Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.10.1913
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1913-10-06
- Erscheinungsdatum
- 06.10.1913
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19131006
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191310064
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19131006
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1913
- Monat1913-10
- Tag1913-10-06
- Monat1913-10
- Jahr1913
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
232, 8. Oktober 1913. Fertige Bücher. Das 12.Tausend T vsn Maximilian Harden Prozesse sKöpfe lll. Teil) gelangt soeben zur Ausgabe Eine der ersten Kritiken: Der ,,berliner Lokalanzeiger" führt in einem eine ganze und eine halbe Spalte langen Essap u. a. folgendes aus: In den ersten beiden Sünden hat stch Harden in der von uns gewürdigten weife mit hervor- ragenden Persönlichkeiten auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens beschäftigt, heute sehen wir ihn als Schilderet, Seobachter und Kritiker der großen gerichtlichen Dramen, die im letzten Jahrzehnt die öffentliche Aufmerk samkeit und das öffentliche Interesse wachriefen. Die große varstellungskunst des Verfassers, fein tiefes Eindringen in die verschiedenartigsten Verirrungen menschlicher Triebe, fein kluges Erkennen der Grundmstive verbrecherischer Handlungsweisen, feine weiten sozialen un- rechtlichen Ausblicke, feine feinen Aerglieüe- rungen der Pspche de» Richters, des An klägers, des Angeklagten und des Volkes, feine eigene, unentwegte politische Unerschrocken heit, die besonders in den Prozessen zutage tritt, in denen der Verfasser als Hauptperson auflritt, verleihen seinen Vorlegungen einen bleibenden wert, der ste für alle Zeiten lesens wert macht. Harden eröffnet seinen Zuklus mit einer wundervoll ziselierten Studie: ,,Richter pon tius". Die Leidensgeschichte Ehristi, der vom fanatisterten Geistespöbrl vor den römischen Richter geschleppt wird. Ein historisches Ge mälde — bar aller Retuschierungen — von unendlich packendem Reiz, grellfarbig, wie dieser tragischste Prozeß der Menschheit stch unter der Hellen Sonne Palästinas ab spielen mußte. Aber dann geht es in unsere Tage hinein! Therese humbert! wer diesen schlicht deutsch klingenden Namen liest, weiß vielleicht im Augenblick gar nicht, um wen es stch handelt. Spricht man den Namen aber französisch aus, so taucht das Sild vielleicht der verwegensten Schwindlerin auf, die die französische Gesell schaft jahrzehntelang mit einer millionenerbschaft genarrt hatte und schließlich rühmlos vor den Geschworenen zusammenbrach, heute ist es nicht nur interessant, sondern geradezu lehrreich, wie Harden in das Seelen getriebe dieser eigenartigen Zrau, die vielleicht nur in Paris möglich war, einzuüringen ver stand, mit welch feiner Ironie er dir Zauber kraft einer imaginären hunöertmillionenrrb- schaft auf alle in betracht k»mmenden Per sönlichkeiten und Instanzen schildert. Vippold! Mit eiserner Zaust weist Harden hier in eine Zamilien- und Rindertragöüie, von denen man nur hoffen möchte, daß ste eine Einzelerscheinung war. Man erinnert stch dieses erschrecklichen Hauslehrers, dessen sadistischen Neigungen zwei Rinder reicher Leute anoertraut wurden, und von denen er eins zu Tode marterte. Auch Anna Rothe, dem damals so viel de- spöttelten Slumenmeüium, ist ein kleiner Auf satz gewidmet, und man kann wirklich mit Harden der Meinung sein, daß diese Spiritistin zu hart beurteilt wurde. Selbstverständlich muß es jedem einzelnen überlassen bleiben, stch allen Schlußfolgerungen hardens anschließen zu wollen oder nicht, vielleicht ist aber in dem Such kein Aufsatz enthalten, der so trefflich ist wie die geistvolle Klarlegung des Zolles der Gräfin Kwilecka mit ihrem angeblich untergeschobenen Kinde. Sei der Lektüre steht man noch einmal das ganze Aufgebot der östlichen Zeugen, vom hochgeborenen Grafen bis zum Schweine- mädchen herab, die Angeklagten, den Grafen und dir Gräfin mit all ihren Allüren, die auf der weiten Wegstrecke von Wroblewo über Paris und der Riviera aufgelesen waren. Zranzöstsches Parfüm und polnischer Stallduft. Die hardenschen Schilderungen find so echt und so treffend, daß ste nur der wirklich be inessen kann, der dieses sarmatische Milieu aus eigener Anschauung kennt. Im Zall hau zeigt stch Harden als tief gründiger Psychologe. Der eigentümliche Mann, der seine Schwiegermutter erschossen haben soll - sagen selbst heute noch manche bietet Harden Grund zu glänzenden Aus führungen, die immer beherzigenswert bleiben werden. Ebenso groß zeigt stch Harden in seiner psychologischen Vorstellung des Zolles Schönedeck in Allenstein. Sowohl was den Mörder und Selbstmörder, Hauptmann von Soeben, wie die Zrau v. Schönebeck an betrifft. bas Sexualempfinden des unglück lichen Mannes ist in einer weise dargelegt, die klassisch genannt zu werden verdient. Auch die Seurteilung der Zrau von Schönebeck, die bis in die letzten Tage hinein die Gerichte beschäftigte, find für immer bemerkenswert. Nehmen wir nun noch das blutrünstige Scheusal Sternickel mit seinen drei Gehilfen. Er ist Gegenstand einer Vetrochtnng, die stch weit über das Alltäglich.- erhebt. wer aber Harden in seiner ganzen beson deren Eigenart kennen lernen will, der lese in aller Ruhe die beiden Aufsätze ,,Zürst Eulen burg" und „Moltke wider Harden". Nicht daß wir hier noch einmal in den Grund der vinge eindringen möchten, das erübrigt stch von selbst, da die Akten glücklicherweise über diese Zälle geschlossen find. Sie gehören der Geschichte an. hier interessiert ja eigentlich nur di» künstlerische Seile de» Suches. In dem Artikel „Zürst Eulrnburg" bleibt das Kabinettsstück die Vernehmung des Zischer- meisters Ernst. Die Zeichnung dieses Zeugen zeigt Harden in seiner ganzen Größe als fein sinnigen, außergewöhnlichen Schilderet. So stellt stch dieser Sand Harden als ein überaus wertvolles Dokument unserer Zeit geschichte dar, das nicht nur für uns, sondern auch für kommende Geschlechter eine Fund grube zur Klärung vieler Probleme bilden wird, die unsere Tage bewegten. Erich Reiß, Verlag, Serlin w. ö2
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder