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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.02.1907
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 15.02.1907
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- Deutsch
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Das Buchgewerbe und die Religion (Kirche). Vortrag, gehalten vom Privatdozenten Icke. 0>. Heinrich Hermelink, Leipzig, am 8. Februar 1907 im Deutschen Buchgewerbehause zu Leipzig. »Religion und Buchgewerbe — was haben die beiden mit einander zu tun?« So begann Herr Ine. De. Hermelink seinen Vortrag und führte weiter aus, daß Wissenschaft und Literatur nicht ohne Buchgewerbe leben können, daß das Buch bei seiner Herstellung, wenn es seinen Zweck ganz er reichen wolle, auch der künstlerischen Gesichtspunkte nicht entbehren dürfe. Aber was habe hierbei die Religion zu tun? In welcher Beziehung stehe die innerste Angelegenheit des Menschen zu dem Gewerbe, zur Technik der Herstellung, zur Verbreitung des Buchs? Daß die Beziehungen zwischen Buch und Religion denk bar enge seien, das beweise eine kurze Betrachtung des Wesens der Religion und der Entstehung der Religiosität, besonders innerhalb des Christentums. Die Religion habe es zu tun mit Gott, d. h. mit der Macht, die den Menschen und die Welt um ihn überrage. Religiös sei der, der sich gegenüber widrigen Schicksalswendungen, Vernichtungskriegen des Daseins, geborgen fühle in jenem Urgrund und der aus diesem Gefühl des Geborgenseins sich erhebe zu tätiger Arbeit, zu schöpferischer Tat in dieser Welt der Stöße und Gegen stöße. Auf den selbstkritischen Gedanken, ob das Sichhinausheben über Wirkungen und Gegenwirkungen dieser Welt und das Sichgeborgenfühlen in einem überweltlichen Ruhepunkt nicht Hirngespinste seien, habe jede lebendige Religion geantwortet mit dem Hinweis auf die Offenbarung. Nicht nur von seiten der Menschen seien »Pfeile der Sehnsucht« geschossen worden nach dem jenseitigen Ufer, sondern auch von dort, wo die Gottheit wohne, sei die Brücke geschlagen worden herüber zu uns Menschenkindern. Der Gedanke der Offenbarung Gottes sei darum ein notwendiges, die Ge wißheit verleihendes Element in jeder geschichtlich-lebendigen Religion gewesen. Nur könne die Offenbarung verschieden vermittelt sein: König Salomo schlief eine Nacht im Heilig tum, und die Träume, die er hatte, kündigten ihm den Willen der Gottheit. Zeus sprach im Rauschen der Eichen von Sodoma, das von den Priestern gedeutet wurde. Berückt von den Dämpfen einer Erdspalte bei Delphi, weissagte die bekannte Pythia. Gegenüber diesen naiven und oft widerspruchsvollen Götterorakeln bedeute es eine wesent lich höhere Stufe der Religion, wenn einzelne Persönlichkeiten als Offenbarungsträger auftreten und in schriftlichen Auf zeichnungen die Weisung der Gottheit kundtun. So seien die Sprüche des Confucius, die Reden Buddhas schriftlich weitergegeben worden. Es entstehe eine höhere Stufe der Religion, in der das Buch mit seinem Offenbarungsinhalt ein notwendiger Bestandteil der Religion wurde. Deshalb spreche man in der Religionsgeschichte von sogenannten Buch religionen und verstehe darunter insbesondre solche, die mit dem Anspruch auftreten, heilige Bücher, von Gott Wort für Wort diktierte Schriften zu sein. Außer einigen Sekten, deren heilige Schriften direkt vom Himmel gefallen sein sollen, gehören zu den Buchreligionen namentlich das Judentum und der Islam. Es liege im Wesen der Buchreligion und ihrer gesetzlichen Schätzung eines einzelnen Buchs, daß sie nicht gerade mannigfaltig befruchtend einwirken könne auf die buchgewerbliche Produktion. Bezeichnend sei die Anekdote über den Brand der weltberühmten wertvollen Bibliothek in Alexandria. Der arabische Feldherr, der die Stadt eroberte, soll den Befehl gegeben haben, die Bücher Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. zu verbrennen, mit der Begründung: Entweder stimmten sie mit dem Koran überein, dann seien sie unnötig, oder sie timmten nicht überein, dann seien sie schädlich. Immerhin wirke ein Gedanke der Buchreligion auf das Buchgewerbe, eben der der höchsten Schätzung des einzigartigen Buchs Man wolle den Worten der Gottheit naturgemäß ein dauer haftes und schönes Kleid antun und so nehme man auf dieser Religionsstufe die besten Stoffe die es gebe, verarbeite te möglichst dauerhaft und gleichmäßig. Auf 1200 Fellen, die von gottgeweihten Opfertieren stammten, sollen die heiligen Schiften der Perser gestanden haben; auf tausenden von Thontafeln stehen die Mythologien der Babylonier, das Gesetz der Juden, die zehn Gebote des Moses, ruhte auf steinernen Tafeln durch die Jahrhunderte in der Bundeslade. Und als dieses Gesetz im Laufe der heiligen Geschichte erweitert ward zu dem Komplex von Schriften, wie sie uns jetzt im Alten Testament vorliegen, da habe allerdings eine reiche buchgewerbliche Tätigkeit eingesetzt. Schulen von Schreibern und Schriftgelehrten schrieben die heilige Geschichte auf Rollen von Papyrus nieder, jede Synagoge achtete darauf, daß ihre Rolle auch in der äußern Form möglichst ähnlich werde der im Tempel von Jerusalem aufbewahrten originalen Weisung Gottes. Auch das Christentum sei in gewissem Sinne Buch religion. Auch unsere Religion kenne heilige Schriften, deren Zusammenfassung schlechtweg »Bibel« oder »Buch der Bücher« genannt werde. Es habe in der Geschichte des Christen tums Zeiten gegeben, in denen die gesetzliche Auffassung dieses Buchs obsiegte, wo man auch die Buchstaben der Bibel zählte, weil man glaubte, sie seien vom bis zum vom ersten bis zum letzten Buchstaben von Gott ein gegeben und die Worte seien vom heiligen Geist den Schrift stellern diktiert. Im Interesse der Gewißheit und Sicherheit der christlichen Offenbarung wollte man das so, und doch war es eine unchristliche Auffassung, die weder mit den ge schichtlichen Anfängen noch mit dem Wesen des Christen tums übereinstimmte. Das Christentum sei nicht eine Religion des Buchs im gesetzlichen Sinn, sondern als lebendige Religion des Geistes und der Kraft stehe es höher. Die Schriften des Alten und Neuen Testaments seien Urkunden der geschichtlichen Offenbarung Gottes von den Anfängen bis zu ihrem Höhepunkt in Jesus. Mit Jesus habe aber die lebendige Wirksamkeit Gottes nicht ihr Ende erreicht, wie bei den eigentlichen Buchreligionen; sondern da fange sie eigentlich erst recht an. Der Geist Gottes wirke weiter, wie er in Christus gewirkt habe, in der von ihm gestifteten Kirche von Generation zu Generation, bis er in verschiedenen Momenten unsers Lebens erwacht sei, yns zwingend zu einem weltüberwindenden Vertrauen in das Wohlwollen Gottes, wie es für uns von Christo verbürgt sei. So trete uns der Geist Gottes und Christi in der Kirche entgegen in der gesprochenen Rede und Predigt; noch viel häufiger aber im geschriebenen Wort. Und dadurch gewinne das Buch und die Geschichte des Buchs in der christlichen Religion erst die hervorragendste und tiefste Bedeutung und den mächtigsten Impuls zu seiner weiteren Ausgestaltung. Von diesem Gesichtspunkt aus sei die hervorragende Bedeutung, die dem Buch und Buchgewerbe gemäß der religiös-christlichen Weltanschauung zukomme, leicht zu ver stehen. Von hier aus werde erklärlich, wie ein Buchgewerbe erst im Bereich der christlichen Kultur und unter Einfluß ihrer tiefsten Gedanken sich mächtig entwickeln konnte. Es werde verständlich, daß die Geschichte der christlichen Kirche und die des Buchgewerbes in Wechselwirkung miteinander stehen. Zum Beweis dieser eigenartigen Wechselwirkung zwischen Religionsauffassung und Buchgewerbe schilderte der 234
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