X- 66, 19. März 1929. Fertige Bücher. BSrienil-1,1. d. D„chn. Bnchimdki. 228N Der Dichter (Auszug aus einem Artikel der „Osnabrücker Zeitung^ Über Nacht steht ein junger Osnabrücker im Mittelpunkt der literarischen Well: Erich Maria Remarque, der mit seinem Buch „Im Westen nichts Neues" nicht nur die literarischen Kreise, die es von der künst lerischen Seite her zu beurteilen haben, auftührt, sondern vor allem die Generation in ihrer seelischen Situation trifft, die es schildert -.... Remarque ist Osnabrücker. Als der Krieg aus war, gehörte er zu den Männern, die wieder Schüler werden mußten. Er ging auf das hiesige Seminar, ein Jahr lang ungefähr noch. Das war das bitterste, was uns geschenkt wurde für die vier Jahre. Ich vergesse nicht, daß ein Lehrer von uns verlangte, abends um acht Uhr zuhause zu sein; er behielt sich sogar das Recht der Kontrolle vor. So kam es zur Revolte, bei der Remarque der Sprecher der katholischen Seminaristen wurde. Als Lehrer wurde er in die Verbannung in den Hümmling geschickt... Dann quittierte er den Dienst, schlug sich als Kaufmann durch und warf sich auf die Journalistik. Als Kritiker saßen wir oft zusammen; es war überhaupt eine bewegte Zeit; denn es wurde tapfer auf die Kunst produzenten losgehauen; gemäßigte Anschauungen gab es nicht und zart war der Ausdruck auch nicht. Wer kam zart aus dem Kriege wieder? Sv hagelte es Proteste und Beschwerden Remarque ließ sich von den kleinen Erfolgen nicht bestechen; er sah auch in Osnabrück keine Möglichkeit für sich, denn der Lehrerberuf blieb für immer abgetan. Er kam nach Hannover zu Continental und schrieb dort das Continental-Echo, was ihn weit herumbrachte auf dem Balkan, in der Schweiz, in Italien, in der Türkei. Mit dem weiteren Blick bekam er die größere Tiefe. Sein Weg bereitete sich vor. Daß er Hannover verließ und nach Berlin ging, war nur eine Frage der Zeit In den letzten Jahren wuchs ihm dann sein Buch. Die „Vossische Zeitung" druckte es ab; jetzt liegt es als Buch vor und es hat einen europäischen Erfolg. Vielleicht, daß hier seit Jahren das erste deutsche Buch geschrieben wurde aus dem Bereich der schönen Literatur, das neben Shaw, Hamsun, Anatole France oder Lagerlöf steht und auch drüben gelesen, sicher viel gelesen wird. Als Remarque im Herbst bei mir war, sagte er nichts von dem Buch; Soldaten und Kameraden sind bei den innersten Dingen schweig sam. In seinem Buch findm sich einige Stellen, die von Osnabrück erzählen: vom Pappelgraben, von dem Blick seines Fensters über Dächer und Häuser der Altstadt; man spürt aber hier seine tiefe Verbundenheit mit der Stadt, spürt die zitternde Erregung unter dem sachlichen Stil, mit dem er Stadt und Ereignisse aus ihr zeichnet, fühlt seine Sehnsucht, die ihn doch nicht ganz losläßt. Ist es nicht ein seltsames Zeichen, wenn er plötzlich hier austaucht, ohne Grund, hergetriebcn für einige Stunden, um den Hauch und den leisen Gang der Stadt zu kosten? Remarques Buch klärt den Begriff des Krieges und säubert ihn von der Tendenz verlogener Kriegs berichterstatter; es stellt seinen Heroismus fest und senkt über alle Verlorenen die unendliche Fackel der Trauer. Unsere Trauer ist tief; aber wir wissen: auf den Opfern und den Waffen ruht der Staat. A Usus kerä Börsenblatt s. d. Deutschen Ruchbandel. VS. Habraana. 322