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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.01.1864
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 11.01.1864
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- Deutsch
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Ein Bild aber bleibt vor meinen Augen stehen und will sich noch nicht auf die Seite stellen lassen: An der Thüre meines Gewölbes wartet bescheiden ein nicht mehr junger Mann. Durch Antlitz, Haltung, Schnitt der Kleidung gebärt er offenbar den besseren Ständen an, und doch liegt in seiner ganzen Erscheinung, in jenem geduldigen Warten, bis auch für ihn der Augenblick komme,dieFrage: Wo finde ich eine offene Hand? Es hat sich der Augenblick für ihn gefunden und ich habe ihm die hilfreiche Hand gezeigt, welche der Unterstützungs-Verein ihm entgegenstreckt. Aber heute tritt das Bild mir wieder vor die Seele, es will nicht wei chen und es mahnt mich. Die Mahnung jenes Bildes verstehe ich so, daß ich versuchen soll, mit der Muße dieses Festtages zu dienen. Der Unterstützungs-Verein hat schon vielfache Schriftstücke ergehen lasten, in welchen er den Zweck und die Mittel des Ver eins darlegt und zu neuer Theilnahme anregt; es ist oft über ihn geschrieben, wider und für ihn, seit Jahren wohl nur für ihn. Niemals aber ist bisher dargestellt, Wem und Wie er gebe. Wir mußten uns damit begnügen, zu erfahren, daß ergebe, wieviel er gebe, aber unsere persönliche Theilnahme blieb bei solchen Be richten kälter, weil das persönliche Interesse sich nicht an Na men, an Gestalten und an Bilder knüpfte. Mildem Hineinfüh- ren solcher Züge und Beispiele einzelner Bestrebungen und Er folge hätte der Vorstand oft einen nicht geringen Reiz üben, oft schwächere Theilnahme beleben können; — aber das Gebot des Schweigens fesselte die Lippen und mußte es fesseln. Denn wie leicht hätte nicht der einzelne Zug, das einzelne Beispiel den Na men des Empfängers verrathen können, auch wenn er nicht ge nannt ward! —Und damit wäre ein Hauptgesetz des Wohlthuns und Mitkheilens gekränkt worden, denn es hätte die linke Hand gewußt. Wenn aber in größeren allgemeinen Zügen ein Gemälde je ner Arbeit uns vorgeführt wird, dann tritt das Einzelne mehr; zurück vor dem Gesammten, — und für den, der seine Neugier ^ nicht schweigen lassen kann, sei gesagt, daß bei jeder einzelnen factischen Mittheilung dieser Zeilen Aendcrungen in Ort, Namen oder sonst vorgenommen sind, die einen Schutz vor solcher Neu gier gewähren. In einer Fensternische unseres Börsensaales zu Leipzig zur Meßzeit 1835 war es, als George Gropius seinen Plan zur Grün dung eines Unterstützungs-Vereines wenigen vertrauten Eollegen vorlegte. Die Gedanken, die er damals mit seiner leisen beweg lichen Stimme entwickelte, haben Boden gefunden, Wurzel ge faßt und Vielen hat der Baum, der in jener Stunde gepflanzt ward, einen kühlenden Schatten gewährt. In dem ersten Jahr zehend hat alle Liebe seiner Pfleger doch nur wenige Früchte ge zogen , aber diese wenigen Früchte waren trefflich; — heute prangt der Baum in guter, gesunder Kraft, und wer zu ihm seine Zu flucht nehmen muß, dem spendet er die Gabe. Da sammeln sich mit stets sich neu erzeugendem Bedürfniß Greise, Kranke, Witt- wen und Waisen, Vereinsamte, Verarmte. Ausschau wird gehal ten, ob die Bitte, der Wunsch gerecht sind, und die Früchte wer den vertheilt, soweit sie reichen, einem Jeden nach dem Maße des Vorrathes, des Bedürfnisses und der Würdigkeit. Der alte Herr deck mit ehrwürdigem Haupt, der den feinen Anstand guter Erziehung und vornehm bürgerlicher Herkunft in seinem Elend sich bewahrte, ist der Sproß einer uralten Buch- händlerfamilic. Man lebte ruhig in patrizischem Behagen, ohne Aufwand, aber mit der Fülle, die die Sicherheit eines geordneten Besitzes gewährt. Da kommt eine ganz neue Zeit, mit neuen Ansprüchen, mit Maschinen, mit drängenderEoncurrenz jüngerer Kräfte. Plötzlich wie mit einem Schlage ist der gute alte Verlag von Schulbüchern durch neue Methoden verdrängt und entwei chet. Keine Gegenanstrengungen werden gemacht, denn man glaubt in jenem Hause nicht, daß eine neue Zeit die alte verdrän gen, so rasch verdrängen kann. Es muß sich ja wieder zum Al ten, Ruhigen wenden. Endlich ist der letzte Thaler verausgabt, und der Vater, der Chef eines vordem in ganz Deutschland be rühmten Hauses ist glücklich, ein kleines Plätzchen aus Mitleid zu erhalten. Seinem Nachbar dort war wohl gebettet. Er hat redlich gearbeitet, er ist sparsam gewesen, nur will er in dem Alter, welches sich naht, mehr der Ruhe genießen. Ein Geschäftsfüh rer wird genommen, derselbe ist tüchtig und regsam, der Alte l braucht sich weniger selbst zu zeigen, er vertraut nach und nach seine sämmtlichen Angelegenheiten dem jungen Freunde an. Aber an einem Morgen bleibt das Pult desselben leer, — er ist ent wichen, er hat nicht nur alles mitgenommen, er hat auch Wechsel ! ausgestellt, die bezahlt werden müssen. Haus und Hof und Ge- ! schäft werden verkauft, um die Schulden zu tilgen, und der Alte j zieht an einen Ort, wo Niemand sein Unglück und, wie er glaubt, seineSchande kennt, wo aber auchNiemand das trübeAlterpflegt und liebreich tröstet. Da geht er einsam umher, verarmt immer mehr, verschließt sich immer fester, — bis seinen Hausgenossen die bitterste, so lange geheim gehaltene Noth nicht länger verbor gen bleiben kann. Ein Greis, hoch in den Achtzigern, treibt noch irgend ein kleines Geschäft, so gut es seine zitternden Hände vermögen. Seine Frau hat er längst begraben, Kinder hat er nie gehabt, für seine kindlich bescheidenen Ansprüche reicht der mäßige Ertrag seiner Arbeit gerade aus, — da wird er krank und er bittet um Unterstützung, ,,wenn er Anderen nichts dadurch entziehe". Auf demLeidenslager, an welches unheilbares Siechthum ihn gefesselt, spinntJener noch die weitschweifendsten Pläne für künf tige Unternehmungen. Mit rastlosem Fleiße hat er früher pro- ducirt, nie glücklich, nie ganz unglücklich, große Summen sind hin und her geflossen, — nun ist er allein, arm und krank. Alles hat ec für eine Idee, für eine Partei gethan, — nichts bleibt ihm, als eine glückliche Täuschung. Noch glaubt er, daß seine Ver hältnisse nur verwirrt, nicht zerrüttet sind. Auf seinem Ster bebette schreibt ec Entwürfe, arbeitet er Pläne für die Zukunft aus. Aber wo bleiben die Freunde, klagt er? Er hat ja viele vermögende Freunde, das weiß er. Gewiß haben sie nur nicht erfahren, daß er einsam, verlassen, von einem harten Hausherrn bedrängt sei. — Wer diesen Mann in den Tagen hohen Muthes gesehen hat, und dann diese mit zuckender Hand geschriebenen fie bernden Briefe liest, den erfaßt ein unsägliches Weh. Wie vielem trüben Ringen mit dem Elend, wie vielen von Anbeginn an thöricht oder unglücklich angelegten Existenzen be gegnen wir! Eine Fülle von Betrachtungen läßt sich aus den Materialien, welche der Unterstützungs-Verein in seinen Acten birgt, zur Beurtheilung des Buchhandels und der Buchhändler ziehen. Einigen wenigen sei hier ein Platz gegönnt. Sehr viele Familien müssen ihre Zuflucht zur Hilfe des Unterstützungs-Vereins nehmen, weil das Etablissement auf zu unsicherem Boden begründet ward, ohne die Mittel, die unum gänglich nöthig waren, weil, wenn ein Sortiment nicht den Ge winn abwarf, dessen die Familie bedurfte, häufig nun bedenk liche Verlagsspeculationen die Lücke füllen sollen. — Die Leich tigkeit, mit welcher ein Buchhändler jeglichen Credit, außer Cre dit auf Geld erlangt, leistet solchen Existenzen vielfachen und oft lange Zeit währenden Vorschub. Interessant ist es zu sehen, wie lange ein Buchhändler ein längst zerrüttetes Geschäft durch die Hilfe des Ccedites des Buchhandels noch fristen kann; nicht
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