Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.01.1864
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- Erscheinungsdatum
- 11.01.1864
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- Deutsch
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M 5,11. Januar. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 67 minder interessant sind die nichtseltenen, höchst sonderbarenAuf- fassungen, die bei Buchhändlern über das Verhälrniß von Schuldnern zu Gläubigern herrschen können. — In mittleren und kleineren Städten finden wir verhältnißmäßig häufiger als in großen Städten einen gewissen Hang zu großem Leben, zu Aufwand. Dort wo der Einzelne mehr den Blicken seiner Mit bürger ausgesetzt ist, wo die Natur des buchhändlerischen Ge schäftes und die Bildung des Buchhändlers ihm oft eine in der Bürgerschaft hervorragende Stellung einräumk, mag es schwe rer sein, solchen Verführungen zu widerstehen. — Hinzutreten vielfach zu frühe Ehen, ehe Ertragsfähigkeit des Geschäftes hin länglich festgestellt war. Dies sind Betrachtungen, die sich aus die Verarmten an derer Stände auch beziehen können; dem Buchhandel allein aber gehören die zwei folgenden an: Es ist merkwürdig, wie sehr sel ten auf die Dauer ein notorisch schlechter Verlag, in Gesinnung und Leistung schlechter Verlag dauert, wie ein solcher sich rächt; und ferner wieviel Elend aus dem Mangel an kaufmännischer Erziehung und kaufmännischen Begriffen entspringt, deren der Buchhändler, da er einmal Kaufmann sein muß, nicht entrathen kann. Dieser Mangel an kaufmännischer Erziehung und kauf männischen Begriffen, verbunden mit der halben wissenschaft lichen Bildung, der Viel- und eigentlich Nichtswisserei, die uns unser Leben selbst wider unseren Willen aufdrängt, geben ein sonderbares Gemisch, aus welchem nur schwer ein guter Ge schäftsmann hervorzugehen vermag. Aber neben der verschuldeten Armulh steht die unverschul dete, neben dem Leichtsinn ein rastlos mühendes Leben, neben Ueberhebung und Uebermuth die bescheidenste Demuth, neben Gewissenlosigkeit das strengste Rechtlichkeitsgefühl und Niemand wird einen Blick in jene verschlossenen Materialien werfen, der nicht sein Herz bis ins Tiefste ergriffen fühlt. Da ist ein begründetes Vertrauen, vielleicht ein zu weit ge hendes, schnöde hintergangen, dort sind Krankheit, Erblindung, Lähmung die Steine gewesen, über die nicht fortgeschritten wer den konnte, an denen ein stilles, friedliches Glück zerschellte. Wie oft tritt dann für den kranken Vater die Gattin, die Tochter ein, arbeitet Tags für ihn an seinen Geschäften, Nachts Nälherei um kärglichen Lohn, und sucht mit dem Verein das kleine zerbrech liche Schiff über Wasser zu Hallen. Auch unser Unterstützungs- Verein kann bestätigen, daß zumeist unseren Frauen ein Muth in Gefahr und Noth beiwohnt, der dem gebräuchlichen Ausdruck: ,,das schwächere Geschlecht" widerspricht. Wie mühen und sor gen sich diese armen, wahrlich meist zu ruhigem, reichlichem Leben erzogenen Frauen um ihre Gatten und Kinder! Es werden für Geld Noten copirt, Leihbibliotheken errichtet, Unterrichtsstun den werden gesucht und ertheilt, Agenturen werden über nommen und dergl. Endlich kommt der erlösende Tod, wischt den Armen die letzten Thränen ab und gleich nach ihm kommt die fürchterliche Rechnung für den Sarg und den Leichen wagen. Jene arme alte Dame hat ihren Vater, ihre Mutter, ihre Geschwister sterben sehen, unser Verein hat ihr geholfen die Grä ber graben, er ist der einzige treue Freund, der sie hält und pflegt und tröstet. Wenn er nicht wäre, sie müßte verzweifeln. Jene Mutter sehnt sicb nach ihrem Gatten, der von Gläubigern oder politisch verfolgt auf fremdem Boden sucht, ob er nicht das Glück erjage; der Verein reist mit ihr über die See und vereint, was ge trennt war. Wenn hier die Mittel zu einem Examen für einen Sohn fehlen, wenn dort Ems der kranken Brust endlich Heilung bringen soll, wenn hier Schulgeld, dort Kleidung, dort Reise geld nölhig sind, wenn dort Pfandzettel einzulösen, Lebens versicherungen vor dem Verfall zu retten sind, wenn für eine Wittwe eine Nähmaschine oder dergleichen angekauft werden soll, weil ein Erwerb davon erhofft wird, wenn Kranke Jahre lang zu pflegen, wenn Armen zu geben ist sowohl Brot als Trost, ja, wenn vor dem Aeußersten bewahrt und behütet werden muß, — dann tritt der ganze Stand mit seinem Genossenschaflsvecein heran, und gibt, nicht etwa ein Almosen, sondern seine warme helfende Hand mit jeder Hilfe, die möglich und gerecht fertigt ist. Freilich kommt es auch vor, daß sein Vertrauen getäuscht, daß seine Hilfe gemißbraucht wird, — das ist aber nicht zu mei den, denn zu großeSorgfalt würde die schnelle, also doppelteHilfe verhindern; der Anblick derArmuth und derNoth rührt dasHerz und macht die Hand williger. Erst ein längerer Verkehr zeigt die wahre Natur der Verhältnisse und den Punkt, wohin die Hilfe zu richten. Sind nicht schon Mittel und Wege gefunden, Kin dern zu helfen, sie zu fördern, obgleich und weil ihre Eltern un würdig fernerer Hilfe erkannt wurden? War nicht solchen Kin dern und Angehörigen gegenüber Pflicht und Verantwortung des Vereins eine doppelt ernste? Solcher Fälle, wo Leichtsinn und Schamlosigkeit Armuth heucheln, um bas von allen Seiten un ter verwerflichen Vorwänden Beschaffte behaglich oder in Lüder- lichkeit zu vergeuden, kann ein derartiger Verein sich nie erweh ren. Sie dürfen nicht muthlos machen, bei uns um so weniger, als sie Gott Lob! die seltenen sind. Denn zumeist spricht sich : eine rührende Dankbarkeit gegen den Verein aus, und oft eine Bescheidenheit, eine Schüchternheit, die sogar einer energischen Hilfe hinderlich werden könnten, wenn sich nicht der Vorstand stets bewußt bliebe, daß er es hier mit Brüdern zu thun hat, denen nur die Liebe Hilfe gewähren kann, jene wahre Hilfe, welche der Arme, der fein fühlt, nicht als eine neue Bürde ! ansieht. In rastloser Treue rhätig, in selbstverleugnender Arbeit unermüdlich wirken unsere Freunde vom Vorstande wie barm- herzigeBrüder. Mit einer Zartheit verrheilen siedieGaben, spre chen sie Worte der Ecmuthigung, veranstalten sie nöthige Er kundigungen, die keine Instruction befehlen kann, die nur ein hochherziger, ein vor Gott dcmülhiger Sinn und die wahre Bildung des Herzens lehren. Ich muß von den Freunden schweigen, die noch wirken. Ihre Arbeit an das Licht ziehen, steht mir nicht zu, denn es ist nicht unser Lob, was sie erstreben. Ich darf aber von Theodor Enslin sprechen und von seinem jüngeren Freunde Hermann Sckultze, welche beide schon von ih rer Arbeit ausruhen. Es ist rührend, Enslin's schräger Hand in den Acten zu begegnen und seine kurzen, treffenden, kör nigen Vota zu lesen. Er zweifelte nie lange und traf stets das Rechte, weil er ein starkes und redliches Herz hatte. Und neben ihm steht ehrenvoll Hermann Schultze mit seiner großen und rastlosen Geschäftstätigkeit, seiner Rührigkeit, seiner freundlichen Art und Weise, seinem guten, wohlwollen den Herzen. Wer einmal gewürdigt ist, unseren Freunden, die jetzt am Dienst sind, zu helfen, sei es durch Erkundigungen oder durch Uebermittlung der Beiträge, der vermag ihr Amt zu verstehen, der erwirbt eine aufrichtige Hochachtung vor solchen Männern und die gute Zuversicht, daß das Amt in würdigen Händen ist. Ein leichtes Amt ist es nicht. Der verschämten Armulh gebil deter Männer und Frauen ist nicht nur nachzugehen, ihr muß sogar entgegcngegangen werden, und wie oft möchten unsere Freunde helfen, müßten helfen, — und können und dürfen es nicht. Alle Werke der Barmherzigkeit, auch die schwersten, üben unsereFreunde freudig und treulich. Auch nicht eines fehlt.
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