe ausgefüllt. Durch die Tarifgemeinschaft der Buchdrucker Deutschlands, wie sie sich seit den siebziger Jahren entwickelt hat, ist ein neues Arbeiterrecht geschaffen worden: von vorbildlicher Rückwirkung auf andre Gewerbe. Stand zuerst das Buchgewerbe mit seinen Tarifgemeinschaften ziemlich vereinsamt, so zählt man heute schon gegen 2—3000 Tarifgemeinschaften in Deutschland, und nicht durch den Druck einer äußern Gewalt ist dies entstanden; von innen heraus hat sich diese Bewegung entwickelt. In der Ausbildung des tarifgemeinschaftlichen Arbeitsvertrags ist weiter das Buchgewerbe vorbildlich geblieben. Es ist der höchste und vorbildlichste Arbeitsvertrag, den wir im Deutschen Reich kennen. Heute stehen noch diese Tarif verträge gewissermaßen rechlsschutzlos dar. Das kann nicht mehr lange dauern, und wenn der Staat, wie nach den Äußerungen seiner verantwortlichen Leiter zu erwarten ist, hier regelnd eingreift, so wird er in erster Linie auf die Tarifverträge des deutschen Buchgewerbes zurückgehen müssen. Und der gleiche Vorgang wird sich, wie bei der Preßfreiheit, wiederholen. Wir werden nicht auf einmal, aber allmählich ein Arbeiterrecht bekommen, das sich zuerst in den engen Kreisen des Buchgewerbes entwickelt hat. Nicht immer aber sind die direkten Beziehungen zwischen Staat und Buchgewerbe allein entscheidend für das Blühen und Wachsen des Buchhandels an sich. Von der Größe und Macht des Staates hängt das Gedeihen des Buchhandels aufs engste ab. Werfen wir einen kurzen Blick zurück auf den Gang der deutschen Geschichte! Die schlechtesten Zeiten für den deutschen Buchhandel fielen mit dem Dreißigjährigen Krieg und seinen Folgen zusammen, mit den Zeiten, wo der deutsche Staat zerrissen war, die Fremdherrschaft auf uns drückte. Mit der Einigung der deutschen Stämme, mit der Kräftigung des Reichs, mit dem Aufschwung, der durch alle unsre Verhältnisse hindurchgeht, steigt auch der Buch handel und mit ihm das Buchgewerbe an Größe und Bedeutung. Beide sind in ihrem innern Kern mit den Ge schicken des deutschen Volkes verflochten. Aus allen Teilen fließt ihnen Nahrung zu, geben sie fruchtbare Keime ab. Kleine Mitteilungen. A«S dem Deutschen Buchgewerbehaus« zu Leipzig. — Die I. Graphische Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes im Deutschen Buchgewerbehaus zu Leipzig hat nicht nur in Leipzig, sondern auch außerhalb lebhaftes Interesse erweckt. Unter den Besuchern von auswärts befanden sich Museums- und Kunst- vereins-Beamte, Künstler und Kunstschullehrer. Auch auswärtige Buchgewerbler und buchgewerbliche Betriebe nehmen Notiz von der Ausstellung. So hatte kürzlich die Retchsdruckerei in Berlin zwei ihrer Herren zu mehrtägigem Studium der Ausstellung entsandt. Der Berkauf geht gut von statten. Größere Ankäufe von Hand zeichnungen sind vom Großherzoglichen Museum in Weimar ge macht worden. — Die Ausstellung ist noch bis zum 21. April 1907 wochentags von 9 bis 6 Uhr und Sonntags von 11 bis 4 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist unentgeltlich. (Red.)
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