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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.06.1892
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- Erscheinungsdatum
- 30.06.1892
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- Deutsch
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8900 Nichtamtlicher Teil. 149, 30. Juni 1892 an einem quer durch den Schaufcnsterraum gespannten Draht aufgehängt zu haben. Er macht geltend, daß diese Handlung aus § 10 des prcuß. Paß gesetzes vom 12. Mai 1851 nicht bestraft werden könne, weil § 30 des Rcichs-Prcßgesetzes vom 7. Mai 1874 das Recht der Landcsgesctzgcbung nur insoweit unberührt gelassen habe, al es sich um das Erlassen von Vorschriften über das öffentliche Anschlägen, Aussteller: oder Verteilen von Bekanntmachungen, Aufrufen und Plakaten handele, nicht allgemein von Schriftwerken und Bildwerken im Sinne des 8 10 cit. Als grober Unfug könne das Aushängen des Bilderbogens des halb nicht aufgefaßt werden, weil der Inhalt desselben durchaus harm loser humoristischer Art, zu einer Erregung öffentlichen Aergernisses oder zur Bewirkung einer von Unwillen getragenen Aufregung des Publikums nicht geeignet sei, wie dies auch in zwei einschlägigen Urteilen des Ober- landesgcrichts Dresden, welches Angeklagter vortrug, und eines Wiener Gerichts näher ausgeführt worden. Jedenfalls habe er im Hinblick auf diese Vorentscheidungen im guten Glauben gehandelt. Es ist von der Verteidigung unter Hinweis auf die Schriften von Liszt und Koller über das Preßgesetz ausgeführt worden, der tz 10 des Preußischen Prcßgcsetzes vom 12. Mai 1851 sei durch die Be stimmungen des Reichsgesetzes vom 7. Mai 1874 insbesondere Art. 2. 30 aufgehoben worden, während die Anklagebehörde dies für unrichtig bezeichnet und auf die herrschende Meinung verweist, welche die fort dauernde Giltigkeit des gedachten § 10 annehme. Es kann dahin gestellt bleiben, ob die letztere Ansicht den Vorzug verdient, gegen welche wenigstens, soweit ein öffentliches Ausstellen von Bildwerken in Frage kommt, der auf bas Anheften und Ausstellen von Bekanntmachungen Plakaten und Aufrufen beschränkte Wortlaut des Art. 30 des ReichSpreßgesetzes sprechen dürfte, da ein an öffentlichem Ort erfolgtes Anheftcn, Anschlägen von Schriften oder Bildwerken im Sinne des tz 10 cit. vorliegend nicht gegeben ist. Wenn diese Vorschrift zunächst von öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen spricht, um dann die Klausel -und an anderen öffentlichen Orten« anzuschlicßen, so ergiebt sich von selbst, daß unter letzteren nur straßen ähnliche, dem öffentlichen Verkehr dienende Deutlichkeiten haben verstanden werden sollen, wie etwa Brücken, öffentliche Gartenanlagen und dergl., nicht aber die Räume einer Privatperson, möge sie auch für den ge schäftlichen Verkehr mit dem Publikum einen jedwedem Kauflustigen zu gänglichen Laden besitzen. Nicht von einer Ocffentlichkeit des Anheftens und Anschlagens oder VerkaufcnS, sondern von einer Ocffentlichkeit des Ortes der An heftung, des Anschlags, des Verkaufs ist die Strafbarkeit der § 10 cit. verbotenen Handlung abhängig gemacht. Angeklagter kann sonach nicht der Zuwiderhandlung gegen das preu ßische Preßgesetz vom 12. Mai 1851 schuldig befunden werden. Die Anklage ist auch auf den § 360" des Sir. Ges. B. begründet worden. Der Begriff des groben Unfugs weist auf eine den äußeren Be stand der öffentlichen Ordnung verletzende, das Publikum belästigende oder gefährdende, oder doch zur Herbeiführung eines solchen Erfolges geeignete Handlung hin und findet nach der Rechtsprechung auch Anwen dung -auf in Druckschriften niedcrgelegte Aeußerungen, somit auch Preß- erzeugnisse«. So ist in der Verbreitung eines falschen Gerüchtes durch Zeitungs- blätter, in der öffentlichen Ankündigung als Wahrsagen mit Recht ein grober Unfug gefunden worden. Es wird aber stets dabei vorausgesetzt, daß die Handlung die öffent liche Ordnung der Allgemeinheit beeinträchtigt, daß sie das Publikum un gebührlich belästigt, so daß Fälle ausscheiden, wo Haß oder Mißachtung gegen eine einzelne Gesellschaftsklasse, gegen eine bestimmte Religions gemeinschaft mittels eines Preßerzeugnisses zu erregen, in der Absicht des Thäters gelegen hat, ohne daß die Handlung gegen die Allgemein heit, gegen den äußeren Bestand der öffentlichen Ruhe und Ordnung ihre Spitze richtet. Von diesem Standpunkt aus kann der Inhalt des vorliegenden Bilder bogens nicht als zur Verübung groben Unfugs geeignet erachtet werden. Herr Warnccke hat darauf hingcwiescn, daß der Bilderbogen einem buchhändlerischcn Unternehmen seine Entstehung verdanke, welches durch bildliche Darstellungen der Zeit einen Spiegel vorzuhalten bezwecke, und in wohlfeilen, jedermann zugänglichen Bilderbogen jenen derben Humor des Mittelalters pflegen wolle, wie er in den Schriften eines Hans Sachs, Sebastian Brant u. a. vertreten sei. Wird hiervon ausgegangen — es liegt nicht der geringste Grund vor, diesen Angaben des Angeklagten den Glauben zu versagen — und berücksichtigt, daß Angeklagter angesichts der erwähnten freisprechenden Erkenntnisse sich in gutem Glauben befunden hat, die fahrlässige Be gehung von grobem Unfug aber nicht anzuerkennen ist, so muß jeden falls für den gegenwärtigen Fall auf Freisprechung erkannt werden. ES ist nach alledem nicht thatsächlich festgestellt, daß der Angeklagte zu Hannover am 30. März 1892 innerhalb des straßenwärts belegenen Schaufensters seines Alte Cellcr-Hecrstraße 53 befindlichen Buchhändler geschäfts ohne polizeiliche Erlaubnis an öffentlichen Orten ein zur Er regung öffentlichen Aergernisses geeignetes Bildwerk ausgehängt bezw. dadurch groben Unfug verübt hat. — § 10 des preuß. Preßgesetzes vom 12. Mai 1851. 8 360 Nr. 11 des Strafgesetzbuches. — Herr Warnccke war somit frcizusprechen und zwar gemäß § 499 der Str-Pr.-Ordng. kostenlos. Der Antrag, die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last zu legen, rechtfertigt sich aus dem Umstande, daß im Hinblick aus schwierige in der Littcratur streitige Rechtsfragen, be sonders über die fortdauernde Giltigkeit des ß 10 cit. die Verteidigung durch einen Rechtsanwalt für den Angeklagten geboten erschien. vermischte-. Entscheidungen des Reichsgerichts. — Die im § 21 des Reichs-Preßgesetzes bei einem fahrlässigen Preßdelikl vorgesehene Be freiung des Nachmannes durch Nachweisung des Vormannes findet, nach einem Urteil des Reichsgerichts, I Strafsenats, vom 21. März 1892, auch dann statt, wenn nicht der Nachmann selbst diesen Nach weis erbringt, sondern das Gericht auf anderem Wege den Vormann ermittelt. Auch wird der Nachmann von der Bestrafung befreit, wenn z. Z. des Nachweises Verjährung der Strafverfolgung des Vormanncs eingetreten ist. — Die Vernichtung der Handelsbücher seitens des kauf männischen Konkursifex nach der Beendigung des Konkurses, sei es durcb Schlußvertcilung oder durch den Abschluß eines Zwangs- Vergleichs, kann nach einem Urteil des Reichsgerichts, IV. Strafsenats, vom 1. April 1892, nur dann die Bestrafung des Thäters wegen Banke- rutts zur Folge haben, wenn infolge besonderer Umstände die Gläubiger auch nach der Beendigung des Konkurses ein vermögensrcchtlichcs Inte resse an dem Vorhandensein der Bücher haben. Deutsche Rechtschreibung. — Aus Basel wird unter dem 27. Juni berichtet: Der Kongreß Schweizer Journalisten und Litteraten in St Gallen beschloß, dem Schweizer Bundesrat den Anschluß an die preußische Orthographie zu empfehlen. (Vergl. auch die bezügliche Mitteilung im heutigen Bericht über die Generalversammlung des Schweizerischen Buchhändlervereins. Red.) Städtische Volksbibliotheken in Berlin. — Die siebenund zwanzig Bolksbibliotheken Berlins sind, wie der -Bossischen Ztg.« berichtet wird, im Verwaltungsjahr 1891/92 von 15791 Lesern benutzt worden. Verliehen wurden 370578 Bände Zum erstenmale seit einer Reihe von Jahren haben die Volksbibliotheken im abgelaufenen Vcrwaltungsjahre einen bedeutenden Fortschritt zu verzeichnen gehabt; die Zahl der Leser ist um mehr als 1000 und die Zahl der verliehenen Bände um mehr als 31000 gewachsen. Die Gesamtausgabe für die Verwaltung und die Unterhaltung der Volksbibliotheken hat im Jahre 1891/92 34838 .^9^ betragen, wovon auf die Einrichtung der im Februar 1892 eröffneten siebenundzwanzigsten Bibliothek (in der Prenzlauer Allee) 6000 .F ent fallen. Durch ein Vermächtnis des im August 1891 verstorbenen Rentiers Theodor Wagener wurden die Bolksbibliotheken mit einer großen Zahl von Bänden illustrierter Zeitschriften und guter belletristi scher Littcratur, sowie brauchbarer Reisewerke bedacht. Schmutzliteratur. — Eine Eingabe, welche Herr Phil. Braun in Düsseldorf an den Reichskanzler gerichtet hat, sagt u. a.: -Das gesamte Ausland bombardiert unS gegenwärtig stärker denn jemals mit Büchern und Bildern des allerunzüchtigsten Inhalts. Ew. Excellenz überschicke ich bcigchend vier verschiedene Kataloge aus Nord und Süd, deren wohl hundert Ausgaben von je tausend Exemplaren in Deutschland verbreitet wurden; allenthalben stoße ich bei näherem Zu sehen auf deren Spuren. Nicht nur -fliegende« Buchhändler, sondern sogar viele bessere Buch» und Kunstfirmen (? Red. d. Börsenbl.) be schäftigen sich ebenso eifrig wie verstohlen mit dem Vertrieb dieser un- flächigsten, das biedere Volk vertierende Ware. Daß schon die Kataloge durch die Art ihrer Abfassung grausige Verwüstung unter der Jugend anrichten müssen, werden Ew. Excellenz auf den ersten Blick er kennen; ich nehme an, daß keine deutsche Zeitung sich zum Herold der ehr- und gewissenlosen Händler mißbrauchen lassen würde, wenn sic nur eine Ahnung davon hätten, welche kolossalen Scheußlichkeiten sich hinter gewissen Annoncen verbergen. Manche der letztcrn lauten so harmlos, daß selbst Unbefangene ahnungslos in die Falle gehen; und dieses ist das Schlimmste an der heutigen Sachlage! Alles, was seit je von der Winkelpresse im betreffenden Punkte gefrevelt worden ist, läßt bezüglich der Ausdehnung keinen Vergleich zu mit dem heutigen, von den fortgeschrit tenen Künsten der Vervielfältigung und raffinierter Reklame unterstützten Treiben. Ew. Excellenz wollen uns retten vor der immer höher steigenden höllischen Flut, vor diesem Meer der ekelhaftesten Jauche, das alle Civili- sation zu verschlingen droht! Wenn nach außen durch die Diplomatie wirk same Schritte gethan, wenn die inländischen Behörden neuerdings angewiesen werden, die vorhandenen Bestimmungen eifrig und streng zu handhaben, wenn die Lücken der Strafgesetzgebung, dem Bedürfnis der Gegenwart entsprechend, ergänzt sind, dann muß es allmählich besser werden, auch auf dem in Rede stehenden Gebiete; und auf alles dieses haben Ew.
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